Die Geisterfarm

von Joachim Acker

Die Luft im "Schwarzen Drachen" war wie immer dick und nahezu undurchsichtig vom Pfeifenrauch der vom Tisch der Stammtischler aufstieg. Ich setzte mich, kramte in der Tasche nach meiner Pfeife, absolvierte unter den immer wieder staunenden Augen meiner Freunde das geliebte Ritual des Plugschneidens, füllte mir die Würfelchen in die Pfeife. Genussvoll rauchend, vor mir einen Becher mit Most und auf mein bestellte Essen wartend, fragte ich die Freunde nach den Begebenheiten und Neuigkeiten des Tages. Aber es hat sich nichts ereignet in der kleinen Stadt, wenigstens nichts was erwähnenswert wäre.

Allerdings gäbe es das Gerücht, dass die Damen des Kegelvereins des Nachts im Marktbrunnen gebadet hätten, der Büttel hätte sie wohl erwischt. Wir schwiegen einen Moment, beschäftigten uns mit den Pfeifen und den vor uns stehenden Gläsern und hingen unseren Gedanken nach, die vermutlich alle um das nächtliche Bad kreisten.

Dann, mit einem Schlag begannen alle durcheinander zu reden, wir malten uns in blühenden Farben den Anblick der Badenden aus. Lachen und Gekicher erfüllte die Gaststube.

Bevor nun eine noch größere und womöglich noch ausartende Ausgelassenheit in unser Gespräch kam ergriff der Schaufler das Wort und sagte, er hätte neulich von mir eine Geschichte gelesen in der ich eine Geisterfarm erwähnte. Ich solle ihnen doch die dazugehörende Geschichte erzählen, das wäre doch sicherlich spannend und aufregend. Dieser Vorschlag wurde dann gerne angenommen. Eine frische Pfeife wurde gefüllt, angezündet und dann begann ich zu erzählen:

Es ist schon sehr viele Jahre her, dass ich das erste Mal dort vorbeikam. Schon von weitem sah man sie auf einem Hügel liegen, sich wie ein Scherenschnitt gegen den grauen walisischen Himmel abhebend. Beim Näherkommen sah ich dann die geborstenen Mauern aus denen Holunder und Schlehenbüsche wuchsen. Das Dach sattelartig eingebogen so als ob ein Riese oder Unhold auf ihm geritten wäre, dazu noch teilweise eingestürzt. Die Fenster nur noch Löcher in der Mauer, ohne Glas in den verwitterten Rahmen. Leer und verwüstet auch die kleinen Zimmer, die Balken der Decke teilweise eingestürzt, Schutt und Unrat wohin man tritt.

Hinter dem Haus war ein schroffer Abhang und an dessen Fuß ein zugewachsener Tümpel, Baumstämme und abgebrochene Äste lagen in dem trüben, dunkelglänzenden Wasser. Etwas abseits stand eine kleine Bank, altersschwach und wackelig. Ich setzte mich drauf, vorsichtig damit sie nicht vollends zusammenbricht, und bereitete mir eine neue Pfeife zu.

Es raschelte neben mir und staunend sah ich einen Mann vom Kleinen Volk neben mir stehen. Er setzte sich neben mich, fragte mich nach meinem Woher und Wohin und was ich denn für ein übelriechendes Kraut in meiner Pfeife verbrennen würde. Nun, es war mein Lieblingstabak, daher entsetzte mich seine Frage doch ein bisschen. Aber dann sah ich sein Lächeln und merkte das er mich ein bisschen aufziehen wollte wie es so die Art der Kleinen Leute ist.

Er nahm seine Pfeife aus der Tasche und dann saßen wir beide auf der Bank und rauchten.

Es war mal eine schöne Farm, sagte er und machte mit der Hand eine kreisende Handbewegung, der Farmer war sogar sehr wohlhabend, eine Seltenheit hier auf dieser Insel.

Und dann erzählte mir der Alte vom Kleinen Volk, dass in diesem Tümpel einst ein Unhold hauste, gräßlich anzusehen aber nicht direkt gefährlich, man musste ihn nur in Ruhe lassen und ihm jedes Jahr um die Osterzeit zwei Lämmer als Geschenk bringen. Der alte Farmer der hier wohnte hielt sich immer daran, so wie es schon seine Vorfahren taten, aber als er starb und sein Sohn die Farm übernahm da kümmerte der sich nicht mehr um die alten Gebräuche und Regeln.

Als der Unhold bemerkte, dass er seine jährliche Zuwendung nicht bekam, stieg er aus dem Pfuhl heraus und begann des Nachts auf dem Dach zu reiten, so kräftig und wild das es eingebogen wurde und an manchen Stellen einbrach. Ja, der Ritt war so wild, dass sogar die Mauern des Hauses Risse bekamen. Der Farmer war kein Feigling, nein, ganz gewiss nicht. Er ging hinaus und stellte sich dem Unhold zum Kampf. Wie er ausging fragst du? Nun, der Farmer ward nach jener Nacht nie mehr gesehen. Die Farm wurde fortan von allen hier in der Gegend gemieden, sie zerfiel im Laufe der Jahre.

Nur ich komme gelegendlich hier vorbei um mir von den köstlichen Brombeeren hier im Garten zu holen. Und, fügte er noch hinzu, um fremden Wanderern erfundene Geistergeschichten zu erzählen. Er lachte laut auf und verschwand. Ich stand nun einen Moment etwas verduzt da, dann mußte ich auch schmunzeln. Auf alle Fälle war es eine gute Geschichte die mir der Alte vom Kleinen Volk erzählte. Und wer weiss, vielleicht steckte auch ein Körnchen Wahrheit in ihr.

Ich rief ihm laut ein "Danke dir" nach. Und in der Ferne hörte ich noch einmal ein verklingendes Lachen.