Der Pfeifenraucherstammtisch,
eine Fortsetzung
von Joachim Acker
Diese ganze unerfreuliche Angelegenheit um unseren Stammtisch
machte natürlich in Windeseile die Runde in unserer kleinen
Stadt. Und für einige meiner Pfeifenkameraden war es besonders
peinlich hier quasi amPranger zu stehen. Immerhin zählten
zu den Verurteilten der Apotheker, der Leiter des Jungfrauenchores,
der Organist der lutherischen Kirche, und was als besonders schlimm
von den Bürgern empfunden wurde: auch der Rektor der Sonderschule
durfte nun den Besen in den Straßen und Gassen der Stadt
schwingen. Der Schaufler und meine Wenigkeit waren zu unbedeutend
als daß sichdie Leute darüber mokiert hätten.
Nun, wir taten unsere Arbeit,
dreimal in der Woche mußten wir jeweils für 2 Stunden
etwas fürs Wohl der Mitmenschen tun. In unserem Fall hieß
dies meistens kehren, den Unrat der Gassen wegkarren und in den
Grünanlagen der Stadt Unkraut rausreißen, Schnecken
totschlagen und andere schrecklich wichtige Arbeiten verrichten.
Aber es blieb dennoch Zeit und Muße um in aller Ruhe die
Pfeife zu schmöken, sich gemütlich auf den Besen zu
lehnen und nach den Schwalben zu sehen wie sie im kühnen
Flug über die Dächer der Häuser kurvten.
Ich war meistens mit dem Fred unterwegs, das war mir nicht
besonders recht, denn der Tabak den der kleine Dicke verqualmte
war echt grauenvoll um nicht zu sagen widerlich. Aber es hatte
den Anschein als ob er dem Fred schmecken würde. Auf alle
Fälle wurde da meine Toleranz und Duldungsbereitschaft auf
eine sehr harte Probe gestellt. Fred und ich, wir waren beide
im tiefen Glauben einem bösartigen Justizirrtum zum Opfer
gefallen zu sein, rackerten uns natürlich nicht zu sehr
ab, das war ja für uns Ehrensache. Nur wenn der Stadtpolizist
nahte wurden wir so richtig lebendig, da wirbelte der Besen und
wir versanken in riesigen Staubwolken. Es war an einem Nachmittag,
sonnig aber sehr kalt. Wir saßen am Brunnen auf der Bank,
rauchten unsere Pfeifen und machten Pause von der schweren Arbeit.
Nenn mich doch nicht immer nur Dicker, sagte der Fred plötzlich
zu mir. Ich bin doch kein Namenloser, ich weiß du meinst
es nicht schlecht aber dennoch.
Und plötzlich fing der kleine dicke Fred an von seiner
Jugend zu erzählen. Wie er wegen seiner Leibesfülle
schon in der Schule immer gehänselt wurde, beim spielen
abseits stand weil er nicht mithalten konnte. Ich hörte
ihm zu, die Pfeife rauchend, schweigend. Und der Fred redete
sich hier auf der Bank am Brunnen die ganze Last die ihn bedrückte
von der Seele, zündete hin und wieder die ausgegangene Pfeife
an und sprach weiter, leise und nachdenklich. Und ich, ich lernte
in meinem schweigendem Zuhören den Fred ein bißchen
besser kennen, erkannte daß hier ein ängstlicher an
sich selber zweifelnder Mensch saß.
Unsere Pfeifen waren nun leer
geraucht, wir standen auf und gingen wieder an unsere verantwortungsvolle
Tätigkeit. Der Polizist kam um die Ecke, beäugte uns
mißtrauisch, sah daß wir sehr fleißig am kehren
waren und trollte sich wieder. Ich zog ihm ein Gesicht hinterher,
er merkte es wohl und drehte sich um aber wir beide, der Fred
und ich waren die Harmlosigkeit in Person. Es war nun nicht so
daß der Fred und ich große dicke Freunde wurden,
aber ich behandelte ihn dann doch mit mehr Respekt und Achtung.
Und daß ich nicht mehr Dicker zu ihm sagte versteht sich
ja von alleine.
Abends, nach getaner Strafarbeit, trafen wir uns dann oftmals
im "Schwarzen Drachen", der Wirt brachte für jeden
von uns Tee, Sprudel oder was auch immer, wir stopften unsere
Pfeifen, rauchten und erzählten uns Geschichten aus der
Welt der Pfeifenraucher und träumten von einem besseren
Leben, und wenn schon nicht besser dann wenigstens anders. Pünktlich
zum achten Schlag der Kirchturmglocke ging dann immer die Tür
des Gastraumes auf und die Frauen meiner Freunde standen scharfäugig
schweigend, irgendwie bedrohlich wirkend da. Das Gespräch
an unserem Tisch verstummte, das Lachen erstarb, stumm standen
dann meine Kameraden auf, trotteten zur Tür wo sie schweigend
von ihren Lieben in Empfang genommen wurden. Ich blieb allein
zurück, rauchte meine Pfeife zu Ende und ging dann ebenfalls.
Was sollte ich auch an einem verwaisten Pfeifenraucherstammtisch
noch rumsitzen.
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