Der Gartenteich

von Joachim Acker

Es ist schon eine ganze Weile her dass es etwas neues vom Pfeifenraucherstammtisch des "Schwarzen Drachens" zu berichten gab. Das lag nicht allein an der Faulheit des Chronisten sondern auch an der Ereignislosigkeit in besagter Runde, kurz gesagt: Es gab nichts herausragendes oder gar aufregendes zu berichten.

Dies hat sich aber in den letzten beiden Wochen dramatisch geändert, denn unser lieber Paulchen, seines Zeichens Wirt vom "Schwarzen Drachen" eröffnete uns eines Abends in fröhlicher und höchst geselliger Stammtischrunde seinen Plan: Er wolle mit schierer Muskelkraft und großem Fleiß in seinem Garten einen Teich anlegen, ein kleines Biotop: Sich zur Freude und der Natur von nutzen.

Ob wir nicht so hilfsbereit wären und ihm bei dieser schweren Arbeit etwas Hilfestellung geben würden. Es wäre zwar etwas anstrengend aber ungefährlich und die Gefahr dass etwas kaputt gehen könnte sehr gering, fügte Paulchen seiner Bitte noch hinzu. Natürlich ließen wir uns da nicht zweimal bitten und sagten dem Guten unsere tatkräftige und überaus kenntnisreiche Hilfe zu.

So kam es dass wir uns an einem strahlend schönen Frühsommertag in aller Frühe putzmunter und gut gelaunt in Paulchens Garten einfanden. Zuerst wurde ausgiebig gefrühstückt, dann die Pfeifen in Betrieb genommen und der Bauplan des Teiches erörtert und diskutiert und die genaue Lage desselben festgelegt. Es gab noch einige Verbesserungsvorschläge zwecks Länge, Breite und Tiefe des geplanten Vorhabens, dies alles konnte aber zur Zufriedenheit Paulchens geklärt werden. Anschließend wurde das Werkzeug verteilt, jeder bekam seine Aufgabe zugewiesen und wir gingen ans Werk.

Fred der Dicke stellte sich im Umgang mit Schaufel und Spaten etwas ungeschickt an, um dies sehr vorsichtig zu formulieren. Die Folgen bekam Eugen zu spüren, der Schwung von Freds Schaufel traf ihn an einer Stelle an der es einem Mann besonders weh tat. Japsend und ganz erbärmlich stöhnend ging Eugen zu Boden, strampelte mit den Beinen und gab mit dunkelrot angelaufenem Gesicht unverständliche Töne von sich. Das tut weh, sagte der Schaufler voller Mitgefühl und zündete sich seine Pfeife aufs neue an.

Wir legten den Armen vorsichtig in eine Schubkarre und karrten ihn ins Haus wo ihm seine Frau mit Eiswürfeln Erste Hilfe angedeihen ließ. Ich kann euch sagen liebe Leser dieses Berichtes: Emma die bessere Hälfte unsres erbarmungswürdigen Freundes hatte für den Rest des Tages eine Laune zum fürchten.

Aber es war zum Glück nicht so schlimm wie es zuerst den Anschein hatte. Nach einiger Zeit, mehreren Gläsern Most und gutem zureden hatte sich Eugen soweit erholt dass er wieder tatkräftig ins Geschehen eingreifen konnte. Ächzend, stöhnend und schwitzend buddelten wir eifrig in der Baugrube die einmal der Teich, Mittelpunkt und Zierde des Gartens, werden sollte. Zwischendurch erfrischten wir uns am Mostfass, nahmen einen kleinen Happen zu uns oder rauchten eine Pfeife.

Es war gegen Mittag als der Schaufler, er war der geübteste von uns (das brachte sein Beruf eben so mit sich), mit seinem Spaten auf etwas hartes stieß. Vorsichtig freigelegt entpuppte sich das unerwartete Hindernis als steinernes Rohr mit einem Durchmesser von an die 30 cm. Eine alte Abwasserleitung die schon lange nicht mehr verwendet wurde, so war unser einstimmiger Kommentar. Sie war eindeutig im Wege und musste daher weg. Ein großer Vorschlaghammer wurde herbeigeschleppt und mit mächtigem Schwung und voller Kraft zertrümmerte der Schaufler das Rohr. Na ja, was soll ich sagen: Das Rohr war keine stillgelegte Abwasserleitung sondern die Hauptwasserleitung die das ganze Wohnviertel mit dem kostbaren Nass versorgte. Eine riesige Fontäne schoss brausend gut und gerne an die 30 m in die Höhe, und verwandelte den Garten samt Baugrube in eine kleine matschige Seenplatte.

