Das Sommerfest des Pfeifenraucherstammtischs
von Joachim Acker
Mein Besen wischte halbkreisförmig, erst nach rechts
dann nach links, über die holprige Pflastergasse der kleinen
Stadt, dichte Staubwolken wirbelten dabei auf, einige Papierfetzchen
und verdorrte Blätter verteilten sich gleichmäßig
und ich fing sie mit dem Besen lustlos wieder ein. Der treue
Leser dieser Geschichten wird es sofort erraten haben: ich und
mit mir der ganze Pfeifenraucherstammtisch vom >Schwarzen
Drachen< war wieder einmal zur Strafarbeit verurteilt worden.
Auf einer Gartenmauer nahm ich Platz stellte den Besen griffbereit
neben mich stopfte mir eine neue Pfeife zündete sie an und
während ich rauchte ging mir das ganze Geschehen, das wie
immer sehr harmlos begann, nochmals durch den Kopf.
Beim letzten Stammtischtreffen hatte Otto die überaus
reizvolle Idee, auf seinem Obstbaumgrundstück weit draußen
vor der Stadt ein Gartenfest zu veranstalten, die Ehegattinnen
könnten dazu Salate und allerhand Grünzeug zusammenbasteln
und wir Männer würden für das Feuer und das darauf
zu brutzelnde Grillgut und die Getränke sorgen. Diese Idee
fand natürlich bei uns allergrößten, nahezu enthusiastischen,
Anklang und mit Eifer und Elan gingen wir die nächsten Tage
daran, unser Vorhaben wohldurchdacht auf das trefflichste zu
organisieren.
Als dann Tag und Stunde gekommen waren, trafen wir uns alle
vor dem Haus von Otto, verluden Tische und Bänke nebst all
den leckeren Speisen und diversen Fässern mit Birnenmost
auf einen großen Handkarren. Als wir zur Abfahrt bereit
waren, begann Karl über seine Füße zu jammern,
sie täten ganz schrecklich weh und er könnte nicht
laufen, es wäre besser, er würde auf dem Wagen mitfahren.
Dort könnte er auch aufpassen, dass die Schüsseln nicht
umfielen. Nun, Karl war für seine nahezu unersättliche
Fresslust weithin bekannt und gefürchtet, sein begehrlicher
Hintergedanke sofort ersichtlich, daher wurde seine Bitte von
uns Allen entrüstet abgelehnt. Beleidigt vor sich hinmurmelnd
musste sich der Gute in sein Schicksal fügen und trottete
mit hungrigen Augen neben dem Wagen her.
Nach knappen 500 Metern machten wir eine kurze Rast, labten
uns aus einem der Fässer und nahmen dann die nächste
Wegstrecke in Angriff. Bei jeder kleinen Rast die nun folgte,
wurde die Laune der Mannen aufgeweckter und lustiger und als
wir endlich am Grundstück ankamen, waren wir eine ziemlich
fröhliche Bande. Neben einer alten, in Stein gefassten Feuerstelle,
stellten wir die Tische und Bänke auf, die Frauen ordneten
die verschiedenen Schüsseln und Behälter, wir Mannsbilder
zündeten unsere Pfeifen an und stärkten uns nochmals
mit einem Schluck, um den kommenden Anforderungen und der Verantwortung,
die auf uns ruhte, besser gerecht zu werden.
Karl stand bereits erwartungsvoll rumzappelnd mit einer aufgespießten
Wurst an der Feuerstelle, der Schaufler sagte, um ihn nicht zu
erschrecken besonders ruhig behutsam und mit größtem
Einfühlungsvermögen, dass er etwas zu früh hier
anstünde, es wäre noch nicht einmal das Holz für
das Feuer gesammelt und er würde garantiert noch seine Würste
braten können. Aber Karl wich keinen Millimeter: "Besser
zu früh als zu spät, hier stehe ich und hier bleibe
ich!" war seine lakonische Antwort.
So weit so gut, wir Mannen (ausgenommen Karl, der seinen Platz
an der Feuerstelle ums Leben nicht aufgeben würde) begannen
auszuschwärmen um Feuerholz zu sammeln. Nun ist es aber
recht schwierig inmitten alter Obstbäume Holz zu finden
und aufzulesen, wir irrten mit zunehmender Nervosität im
Gelände herum, fanden aber kein noch so armseliges Stückchen
Holz. Wir hatten ein Problem dass einer Lösung bedurfte
und so richteten wir zunehmend begehrliche Blicke auf eine alte
windschiefe Hütte, die ein paar Grundstücke weiter
zwischen den Bäumen sichtbar war. "Vielleicht liegt
dort etwas Brennbares. Kommt und lasst uns mal nachschauen."
sagte der Schaufler und wir gingen zusammen hinüber, aber
auch dort war eine Suche ohne Erfolg gekrönt. Der Schaufler
zündete sich seine Pfeife neu an, rüttelte kräftiger
als nötig an einem Pfosten und die Hütte brach mit
einem knackenden Geräusch zusammen. Wir schauten uns an,
zuckten bedauernd mit den Schultern und ohne weiter viele Worte
zu vergeuden, schleppten wir die Bretter und Balken zur Feuerstelle.
