Neues aus dem "Schwarzen
Drachen"
von Joachim Acker
Heute war die Stimmung in unserem heißgeliebten Stammlokal
sehr getrübt und niedergeschlagen. Die neuerliche Strafmassnahme,
die wir natürlich als vollkommen ungerecht und überzogen
ansahen, lag uns schwer auf der Seele. Dazu kam noch der Hohn
und der Spott der anderen städtischen Vereine die sich über
die Pfeifenraucher, denen man doch Ruhe und Gelassenheit nachsagte,
köstlich und sehr hämisch amüsierten. Besonders
die Mannen der Kleintierzüchter und Kleingärtner überboten
sich in spitzen Bemerkungen und Anspielungen. Von den Suffnasen
der Freiwilligen Feuerwehr will ich gar nicht erst reden. Und
was die angestaubten Damen des Jungfrauengesangvereins alles
zu sticheln hatten und an Boshaftigkeiten von sich gaben, darüber
schweige ich lieber. Kurz und auf einen Nenner gebracht: Der
Pfeifenraucherstammtisch war wieder einmal das Gesprächsthema
in der kleinen Stadt.
Also saßen wir da an unserem runden Tisch, tranken Tee
und Kaffee, einige auch Limonade oder was anderes grässliches.
Nun, die Pfeifen rauchten, die Luft war erfüllt vom Wohlgeruch
des Tabaks, die betrübte Laune verflog mit der Zeit, unsere
Lebensgeister erwachten. Schade nur dass Fred nicht hier sein
konnte, aber seine Allerbeste aller Ehefrauen hat dem Armen mit
den allerschlimmsten nur denkbaren Strafen gedroht falls er in
den nächsten Tagen nur in die Nähe des "Schwarzen
Drachens" zu sehen war, der Zorn würde ihn treffen
wenn er nur daran denken würde.
Mein Freund, der Schaufler, versuchte den Bann der über
dem Rauchschwaden umwobenen Tisch lag zu brechen indem er den
Vorschlag machte, ich sollte doch eine Geschichte erzählen.
"Gute Idee. Erzähl uns eine Geschichte", baten
mich meine Freunde. "Eine Geschichte von einem Armen Mann
der plötzlich zu Reichtum kommt und nie mehr Not leiden
muss". "Und der dann wieder Alles verliert und wieder
zurück muss ins Elend und in die Not" wünschte
sich der Apotheker, aber der war schon immer ein bisschen gehässig.
Ich trank einen Schluck von meinem Tee, zündete meine
ausgegangene Pfeife wieder an, lehnte mich bequem zurück
und begann zu erzählen:
Es war einmal, so begann ich, denn alle Märchen und Geschichten
haben mit diesen Worten anzufangen, ein sehr armer Bergmann.
Er hatte eine Frau die sehr neidisch und dazu noch verschwenderisch
veranlagt war, aber weil er sie liebte schaute er über diese
Schwäche hinweg. Sie bewohnten eine einfache Hütte
am Rande des Dorfes, unweit des Bergwerkes in dem der Mann seine
Arbeit hatte. Ein kleiner Junge und ein noch kleineres Mädchen
waren alle ihre Freude und Glück.
Sie waren arm, sehr arm sogar und seine Pfeife mit wirklich guten
Tabak füllen konnte der Bergmann nur am Sonntag, die Woche
über rauchte er nach Feierabend selbergesammelte Kräuter
die er nach einem geheimen Rezept veredelte. Sie schmeckten dadurch
aber genauso abscheulich und rochen ziemlich widerlich. Unter
Tage, da war das Rauchen ja bekanntlicherweise verboten, nahm
er Kautabak zu sich, der war sehr billig und er konnte ihn auch
immer wieder gegen Gemüse aus dem Garten eintauschen.
