Das Ende vom Schwarzen Drachen

von Joachim Acker

 

Einen großen Nachteil hatte unser Raum im Obergeschoß des Schwarzen Drachens: Im Winter war es kalt darinnen, bitterkalt sogar. Nun (Ihr werdet es sicherlich zugeben, verehrte Leser) es macht keinen großen Spaß aus einem halbgefrorenen Mostbecher zu trinken oder vor Kälte schnatternd und bibbernd an der geliebten Pfeife zu saugen.

Also sannen wir wackeren Mannen des Pfeifenraucherstammtisches um Abhilfe und kamen auf die überzeugende und wunderbare Idee einen schönen großen Kamin einzubauen. Am flackernden Feuer zu sitzen, Pfeife rauchend uns Geschichten aus längst vergangenen Zeiten zu erzählen, den einen oder anderen Becher zu leeren, dies alles erschien uns wie der Vorgeschmack des Elysiums auf Erden, oder (weniger vornehm formuliert) wie ein Stückchen vom Paradies.

Es war ein kühner Plan, gewiß, aber durchaus machbar und mit einfachen Mitteln auch zu bewerkstelligen, so wenigstens unsere euphorische Meinung. Im Laufe des Abends wurden dann noch zahlose Pläne entworfen und wieder verworfen bis wir uns schließlich über Art und Aussehen des Kamins einig waren. Er sollte groß genug sein um an besonderen Tagen ein Spanferkelchen rösten zu können, das war der gemeinsame Nenner auf den wir uns, schon jetzt voller Vorfreude auf einen leckeren Braten, einigten.

Es war dann etwas schwierig den Wirt des Drachens von unserer Idee zu überzeugen, wir mußten ihm hoch und heilig versprechen dass nichts, aber auch rein garnichts bei der Ausführung schief gehen könnte. Schließlich hatten wir ihn soweit dass er seine Bedenken in den Hintergrund stellte und uns zögernd die Erlaubnis für unser Vorhaben gab.

Als Bauleiter erkoren wir Franz, er hatte zwar als Apotheker überhaupt keine Ahnung von dieser schwierigen Materie war aber von uns allen der beste Rechner, dies war bei so einem Plan ein sehr wichtiges Argument. Denn es galt die benötigte Menge an Mörtel, Steinen usw. exakt zu berechnen, Winkel zu bestimmen und was weiß ich noch alles.

An einem sonnigen aber sehr kalten Spätherbstmorgen (Wie das Sprichwort sagt: Ein Wetter für meinen Knecht, schafft er nichts dann friert er recht.) begannen wir in aller Frühe mit unserem Werk. Franz teilte die verschiedenen Arbeitsgruppen ein und dann begann der gesamte Pfeifenraucherstammtisch aufs eifrigste zu werkeln. Steine wurden die Treppe hochgeschleppt, die Decke nach dem Dachstock durchbrochen, diesmal ohne Zwischenfälle denn wir waren sehr lernfähig und versuchten die Fehler einer längst vergangener Renovierung zu vermeiden. Ruhig und höchst diszipliniert gingen wir zu werke, es war eine Freude uns zuzusehen.

Allerdings gab es dann noch einen kleinen Zwischenfall als wir den Badezuber von Franziska zum Mörtel anrühren zweckentfremdeten, keine Bange lieber Leser, die holde Maid saß nicht drinn.

Franziska kreischte zwar eine Weile herum, beruhigte sich dann aber ziemlich schnell wieder als wir ihr als Leihgebühr einen großen Teller Sauerkraut mit Knödeln und Eisbein in Aussicht stellten. Das war ihr Lieblingsgericht, davon konnte sie riesige Mengen zu sich nehmen was ihr allerdings auch sehr deutlich anzusehen war.

Wo viele Hände fleißig und zielstrebig arbeiten ist auch bald Erfolg zu sehen und so konnten wir bereits am Abend stolz und überaus zufrieden unser Werk betrachten: Ein wunderschöner Kamin aus hellen grobbehauenen Natursteinen, die wir vom Bauhof sehr kostengünstig erhalten hatten, zierte nun die Schmalseite unseres Raumes. Fürwahr, dieser Kamin stellte eine Augenweide dar, ein Prachtstück das seinesgleichen sucht. Ach, was waren wir stolz auf unser geleistetes Werk.

Dann kam, nach eine Pause in der wir uns am Most erfrischten und unsere Pfeifen ansteckten, der feierliche Moment des anzündens der inzwischen von den Ehegattinnen sorgfältig aufgeschichteten Holzscheite. Im Halbkreis standen wir um den Kamin, sangen zuerst alle 32 Strophen unseres Pfeifenraucherstammtischliedes: „Füllt die Pfeife mit edlen Kräutern“ . Franz hatte dann die Ehre den Holzstoß im Kamin zu entzünden, er gab sich zwar alle nur erdenkliche Mühe aber der Stapel wollte nicht brennen. Das Holz war zu naß stellten wir fest und beschlossen mit etwas Spiritus nachzuhelfen. Gesagt, getan: Aus der Apotheke wurde ein Kanister dieser Flüssigkeit herbeigeschleppt, das Holz damit beträufelt und in einer gewaltigen Stichflamme loderten die Scheite auf. Beissender Rauch erfüllte das Obergeschoß des Drachens, hustend und nach Luft schnappend rissen wir die Fenster auf. Als die Sicht wieder etwas klarer wurde sahen wir voller Zufriedenheit und unbändigem Stolz in die Rot-Orange züngelnden Flammen, wohlige Wärme machte sich bereits im Raum breit. Kurzum: Es war ein prächtiger, herzerfrischender Anblick.

