Die Tugenden des Pfeifenrauchers Teil II

von Georg Pohl

Pfeifenrauchen ist – so sagt man normalerweise – die Impotenz des pekuniär Unmöglichen gepaart mit den nasologischen Determinismen eines schrankenlosen Hedonismus… oder so. Nur wer mich ganz genau kennt, weiß, dass ich zwar körperlich eher filigran beschaffen, aber dennoch von einer nahezu schrankenlosen Bescheidenheit bin. Und damit komme ich in medias res: die These „Der Pfeifenraucher ist bescheiden“

Nehmen wir mich, zum Beispiel. Obwohl ich genau weiß, dass ich den meisten Nichtpfeifenrauchern, zum Beispiel meiner Frau, geistig und körperlich weit überlegen bin – meint ihr, ich lasse es sie spüren? Obwohl ich (das darf ich mit aller Berechtigung sagen) der Herr im Haus bin, würde ich niemals nach denen treten, die mir unterlegen sind! Meine Frau ist da ganz anders. Ständig hackt sie auf einem rum, nie erkennt sie die offensichtliche Überlegenheit an. Als Pfeifenraucher wäre sie einfach unmöglich.

Hin und wieder muss ich sie mit meiner geistigen Potenz zur Ordnung rufen…

Gerade übe ich mich in einer völlig neuen Stopfmethode: die Handballmethode (man formt aus 4 Gramm Tabak eine Kugel und versucht damit aus exakt sieben Meter Entfernung die Rauchkammer zu treffen). Wie gesagt – ich übe noch.

„Und wer macht diese Schweinerei wieder weg!“
„Du verstehst nicht… sportlich Ehrgeiz… männlicher Wettstreit…“
„Red nicht so geschwollen! Gib die Pfeife ab und hol dir den Staubsauger!“

Glaubt mir, es gibt nichts Entwürdigenderes, als vor den Augen der Kinder aus der Nachbarschaft die Tabakreste aus den Blumentöpfen und dem Hundenapf zu klauben…

Aber! Der Pfeifenraucher ist nicht nur bescheiden, sondern – wie ich letztens schrieb – auch überlegen. Meine gesamte geistige Potenz setze ich ein, sie von meinem hohen Ross herunter zu holen. Der geübte Pfeifenraucher und Ehemann weiß, es gibt hunderte von erprobten Methoden, zum Beispiel… fällt mir jetzt gerade keine ein. Mittlerweile bin ich in einer Verfassung, in der es ratsam erscheint, die Messerschublade abzuschließen. – Ich richte mich zu meiner vollen Größen von fürchterlichen 150 Zentimetern auf. „Schämst du dich gar nicht! Was meinst du denn, wen du vor dir hast! Ich habe schließlich einen akademischen Titel!“ Sie mustert mich skeptisch von oben bis unten – aha, jetzt habe ich sie erwischt, das ist ihr wunder Punkt. „Sag mal“, meint sie, „was hältst Du als Unbeteiligter eigentlich von Intelligenz?“

Ich möchte es mal so ausdrücken: das wichtigste bei einem wahren Pfeifenraucher ist es, keine unnötige Energie zu verschwenden, zu wissen. Mit einem verächtlichen „Pah!“ drehe ich mich um und lasse sie stehen. D Punkt geht an mich; ich habe sie so was von stehen lassen…

„Wenn Du nach unten gehst“, haucht sie mir nach und ich drehe mich erwartungsvoll um, „dann nimm deinen Müll mir!“ und sie zeigt auf meine Pfeifentasche. Hoffentlich habe ich keine mit Acrylmundstück dabei, sonst darf ich auch noch in den gelben Sack trennen…

Andererseits… immer ist sie sehr besorgt um mich. Als ich mir letztens bei Pfeifenschnitzen … „Schatz, hilf mir mal, ich glaub ich hab einen Splitter im Finger“ – „Ach nee, haben wir uns wieder am Köpfchen gekratzt!“

Und ihre Begeisterung kennt keine Grenzen, wenn ich englische Tabake rauche.

„Rauchst Du wieder diesen fürchterlichen Laktose-Tabak?“
„Mäuschen! Laktose kommt aus der Milch; was du meinst ist Latakaia“
„Nein das weiss ich besser. Latakia ist eine fettarme Margarine“
„Meinst du nicht Lätta?“
„Nein, das ist das, wo der Maler drauf steht, wenn er die Decke weißt“
„Ich denke, du meinst Leiter“
„Willst du mich… also das weiß ich zufällig ganz genau! Das ist nämlich das, womit ich die Milch abmesse.
„Was Du meinst ist ‚Liter'“
„Nein, das ist das, mit dem früher die Bücher gedruckt wurden.“
„Das waren Lettern!“
„Ich glaube, Du willst mich nicht verstehen. Lettern… damit sind wir früher zu Martin immer gezogen!“
„Das, mein Liebling, waren Laternen“
„Nein – das waren früher die Plumpsklos“
„Latrinen?“
„Jetzt mach aber mal einen Punkt!- Latrinen, das ist doch dieser englische Tabak, den Du immer rauchst!“

Ich habe dann einen Vanilletabak genommen...