Erinnerung
von Joachim Acker
Vor mir auf der Schreibtischplatte liegt meine Schneideunterlage
mit dem Plugwürfel darauf, mit meinem Messer zerteile ich
ihn, würfle den Tabak und fülle ihn in meine Pfeife,
noch Anzünden und das Rauchvergnügen kann beginnen.
Mein Blick fällt hinaus aus auf die Straße, sie
glänzt regennass, die noch kahlen Äste der Eberesche
biegen sich im scharfen Wind, gegen die Fensterscheibe werden
Regentropfen getrieben die sich in kleinen Bächen versammeln
und hinabrinnen.
Der Rauch meiner Pfeife verteilt sich in der Stube und ich
sitze da und überlege mit krampfhaft eine neue Geschichte
für meine Freunde. Doch so sehr ich mich anstrenge mir kommt
keine Idee, Wortfetzen irren in meinem Gehirn umher, aber sie
fügen sich nicht zu Sätzen, finden nicht zueinander,
bleiben losgelöst aus einem verständlichen Zusammenhang.
Sie tanzen voller Hohn und Spott einen wilden Reigen der immer
aufdringlicher und verwirrender wird.
Ein Tabakbröselchen hat sich im Rauchkanal verfangen
und behindert den Zug meiner Pfeife, ich angle nach einem Reiniger
und dabei fällt mein Blick auf ein an der Wand hängendes
Pfeifenregal und ich sehe die Pfeife vor mir. Ich nehme sie aus
ihrer Halterung und betrachte sie, sehe ihre klare, schlichte
Form, die schöne Maserung des Holzes und ich erinnere mich
daran wie damals alles war.
Einst, es ist schon lange her,
gehörte sie einem guten Freund und ich war dabei als er
sie kaufte und Abends nach dem Abendessen das erste Mal rauchte.
Glücklich war er über dieses Pfeifchen, glücklich
und stolz.
Es war aber auch ein ausgesprochen hübsches Stück
das er sich da ausgesucht hatte. Was waren wir fröhlich
an diesem Abend, ein leckeres Essen, sinnvolle Gespräche,
der Duft des Pfeifentabaks der im Gastraum der kleinen Kneipe
hing und am Tisch gute Freunde mit denen man sich verstand, schön
war der Abend an diesem fernen See.
Dann, Monate später, dass Unfassbare, Unbegreifliche.
Mein Freund, bei mir daheim zu Besuch wie schon so oft, bekommt
einen Herzanfall, die herbeigerufenen Ärzte kämpfen
um sein Leben. Und ich stehe fassungslos daneben und begreife
nicht was geschieht, stehe nur da, so hilflos wie nur ein Mensch
sein kann. Im Krankenhaus besuche ich ihn dann jeden Tag, es
geht ihm langsam wieder besser, er findet die Worte, die Sprache
zurück, wir unterhalten uns. Hoffnung keimt in mir. Ich
sehe mich schon wieder mit meinem Freund im Garten sitzen und
gemeinsam unsere Pfeifen rauchen, miteinander reden, miteinander
lachen.
Meine Pfeife war ausgegangen, ich zünde sie wieder an
und sehe durch das regennasse Fenster nach draußen, es
ist still und ruhig auf der Straße. Eine Amsel setzt sich
für eine kurze Rast auf einen Zweig des Baumes, dann fliegt
sie weiter. Meine Gedanken kehren zurück.
Aber über uns Menschen steht wohl Einer der uns unser
Geschick und unsere Zeit zuteilt, zumisst. Und dieser Eine rief
meinen Freund hinüber zu sich in dies andere Land das weit
Jenseits unserer Vorstellungskraft liegt.
Die Hoffnung die in mir keimte war verfrüht, niemals
werden wir wieder im Garten sitzen und rauchen, niemals mehr
zusammen irgendwohin fahren. Es war vorbei.
Diese Woche nun kam die Kunde, dass ein anderer Pfeifenkamerad
ebenfalls von dem Einen abgerufen wurde in dies ferne Land für
das die Menschen so viele Namen haben. Ich kannte ihn nicht,
nur seine Briefe las ich, wir waren uns fremd und werden uns
nun immer fremd bleiben. Aber dennoch waren wir durch ein geheimnisvolles
Band miteinander verbunden. Fassungslosigkeit und eine große
Hilflosigkeit erfüllten mich auch hier.
Ich lege die Pfeife meines von uns gegangenen Freundes zurück
an ihren Platz. Und nun sitze ich da an meinem Schreibtisch und
denke an das was war und nie mehr wiederkommen wird, Trauer ist
in mir und ich finde keine Worte dafür.
Zum Gedenken an zwei Pfeifenkameraden. Den Einen durfte ich
Freund nennen, der Andere blieb mir leider ein Fremder.
Der geneigte Leser möge mir vergeben dass ich keine Geschichte
schrieb sondern nur in meinen Erinnerungen kramte.
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