Ein wohlgeratenes Werk und dazu noch ohne jeglichen Schaden, das erfüllte uns noch mehr mit Freude und jeder Menge Selbstlob. Fröhlich und gutgelaunt füllten wir erneut die Becher, zündeten unsere Pfeifen an und setzten uns gemütlich vors Feuer.

Zuerst war nur ein leises knirschen und knistern hörbar, es verstärkte sich zu einem prasselnden rumpelnden Geräusch und dann stürzte jäh und unverhofft der Kamin in sich zusammen. Eine dichte Staubwolke hüllte uns ein, schreckensbleich schauten wir uns an. Alle Mühe haben wir uns gegeben, so sorgfältig und gewissenhaft wie möglich gearbeitet und nun diese bittere Pille. Erst viel später wurde uns von einem Fachmann gesagt dass wir den Mörtel absolut total falsch angerührt hätten, aber diese Erkenntnis kam zu spät, der Kamin war hinüber.

Anstelle der Freude machte sich nun lähmendes Entsetzen breit, ungläubig und fassungslos schauten wir uns an: Getroffene in Mark und Bein.

Das Verhängnis begann seinen Lauf zu nehmen als einer der herunterfallenden Steine den leider unverschlossenen Spirituskanister umwarf, sein Inhalt ergoß sich geradewegs in den zertrümmerten Kamin.

Die durch den Staub und die Steine schon beinahe erstickten Flammen erhielten neue Nahrung und innerhalb weniger Augenblicke stand das Obergeschoß des Drachens in hellen Flammen die zu allem Übel durch den Luftzug der geöffneten Fenster zusätzlich angefacht wurden.

Das nun folgende Durcheinander könnt ihr euch sicherlich vorstellen, alle Gäste wuselten voller Angst und Panik ins Freie, wir versuchten noch der Flammen Herr zu werden jedoch vergebens, wir mußten uns ebenfalls in Sicherheit bringen.

Fassungslos standen wir vor dem Drachen, sahen zu wie die Feuerwehr zu löschen versuchte. Vergebens, der >Schwarze Drachen< unser geliebtes Vereinslokal brannte bis auf die Grundmauern nieder. Zum Glück kam niemand körperlich zu Schaden, die seelischen Verletzungen waren allerdings enorm: Franziska rettete sich in eine Ohnmacht, Paulchen der Wirt mußte wegen seines Schreikrampfes vom Notarzt behandelt werden, über unseren Zustand will ich garnicht erst reden: Er war fürchterlich.

„Da kommt gewaltiger Ärger auf uns zu“ verkündete der Schaufler mit leiser und brüchiger Stimme.

Wie Recht er hatte zeigte sich als wir nach drei Wochen strenger Haft aus dem Turm zur Gerichtsverhandlung ins Rathaus geführt wurden. Mit Fußfesseln immer zu Zweit aneinander gekettet wie Galeerensträflinge wurden wir in den überfüllten Gerichtssaal geführt.

Es war eine kurze Verhandlung an deren Ende wir aufstanden und mit hängenden Köpfen unseren Urteilsspruch empfingen. Der Richter schaute uns zuerst lange an und verkündete dann, bei jedem Wort mit dem Hammer immer kräftiger auf den Tisch schlagend, dass er nun von uns und unseren Eskapaden entgültig die Nase gestrichen voll hätte, sowas von voll dass es ihm dafür an den richtigen Worten mangelt, und er uns daher für die nächsten 7 Jahre nach einer Sträflingskolonie in Übersee verbannt. Wir würden unter allerstrengster Bewachung in den nächsten Hafen gebracht und schnellstmöglich mit einem Schiff dorthin transportiert wo der Pfeffer wächst, damit ihr an diesem Ort an Leib und Seele geläutert werdet.

An dieser Stelle wachte ich mit einem schrillen Schrei, schweißgebadet und voller Schrecken auf, schaltete das Licht an und versuchte mich mühevoll und total benommen zu orientieren. Himmel hilf, dieser Stoßseufzer kam mir immer wieder von den Lippen, welch ein entsetzlicher fürchterlicher Traum hat mich da in seinen Bann gezogen.

Abends erzählte ich meinen Freunden im Drachen von meinem Traum. Fred schaute mich ungläubig an und sagte dann: „Ist ja eigenartig dass du sowas grauenvolles geträumt hast. Diese Idee mit einem Kamin kam mir Heute im Büro in den Sinn und ich wollte sie euch gerade eben vorstellen“.

Entsetzt winkten wir ab und schworen uns heilige Eide bis in alle Zukunft hinein niemals in unseren Raum im >Schwarzen Drachen< einen Kamin einzubauen.