Die Tugenden des Pfeifenrauchers Teil II ½

von Georg Pohl

Wer mich nicht kennt, kann sich kaum vorstellen, wie schwer es ist, sich meinem Charme und Charisma zu entziehen. Ich bin nicht nur ein gnadenlos guter Liebhaber, sondern auch ein geborener Anführer. Frauen sind wie Wachs in meinen Händen. – Meine bessere Hälfte hingegen verfügt über einen nur begrenzten Wortschatz: „Nein“, „Jetzt nicht“ oder auch nur „!“. Diese Konstellation begünstigt eine weitere Primär-Tugend des Pfeifenrauchers: er ist kreativ, er ist beängstigend kreativ. Es gibt sogar Pfeifenraucher, die so kreativ sind, dass sie lieber gar nichts machen, um ihre Umwelt nicht einzuschüchtern; man findet sie dann vorwiegend in der Politik, wo sie sich perfekt tarnen können; aber das ist ein anderes Thema und gehört hier nicht hin.

Bis vor kurzem beschränkte sich meine Kreativität auf die Erfindung von Ausreden, warum ich gerade jetzt diese Pfeife brauche. Das ist auf Dauer nicht nur ermüdend, sondern auch moralisch ausgesprochen entwürdigend. Schließlich bin ich der Herr im Haus und kann mein selbstverdientes Geld ausgeben wofür ich will! – Aber jetzt besitze ich eine Corncob und bin für zwei Monatsgehälter bei meinem Nachbarn verschuldet… Ich habe meiner Frau zwar erklärt, dass man eine frisch gerauchte Pfeife 24 oder besser 48 Tage ruhen lassen soll, damit sie trocknen kann, und dass ich aus diesem Grund unbedingt noch ein paar Pfeifen brauche…

Aber der wahre Pfeifenraucher macht sich seine Pfeife sowieso lieber selbst, hat er doch hier am ehesten die volle Kontrolle über Bohrung, Shape und Grain. Aus diesem Grund möchte ich der geschätzten Leserschaft mitteilen, dass ich jetzt Pfeife mit dem Grade 54 fertig gestellt habe, bei der ich mein Können mittlerweile zur wahren Meisterschaft gesteigert habe. (Hinweis an meinen Biografen: die Nummer ergibt sich aus der Nummer der gefertigten Pfeife plus meinem Geburtsjahr, aber ich sollte dies vielleicht noch einmal überarbeiten).

Mit leichtem Befremden las ich hier vor einiger Zeit mit welchem technischen Aufwand und Equipment hier der Pfeifenbau betrieben wird. Feile, Bandschleifer, Löffelbohrer… Es geht doch so viel einfacher. Meine Pfeifen werden von Hand an der Kettensäge gefertigt. In einem Arbeitsgang wird Material abgetragen, rustiziert und blutrot gebeizt. Bei meinen ersten Versuchen hatte ich vorher die grobe Form mit einem Handbeil modelliert und die Feinarbeiten mit der Kettensäge herausgearbeitet… Mit Spots habe ich keinerlei Probleme. Anfänger sollten die Säge in Laufrichtung der Maserung arbeiten lassen. Profis schaffen sich jedoch einen völlig neuen Maserungsverlauf.

Praktisch: die Fingernägel werden gleich mit geschnitten. Ich überlege noch, ob ich für den Kantel eine Einspannvorrichtung kaufen soll oder meine Frau bitte, mal eben zu halten.

Da Pfeifenraucher im Allgemeinen eher sparsam sind, kam ich auf die geniale Idee, die Sägespäne nicht wegzuwerfen, sondern einer neuen Verwendung zuzuführen: Man nimmt 3 Gramm Tabak, feucht ihn an, so dass er eine modellierbare Konsistenz erhält und forme daraus eine Pfeifenfüllung. Diese wickelt man in etwas Zeitungspapier ein und steckt unten – wo später die Holmbohrung ansetzen soll – einen Strohhalm ein. Auf das andere Ende des Strohhalms schiebt man den Mundstückrohling.

Während der Tabak etwas anzieht, rührt man aus den Sägespänen, Kleister und einer Prise Gips eine Holz-Maché an (nicht zu flüssig). Um den Tabakpfropf und den Strohhalm herum modelliert man zügig mit der Maché den Korpus der Pfeife. Achtung: Auf den Übergang zwischen Holm und Mundstück achten! Nach dem Glattstreichen der Oberfläche ist die Pfeife eigentlich fertig. Sehr nette Effekte erziele ich, wenn ich mit der Haarbürste meiner Frau ein nachträgliches Grain einritze. Jetzt nur noch die Modellage für 3-4 Stunden bei 87° im Backofen aushärten lassen. Mit Plakafarbe und einem Edding lassen sich sehr nette und kunstvolle Maserungen erstellen (für Vogelaugen nimmt man am besten einen Kartoffelstempel). Vor dem ersten Rauchen vorsichtig das Mundstück abnehmen und den Strohhalm herausziehen. Der Tabak kann gleich für das erste Rauchopfer in der Pfeife bleiben.

Die Vorteile dieser Methode liegen klar auf der Hand. Man braucht keinerlei technisches Equipment wie Bohrer, Bandschleifer, Poliermaschine… Sägespäne bekommt man umsonst beim Schreiner, Mundstücke sind Cent-Artikel bei Ebay. Mit ein bisschen Übung und geschickten Fingern schafft man in einer Stunde ein gutes Dutzend Pfeifen.

Bei geschickter Vermarktung und Promotion lassen sich im Verkauf locker zwischen 20,00 und 30,00 € je Pfeife erzielen. Jedenfalls genug, um sich davon eine richtige neue Pfeife kaufen zu können.