Der Langsamrauchwettbewerb
von Joachim Acker
Einmal im Jahr findet im "Schwarzen Drachen" nach
uralter Tradition ein Wettbewerb statt bei dem der langsamste
Pfeifenraucher ermittelt wird. Damit ich nun richtig verstanden
werde: mit langsam ist nicht derjenige Pfeifenfreund gemeint
der an seinem Glas Most oder Bier möglichst lange dran rumnuckelt,
oder der sich duch eine besonders langsame Kautätigkeit
beim Verspeisen des Abendessens hervortut. Nein, mit langsam
ist in diesem Fall derjenige Pfeifenfreund gemeint der mit einer
Füllung möglichst lange raucht.
Und um dies ganz gewissenhaft durchführen zu können
entstand im Laufe der Jahre ein sehr kompliziertes und peinlich
genau einzuhaltendes Regelwerk das in seiner Schwierigkeit und
Undurchschaubarkeit selbst das berüchtigte Crickettregelwerk
der Briten weit in den Schatten stellte. Und das will wahrlich
was heißen.
Nun, der Tag aller Tage im Leben
eines Pfeifenrauchers war gekommen, von weit her strömten
die Pfeifenfreunde zusammen um an diesem bedeutenden Ereignis
teilzunehmen. Mittendrinn im Gewühle der Pfeifenraucherstammtisch
des "Schwarzen Drachens" der Stolz, die Zierde und
die Hoffnung unserer kleinen Stadt.
Draußen, vor dem Gasthaus nahm die Freiwillige Feuerwehr
Aufstellung, rollte Schläuche aus und beriet nochmals den
Notfalleinsatzplan. Es war nicht die Angst vor einem möglichen
Brand sondern man war aus Erfahrung und Schaden klug geworden
und wollte mögliche Auseinandersetzungen und ausbrechende
Zwistigkeiten im Keime ersticken. Der Spielmannszug der Feuerwehr
marschierte auf und begann aufmunternde Weisen zu spielen, allerdings
so furchtbar falsch daß laute Pfiffe und mißmutige
Rufe zu hören waren. Einige Lausebengel übten sich
damit allerlei Krimskrams in die große Tuba zu werfen,
ihre Väter belohnten diese kühnen Versuche allerdings
mit kräftigen Ohrfeigen.
Es gab einen kurzen Tumult als die Stadtpolizei die ersten
Gäste aus dem Drachen abtransportierte, sie hatten sich
bereits so mit Wein und Most aufgefüllt daß ihre Teilnahme
aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich war.
Dann, endlich war es soweit. Der Schiedsrichter bat alle Teilnehmer
in die Gaststube, erklärte nochmals die Regeln, und als
alle Teilnehmer bereit waren, im Saal war es inzwischen mucksmäuschen
still geworden, zog er seine Uhr und gab das Zeichen zum Start.
Die Männer stopften ihre Pfeifen mit der vorgeschriebenen
Menge Tabak, die Pfeifen wurden entzündet, die ersten Rauchwolken
stiegen empor.
Da, mit einem Male
begann der Tumult. Einige mitgereiste Weibsleute meinten sie
müßten ihre Männer mit Trompeten, Kochtopfdeckeln
aneinanderschlagen und wildem Geschrei anfeuern. Das dies nicht
auf große Gegenliebe stieß könnt ihr euch denken.
Der Schiedsrichter brach den Wettkampf ab, ermahnte die Frauen
zur äußersten Ruhe und machte ihnen klar daß
es sich hier nicht um ein Spiel des örtlichen Fußballvereins
handelte.
Leider machte er die Rechnung ohne den Eigensinn der Damen
zu bedenken, denn die ließen sich solche Bevormundung nicht
bieten.
Sie wollten ihre Männer anfeuern, zum Sieg führen
und damit basta. Das Geschrei ging weiter, schon aus purem Trotz.
Und damit nahm das Unheil beinahe zwangsläufig seinen Lauf.
Erboste Männer baten um Ruhe, hier sei ein Wettbewerb im
Gange der höchste Konzentration und Aufmerksamkeit erfordere,
die Damen sollten sich doch im Kirchenchor oder im Kaffeekränzchen
abreagieren. Dies war sowas wie der fehlende Tropfen. Das Glas
lief über und der Tumult begann. Wir Männer vom Pfeifenraucherstammtisch
des "Schwarzen Drachens", durch eigenes Erleben klug
geworden, gingen unter dem Tisch in Deckung. So sahen wir nur
in kleinen Ausschnitten was sich auf einer höheren Ebene
abspielte, hörten aber aus den Geräuschen daß
mit großer Wahrscheinlichkeit unser Gasthaus wiedereinmal
renoviert werden mußte. Der Feuerwehrkommandant pfiff auf
seiner Trillerpfeife Alarm, ich hörte seinen Ruf "Wasser
marsch" und dann versank der Gastraum in einer Wasserflut.
So schnell wie der Aufruhr begann war er auch wieder vorbei.
An eine Fortsetzung des Wettbewerbes war allerdings nicht mehr
zu denken. Na gut, dachten wir, dann machen wir uns halt ohne
Wettkampf einen schönen Abend und wollten beim Wirt Wein,
Most und Bier bestellen. Als der aber unsere Bestellungen hörte
bekam er einen Schreikrampf und wollte sich auf uns stürzen,
nur durch den heldenhaften Einsatz des Ortspolizisten konnte
er zurückgehalten werden. "Was hat er denn nur"?
fragten wir uns, "er ist doch sonst nicht so empfindlich".
Wir verließen nun alle den "Schwarzen Drachen"
und wollten in eine andere Gaststätte gehen um dort noch
einen Trunk zu uns zu nehmen, fanden aber die Türen fest
verriegelt. Nun, es blieb uns nichts andere übrig als nach
Hause zu gehen.
So endete der diesjährige Pfeifenraucherwettstreit.
Später kamen wir dann überein daß in Zukunft
keine Damen mehr zu so einem Ereignis zugelassen werden.
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