Die Maiskolbenpfeife
Joachim Acker
Schließt für einen kurzen Augenblick eure Augen,
geneigte Leser dieser Zeilen, und stellt euch einen breiten Fluss
vor. Er fließt leise murmelnd und vor sich hin gurgelnd
dahin, ab und zu springt ein Fisch luftschnappend aus dem Wasser,
Enten und Tauchhühner paddeln eifrig auf Nahrungssuche mal
hier hin mal dort hin, an den Ufern tauchen Erlen und Weiden
ihre Äste ins träge Wasser. Aus weiter Ferne ertönt
ein schwermütiger Blues der von Liebe und Leid, von harter
Arbeit und bitteren Hungersnöten am Großen Fluss singt.
Ein Floß roh aus Baumstämmen zusammen gezimmert treibt
vorüber. Zwei Jungen kauern darauf und einer der Knaben
hat eine Maiskolbenpfeife im Mund, dichte Rauchwolken ausstoßend
hält er die Ruderstange in der Hand. Huckleberry Finn und
Tom Sawyer sind auf dem großen Fluss, dem >Old Man River<
auch Mississippi genannt unterwegs zu ihren unvergesslichen Abenteuern.
Kehren wir lieber wieder um ehe wir noch weiter im Reich der
Träume und der Phantasie versinken und unser eigentliches
Thema weit verfehlen.
Wir wollen eine uramerikanischen
Pfeife kennenlernen: Die Maiskolbenpfeife, auch Corn Cob oder
Missouri Meerschaum Pfeife genannt. Die Pfeife der Farmer und
der Landarbeiter und gelegentlich auch der Sailors, Popeye wäre
ohne seine Corn Cob im Munde nur ein halber Mensch, und für
manchen Soldaten war diese Pfeife sowas ähnliches wie ein
Markenzeichen.
Bild 1: Corn Cob 1
Die Suche nach dem Ursprung
der Corn Cob`s führt uns in den Mittleren Westen der USA
in den Staat Missouri, noch genauer: in das Städtchen Washington
im Franklin County. In dieser kleinen Stadt am Südufer des
Missouri fand 1867 ein gewisser Hendrik Tibbe (gelegentlich auch
Tippe geschrieben) eine neue Heimat. H. Tibbe besaß im
heimatlichen Enschede/Holland eine Möbeltischlerei und als
diese abbrannte und sein gesamtes Hab und Gut vernichtet war,
wanderte er mit seiner Familie in die Staaten aus und gründete
hier eine neue Existenz.
Eines Tages kam ein Farmer zu ihm und zeigte Henry (wie er sich
nun nannte) Tibbe eine selbstgebastelte Pfeife aus Maiskolben
und fragte ihn, ob er denn so etwas in seiner Werkstatt herstellen
könnte. Nun, wir wollen es kurz machen: Mr. Tibbe konnte,
der Farmer war zufrieden und alsbald verlegte sich Mr. Tibbe
immer mehr auf das herstellen von Corn Cob Pfeifen. In der Firmen
History lesen wir dazu:
>In 1869 Henry Tibbe, a Dutch immigrant woodworker,
first began production of the corn cob pipe. Legend has it that
a local farmer whittled a pipe out of corn cob and liked it so
much he asked Henry Tibbe to try turning some on his lathe. The
farmer was well-pleased with his pipes so Henry made a few more
and put them for sale in his shop. They proved to be such a fast
selling item that soon Tibbe spent more time making pipes for
his customers than working with wood.<
Quelle: http://www.corncobpipe.com
Bild 2: Franklin County, Bild 3:
Missouri
Und an anderer Stelle stehen die folgenden Sätze:
>Tibbe then assembled several pipes of various bowl
depths, sporting both wood and reed stems, and placed them at
the front of his shop window. He priced the pipes at five cents
each. They quickly sold out. He made more, and they too, were
soon gone. Within a short time, Henry Tibbe was no longer a furniture
maker, but a pipe manufacturer. His rapid success prompted him
to relocate to a larger building, where a series of belts driven
by a steam engine replaced the hand wheels which once turned
the boring tools. Today's machines are more modern but not by
much.<
Quelle: http://www.keepsmilin.com/meerschaum.html
Die Raucheigenschaften dieser Pfeifen waren wohl nicht gerade
die besten, denn H. Tibbe entwickelte zusammen mit seinem Freund,
dem Apotheker Ludwig Muench, eine Paste, die in und auf der Pfeife
aufgetragen wurde und das Rauchen sehr viel angenehmer machte.