Einmal, er hatte sich gerade ein frisches Stück Kautabak
in den Mund gesteckt, arbeitete er auf dem Bauche liegend an
einer sehr engen und unbequemen Stelle am Ende des langen Ganges,
hunderte Meter tief unter der Erde. Das Flöz verschwand
dort in einem steilen Bogen in der Tiefe und der Abbau war sehr
anstrengend und auch nicht ungefährlich. Seine Lampe spendete
nur kümmerliches funzeliges Licht, die Luft war verpestet
vom Kohlenstaub der sich schwer auf die Lunge legte. Immer wieder
musste der Arme husten, bekam keine Luft zum Atmen. So zu arbeiten
war eine Qual und der Hammer in seiner Hand wurde immer schwerer
und schwerer.
"Was würdest du geben wenn du hier nicht mehr arbeiten
müsstest, wenn alle deine Plage ein Ende hätte und
du leben könntest wie derjenige dem dieses Bergwerk gehört,
in Saus und Braus, in Hülle und Fülle" hörte
er eine Stimme neben sich. Verdutzt und zutiefst erschrocken
schaute er sich um und sah ein winzigkleines Bergmännchen,
einen Bergtroll neben sich kauern. Bärtig, in einem abgeschabten
Gewand, und sehr alt, so sah er wenigstens aus, aber bei Bergtrollen
konnte man sich auch täuschen.
"Was soll ich schon geben? Ich habe doch nichts was sich
zum geben lohnen würde, schon garnicht für so einen
Tausch" sagte der Bergmann.
"Doch" kam die Antwort: "Du hast etwas was mir
teuer genug wäre um diesen Handel abzuschließen: Deine
Seele. Gib sie mir und du bist alle Sorgen, alle Mühen,
alle Plagen und alles Leid los".
Der Bergmann dachte nach und überlegte sich was er wohl
ohne Seele aber mit großem Reichtum für ein Mensch
sei.
Ob ihn dann seine Kinder immer noch liebten, seine Pfeife ihm
noch schmecken würde, seine Freunde noch mit ihm reden würden.
Wäre es immer noch so ein schönes Gefühl am Sonntagmorgen
aufzuwachen und zu wissen: heute ist der Tag des Herrn, Heute
brauche ich nicht in den Berg. Nein, dachte er dann. Meine Seele
gehört zu mir, wir sind Eines, Unteilbar und Untrennbar.
Ohne meine Seele bin ich ein Nichts, noch nichtiger wie ich es
jetzt schon bin, noch elender. Wäre nur noch ein Wurm.
Und er lehnte das Angebot des Bergmännchens ab. Der überhäufte
ihn mit bösen Beschimpfungen und wilden Flüchen, nannte
ihn einen Narr und Dummkopf. Aber unser Bergmann blieb standhaft.
Abends als er Zuhause war erzählte er die Begebenheit seiner
Frau. Und nun kam der Arme vom Regen in die Traufe, soviele Beschimpfungen
und schlimme Ausdrücke hatte er von seiner Frau noch niemals
zu hören bekommen wie an diesem Abend. Offenbar war ihr
ein seelenloser aber dafür reicher Mann lieber. Ihre Wut
und Enttäuschung über den entgangenen Reichtum war
so groß dass sie ihn noch in der gleichen Nacht verließ.
Herzlos wie sie war ließ sie die Kinder zurück, aber
sie hatten es beim Vater vermutlich um einiges besser.
Der Bergmann aber fuhr weiterhin in den Berg ein und Abends sah
man ihn auf der Bank vor seiner Hütte sitzen und zufrieden
und glücklich seine Pfeife rauchen. Später dann fand
er noch eine gute Frau und bald sah man eine ganze Schar Kinder
im Garten rumtoben und fröhliches Lachen war zu hören.
Es war nun sehr spät geworden und wir tapferen Mannen
des Pfeifenraucherstammtisches begaben uns auf den Heimweg. Ruhig
und diszipliniert wie es sich für gestandene Männer
und Pfeifenraucher gehört.
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