Als dann das Feuer loderte, die Funken sprühten und das
Fett der Würste und Fleischstücke im Feuer zischte,
war unsere Stimmung auf dem Höhepunkt und unser Karl der
glücklichste Mensch auf der Welt. Mit der rechten Hand hielt
er eine Wurst in das Feuer, mit der anderen verspeiste er die
soeben fertig gewordene, neben sich in einer Reihe liegend die
Würste die er noch zu braten gedachte. Kurzum: ein Anblick,
der größter Zufriedenheit und Wonne ausstrahlte.
Emma, die werte Gattin vom Eugen, fragte mich wie denn ihr
Kartoffelsalat schmecken würde. Und ich, dumm und einfältig
wie ich war, antwortete ihr, dass er mir ein wenig fad vorkommen
würde. Mit einer Stimme, die sich anhörte als ob ein
Schmied Eisen auf dem Amboss bearbeitet, sagte Emma: "Fad,
sagst du? Mein Kartoffelsalat sei fad?". Da erkannte ich
dass ich einen unverzeihlichen Fehler begangen hatte. Ehe ich
aber irgendetwas zu meiner Verteidigung stammeln konnte, ließ
Greta (die Herzallerliebste vom Peter) wie beiläufig die
Bemerkung fallen: "Es könnte noch ein bisschen mehr
Majoran und Muskat drinn sein, ein wenig Essig hätte auch
nicht geschadet".
Emma lief dunkelrot an und konterte damit, dass der Nudelsalat
von ihr aussehe wie ein Berg zu Tode gekochter Würmer und
vermutlich auch so schmecken würde, um nichts in der Welt
würde sie davon auch nur einen Bissen zu sich nehmen.
Was dann folgte, kann und will ich hier nicht mehr weiters aufführen,
ihr werdet es sicherlich verstehen, es sei nur noch anzumerken,
dass einige Schüsseln zu Bruch gingen, Fred aus der Nase
blutete, Schnuffi mit seiner Gattin entsetzt und verschreckt
unter dem Wagen Schutz suchte und ich mir die Seite hielt, weil
mich dort irgendetwas ziemlich hart getroffen hatte. Eugen hielt
sich die Hand auf eine Beule an der Stirn und mein Freund Schaufler
saß im Gras, garniert mit Salatblättern und rief immer
wieder: "Hört doch endlich auf". Nur an Karl ging
der Tumult vorüber, mit stoischer Ruhe und Gelassenheit
saß er am Feuer, hielt seine Würste in die Flammen
und kaute auf beiden Backen.
Merkt es euch liebe Leser: wenn ihr auf einem Gartenfest von
den Damen gefragt werdet, wie denn dies oder jenes schmecken
würde, überlegt euch sehr sorgfältig die Antwort,
es könnte möglicherweise die Falsche sein.
Aber wir sind Pfeifenraucher und damit sehr friedliebende
Menschen stets auf Harmonie und Ausgleich bedacht, die Ehegattinnen
standen in nichts nach und so beruhigte sich die Lage sehr bald
wieder und das Fest ging nach einigen zerknirschten Entschuldigungen
hin und her mit zunehmender Ausgelassenheit weiter. Wir saßen
ums Feuer rauchten unsere Pfeifen, erzählten von alten Zeiten
und waren glücklich.
Irgendwann geht dann das schönste Fest zu Ende und sehr
spät in der Nacht rüsteten wir uns zum Aufbruch. Die
Frauen wurden zur Seite gebeten, wir Mannsleut stellten uns im
Kreis um die Feuerstelle und löschten nach altem Brauch
und überlieferter Sitte das Feuer. In durchaus gehobener
Stimmung und nicht gerade leise, kehrten wir in die Stadt zurück.
Zwei Tage später klopfte es an meine Haustür und der
Ortspolizist brachte die richterliche Vorladung ins Rathaus unserer
kleinen Gemeinde.
Mir, und allen Freunden vom Stammtisch, wie der uniformierte
Obrichkeitsdiener mit schadenfrohen Grinsen betonte, wurde die
Zerstörung fremden Eigentums, widerrechtliches Feuer anzünden
auf offener Flur, sowie nächtliche Ruhestörung und
verbotenes Baden im Marktbrunnen vorgeworfen.
Die Verhandlung im überfüllten Sitzungssaal war
wie immer sehr kurz, mitunter auch ziemlich laut und heftig,
und endete mit dem Urteilsspruch, dass wir wieder einmal zur
gemeinnützigen Arbeit eingeteilt würden. Der längere
Aufenthalt im Turm bliebe uns nur durch die Tatsache erspart,
dass die Hütte ohne Genehmigung errichtet wurde und schon
sehr baufällig war.
Meine Pfeife war nun leergeraucht, ich schüttelte sie
aus und erhob mich, griff den Besen und machte mich wieder ans
Werk, Halbkreis nach rechts, Halbkreis nach links und so weiter
und so fort, in steter Monotonie schwang ich den Besen.
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