>Mr. Tibbe and his friend. Apothecary Ludwig Muench,
discovered that corncob pipes could be given a smooth surface
by using plaster of paris for a filler< .
Quelle: http://washingtonmo.com/history+of+washington+mo/history_chap5.htm
Dieses >Plaster of paris< (engl.: Stuck), eine
aus verschiedenen Zutaten zusammengesetzte Mischung wurde 1878
patentiert. Im Jahre 1872 (als offizielles Jahr der Firmengründung
wird allerdings immer 1869 genannt) begannen dann H. Tibbe und
sein Sohn Anton die Großproduktion der Missouri Meerschaum
Pfeifen in der neugegründeten Firma H. Tibbe & Son die
später (1907) in >Missouri Meerschaum Company<
umgenannt wurde und noch heute besteht.
Das Wort: >Missouri Meerschaum< war ursprünglich
ein Spottname mit dem sich deutsche Siedler über diese Pfeifen
in Anspielung auf die echten Meerschaumpfeifen lustig machten,
so können wir oftmals in der Literatur nach lesen. Eine
andere Erklärung finden wir in der Firmengeschichte:
> The word Meerschaum is
taken from a German word that means "sea foam". It
is a Turkish clay used in high grade pipes. Tibbe likened his
light, porous pipes and their cool smoke to that of the more
expensive meerschaum pipes and coined the name "Missouri
Meerschaum" for his pipes.<
Quelle: http://www.corncobpipe.com/
Bild 4: Corn Cob 2
Eine nette Anekdote sei hier angeführt:
> In 1890, famed British poet and writer, Rudyard Kipling,
visited Missouri's Mark Twain at his Elmira, N.Y. summer domicile.
Kipling complemented the Hannibal native on his epicurean tastes
and continental style, but chided Twain for putting fine, Turkish
tobacco into a lowly American corncob pipe. "Ah, yes,"
Twain replied, eyes twinkling, "I see your point. But the
tobacco will not go to waste." Samuel Langhorn Clemens paused
for effect, "this, sir, is not a corncob pipe. It is a 'Missouri
Meerschaum.' " Twain made his statement to Kipling neither
as a jest nor a retort. Simply a fact.>
Quelle: http://www.keepsmilin.com/meerschaum.html
Henry Tibbe war aber offensichtlich nicht der Erste der eine
Maiskolben Pfeife anfertigte. In einem alten Haus in Newburyport,
Massachusetts das renoviert wurde fanden sich nach dem Bericht
der Eigentümerin Mrs. Nancy Platteborze:
>We found three men's pipes, one wooden and two corncob.
One has 1863 on a label on the bottom of it, but that probably
dates the company that made it, not the pipe itself.<
Quelle: http://www.oldhouseweb.net/stories/Detailed/10124.shtml

Bild 5: Corn Cob Pfeife 1863
Mit diesem Fund haben wir nun allerdings auch ein ziemliches
Problem am Hals, denn in der Firmenhistory der MMC lesen wir:
>It was the Missouri Meerschaum Company, still the world's
oldest and largest manufacturer of the cool, sweet-smelling corn
cob pipes.> Quelle: http://www.corncobpipe.com/
Dass die MMC im Jahre 1869 gegründet wurde wissen wir
ja, vergrößert man aber das Siegel der Corn Cob von
1863 so kann die Inschrift: Missouri Meerschaum Co. gerade noch
entziffert werden. Mir scheint, dass wir es hier mit einem im
Moment unlösbaren Rätsel zu tun haben, denn ich fand
bei meiner Recherche keinerlei Hinweise die Licht in dies Dunkel
gebracht hätten.
Der eigentliche Ursprung der Maiskolbenpfeifen kann nicht
eindeutig geklärt werden. Es besteht aber die hohe Wahrscheinlichkeit,
dass bereits Indianer (Mandan und Hidatsa, beide Stämme
wurden dann später von den Sioux vertrieben) die im Gebiet
des heutigen Missouri lebten, sich Pfeifen aus Maiskolben anfertigten.
Mais und sein Anbau war ihnen ja bekannt und zudem ein sehr wichtiges
Grundnahrungsmittel.
