Oh du Fröhliche?

von Georg Pohl

Wer mich kennt weiß, dass ich nicht nur ein ausgesprochener Familienmensch bin, sondern auch kleinen Kindern im Allgemeinen und dem weiblichen Geschlecht im Besonderen sehr zugetan bin. Allen Formen von Berührungsängsten gegenüber bin ich immun; solange ein gewisser Sicherheitsabstand gewahrt bleibt, solange man noch weglaufen kann. Aber es gibt Situationen, in denen selbst eine Kreuzung von Winnetou und Mary Poppins scheitern würden. Heute ist ein solcher Tag...

"Schatz", wenn meine Freu dieses Timbre in die Stimme legt, bedeutet das meist nichts gutes - etwa 'bring den Mülleimer runter' oder 'hast Du schon dein Zimmer aufgerämt?' "Schatz, wir haben überlegt, dass wir Weihnachten mit der ganzen Familie feiern wollen. Das wird bestimmt sehr nett" - "Das ist eine gute Idee, mein Mäuschen! Und bestelle allen liebe Grüße von mir..." - "Nichts da! Du kommst mit. Meinst Du, ich setze mich allein zu deiner buckeligen Verwandtschaft?"

Plötzlich beginnt mein Bein wieder zu schmerzen - eine alte Kriegsverletzung, die ich mir zuzog, nachdem ich meiner Frau vorschlug, in den Sommerferien eine Exkursion zu den deutschen Tabakanbaugebieten zu machen. Außerdem habe ich Kopfschmerzen,Halsweh und Ohrenjucken. Alles in allem fühle ich gar nicht auf der Höhe. Mit brechender Stimme weise ich auf meinen angeschlagenen Gesundheitszustand hin, aber meine Frau ist schon in der Raserei der Vorbereitungen. Ich weiß, wann ich verloren habe, mannhaft stelle ich mich den Herausforderungen und Widrigkeiten des Lebens.

"Was könnte man als Mitbringsel für deine Schwester nehmen?" - "Was nettes, was zu ihr passt. Wie wärs denn mit einem Kaktus oder eine kleinen Vogelspinne?" - "Hör mit dem Unsinn auf, fahr in die Stadt und besorg eine nette CD, sowas kommt immer an. Und denk bitte dran: nicht Dir muss es gefallen, ein Geschenk soll zeigen, dass man sich um den Anderen Gedanken gemacht hat..." Die CD, die ich dann erstehe, passt wirklich zu meiner Schwester: rund, preiswert. Inhalt? "Der Gesang der Wale" - Sie wird sich freuen! Aber ich habe schon ein wenig Angst vor ihrem Geschenk im nächsten Jahr.

Die Fahrt ist leider viel zu kurz. Aber ich habe als wir ankommen noch Gelegenheit zu erleben, wie mein Neffe einer Nichte demonstriert, wie gut er bereits mit seinen neuen Boxhandschuhen umgehen kann. Aus dem Jungen wird mal etwas werden...

Andererseits haben Familienfeiern auch ihr Gutes. Es gibt strenge Geschlechtertrennung. Die Männer sitzen zusammen in der von der Türe am weitesten entfernten Ecke, die Frauen an der gegenüberliegenden Seite (ich darf bei den Männern sitzen). Diese Regelung galt schon bei den Urgroßeltern und hat sich bewährt: so ist man beim Auftragen der Speisen und dem Abdecken des Tisches am wenigsten im Weg. Natürlich werden in unserer Ecke typisch männliche Gespräche geführt. "Letzte Woche habe ich ein Suuuper-Rezept für flambierten Blumenkohl gefunden: den Blumenkohl waschen, putzen und in Röschen teilen. Das Gemüse vor dem Flambieren wegwerfen und den Cognac - man kann auch Armagnac nehmen - direkt aus der Flasche trinken" - "Ich habe mir dieses Jahr von meinem Weihnachtsgeld eine komplette Fotoausrüstung gegönnt - mindestens 32 Megapixel" - "Nee, da hab ich es nicht so mit, mein Weihnachtsgeld ist für eine Wahnsinns-Stereoanlage draufgegangen. He, Schorsch, was hast du mit deinem Weihnachtsgeld gemacht?" - Ich hab mir neue Pfeifenreiniger gekauft..." - "Und der Rest?" - "Hat mir meine Frau dazugetan..."

Aus der anderen Ecke tönt die Stimme meiner Frau: "... zeig mal deiner Schwester das neue Unterhemd, das ich dir geschenkt habe!" - Zur Erklärung muss ich sagen, dass es sich um diese moderne Funktionswäsche handelt. Dieses Textil ist ungemein stark feuchtigkeitsaufsaugend, so dass man es auch zwischendurch zum Abtrocknen in der Küche nutzen kann. Nach dem Essen und dem Abwasch (hier durfte ich mich in exponierter Position einbringen), werde ich von den Kindern umringt. Sie lieben mich. "Wir wollen mit den Pfeifen spielen!" - "Nein!" - "Wir wollen aber!!" - "Nein?" - "Nndooch!!!" - "Nei..." - Von hinten trifft mich ein Schlag auf die Schultern. "Nu lass man den Kindern doch ihren Spaß", meint mein Schwager. Und so spielen die Mädchen mit der Puppenküche, brauchen die Stanwell Pfanne als Schöpfkelle, während die Jungs mit einer Dunhill als Abbruch-Birne die Ritterburg schleifen.

Nach dem Kaffee sitzen wir alle gemütlich zusammen und hecheln die Familiengeschichte der letzten Monate durch. Kann es schöneres geben? - Oh ja! Aus einer geheimen Tasche hole ich meine besondere Christmas-Mischung hervor und beginne eine Pfeife zu stopen. Die Mixture besteht zu 80% aus Latakia, 40% Unkraut-Ex, 30% Havanna, 25% Brasil, der Rest sind einige sehr geheime Zutaten. Ein Streichholz... Nachdem der Notarzt gegangen ist, beginnt der kollektive Aufbruch. Alle versichern einander, wie schön es doch wieder war und das man sich viel zu selten sieht.

Wir sind sind schon im Mantel, als mir meine Frau einen fast letalen Schlag versetzt: "Und Silvester kommt ihr dann alle zu uns, ja!" - Die alten Samurai stürzten sich bei solcher Gelegenheit in ihr Schwert. Aber ich bin völlig Herr der Lage, bleibe gelassen "Genau, und für solche besondere Gelegenheiten habe ich dann auch noch einen gaaanz besonderen Tabak!"