Wir, unsere Pfeifen und der Tisch mit den belegten Broten: Alles wurde nass, triefend nass sogar wenn es denn diese Steigerung der Nässe geben sollte. Unter den anwesenden Damen brach Panik aus, mit schrillen Gequietsche und Gezeter flüchteten sie, angstgetrieben ob ihrer kunstvollen Frisuren und luftiger Sommerkleidchen, in alle Himmelsrichtungen. Frieda und Gerda verloren wohl die Orientierung denn beide landeten in der mit Wasser vollaufenden Grube. Diese durchaus sehenswerte dramatische Begebenheit rief bei uns natürlich einige Belustigung hervor, die von den durchnässten Damen allerdings mit einem Wortschwall erwidert wurde den ich hier lieber nicht veröffentlichen möchte. Dem tollkühnen Einsatz von Franz haben es beide zu verdanken dass sie unversehrt an Leib und Seele, allerdings ziemlich dreckig, aus den Fluten gerettet wurden.

Natürlich hatte die Zerstörung des Rohres weitreichende und für uns unangenehme Folgen, in den Nachbarhäusern öffneten sich die Fenster und empörte Hausfrauen machten ihrem Ärger lautstark Luft. Nun, dass sie ärgerlich waren konnten wir irgendwie schon verstehen, es war Mittag und damit Zeit in der Küche zu werkeln, ohne Wasser geht es nun mal ziemlich schlecht. Irgendjemand hatte zwischenzeitlich die Feuerwehr verständigt. Hugo, der Kommandant unserer Intimfeinde, erkannte sofort den Ernst der Lage und gab den Befehl die Hauptleitung zu sperren. Endlich, nach langen bangen Minuten versiegte die rauschende Fontäne, uns zur Freude aber den Kindern die sich eingefunden hatten zum allergrößten Bedauern und Missfallen.

Wie es dann weiter ging ist schnell berichtet: Es wurde ein Baustop verhängt, die Männer des Bauhofes legten im Laufe der nächsten Woche ein neues Rohr und schon am nächsten Samstag konnten wir unser Werk vollenden. Ein Gartenschlauch wurde angeschlossen um die mit Folie ausgelegte Grube mit Wasser zu füllen. Wir machten ziemlich lange Gesichter als wir feststellten dass der Schlauch viel zu kurz war. Nun war guter Rat angesagt denn an Ersatz war nicht zu denken, die Geschäfte hatten bereits alle geschlossen. Einer, den Namen nenne ich lieber nicht, hatte die überaus dämliche Idee die reparierte Wasserleitung anzubohren um die Grube zu füllen. Dass dieser Vorschlag einstimmig abgelehnt wurde brauche ich nicht zu betonen. Nun, es bleib uns nichts anderes übrig als eine Eimerkette zu bilden um auf diese althergebrachte Art und Weise das Wasser einzufüllen.

Am späten Nachmittag waren wir dann endlich fertig und standen mit schmerzenden Armen um unser Werk, beglückwünschten uns gegenseitig und waren mächtig stolz auf den nun vollendeten Teich, der, wir wollen es gerne zugeben, nur ein klägliches Teichlein war. Die Pfeifen wurden gestopft und entzündet, und mit einem Becher Most in der Hand lauschten wir der Dankesrede vom sichtlich gerührten Paulchen. Da wir nun alle sehr hungrig waren wurde der Grill herbeigeschleppt, mit einiger Mühe entzündet und das große Einweihungsfest konnte beginnen.

Der Geruch still vor sich hin brutzelnder Würste und Steaks stieg in den Abendhimmel, mischte sich mit dem Aroma unserer Pfeifen. Der dicke Fred, gefräßig wie eh und je, belud seinen Teller mit einem ganzen Stapel Steaks und trabte glücklich und zufrieden von dannen, setzte sich an den Rand des Teiches und begann mit ungeheurer Geschwindigkeit die Steaks zu vertilgen. Als er aufstehen wollte um seinen Teller erneut füllen zu lassen gab der noch nicht verfestigte Rand des Teiches nach und der verdutzte Fred rutschte langsam und unaufhaltsam in die Fluten hinein. Diese Missgeschick erfüllte uns natürlich mit großer Heiterkeit, der Arme musste sich allerhand Spott und spitze Bemerkungen gefallen lassen.

Bis in die späte Nacht saßen wir dann noch im Garten, tranken kühlen Most, rauchten unsere Pfeifen und waren guter Dinge.

Im Morgengrauen, das soll hier nicht verschwiegen werden, gab es dann noch ein paar klägliche Versuche im Teich ein Wettschwimmen zu veranstalten. Dies kühne Vorhaben scheiterte aber an dem sehr energischen Einspruch vom Paulchen. Schade drum, es wäre sicherlich noch ein gewaltiger Spaß geworden.