Der Mais
englisch: Corn, ist eine uralte Kulturpflanze deren Früchte
mit zu den wichtigsten Nahrungsquellen vieler Völker gehören
oder gehört haben. Im Brockhaus PC Lexikon lesen wir:
Mais: [spanisch maíz, aus indianisch] (Kukuruz,
Türkischer Weizen, Welschkorn, in den USA Corn, Zea), Gattung
der Süßgräser mit der einzigen, nur als Kulturform
bekannten Art Zea mays;vermutliche Heimat Mexiko; bis 2ÿm
hohe Pflanze mit einhäusigen Blüten, männliche
Blüten in Rispen, weibliche Blüten in von Hüllblättern
(Lieschen) umgebenen Kolben; Früchte (Maiskörner) in
Längszeilen am Maiskolben. Mais ist eine der wichtigsten,
heute weltweit verbreiteten Kulturpflanzen der (wärmeren)
gemäßigten Zone. Die zahlreichen Varietäten und
Formen werden in folgenden Großgruppen zusammengefasst:
Weichmais (Stärkemais) mit mehligen Körnern, v.ÿa.
zur Gewinnung von Stärke und Alkohol sowie als Futtermittel;
Puffmais (Perlmais, Reismais) mit stark wasserhaltigen Körnern,
v.ÿa. zur Herstellung von Maisflocken; Zuckermais, unreife
Kolben als Gemüse; Zahnmais (Pferdezahnmais) mit eingedrückten
Körnern (wichtige Welthandelsform); Hartmais (Steinmais)
zur Herstellung von Maisstärke und Traubenzucker. In Mitteleuropa
wird Mais meist als Futterpflanze in verschiedener Form verwendet
(Silomais, Grünmais, Körnermais).ÿþ 1997
betrug die Welternte von Körnermais 585ÿ828ÿ000ÿt.
Haupterzeugerländer sind v.ÿa. die USA, China und Brasilien.
Geschichte: Bereits in vorkolumbianischer Zeit war der Maisanbau
fast über den ganzen amerikanischen Kontinent verbreitet
(Kultivierung im Tal von Tehuacán in Mexiko bereits um
5000 v.ÿChr.). Nach Europa kam der Mais erst nach der Entdeckung
Amerikas.
© 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus
AG

Bild 6: Maiskolben
Mais wird nicht nur als Nahrungs- und Futtermittel verwendet,
sondern es werden aus seinen Deckblättern auch Matten, Hüte
und Papier hergestellt. Bei den südamerikanischen Eingeborenen
wird ein gegorenes Gebräu aus Mais (Chicha) gerne getrunken.
In Mexiko wird aus dem Saft ebenfalls ein alkoholisches Getränk
hergestellt (Pulque de Mahiz). Das überaus beliebte Pop
Corn, hergestellt aus einer speziellen Züchtung (dem Puffmais)
dürfte jedem von uns bekannt sein. Und dann natürlich,
dem Thema dieses Artikels entsprechend, die Maiskolbenpfeife.
>A corn cob pipe can't be made without first growing
the corn. When the company began production in the 1860's the
by-product of any field corn was usable raw material for the
making of corn cob pipes. However, over the years through hybridization,
the corn has been modified to produce smaller cobs. It was up
to the corn cob pipe industry to develop a corn that produced
a bigger cob. This job was given to the University of Missouri,
who perfected the corn seed that is used today.<
Quelle: http://www.keepsmilin.com/meerschaum.html
Diese spezielle Züchtung die ausschließlich für
die Herstellung der Pfeifen angebaut wirdm erhielt vermutlich
den Namen >Collier seed<, dieser Name wird auf jeden
Fall in der Literatur immer wieder erwähnt. Allerdings habe
ich bei meiner Recherche zu diesem Artikel keinen gesicherten
Hinweis auf diesen Namen gefunden. Sogar die Seiten der University
of Missouri hüllten sich bei diesem Namen in tiefstes Schweigen.
Wie dem auch sei: Die hybride Maissorte die größere,
stärkere und härtere Kolben ausbildet als ihr naher
Gemüsemaisverwandter, wird ausschließlich zur Herstellung
der Pfeifen angebaut. Die weißen Körner werden verkauft,
dann zu Mehl zermahlen und für die Herstellung mexikanischer
Tortillas verwendet.

Bild 7: Siegel

Bild 8: Washington
Die Herstellung einer Corn Cob Pfeife
ist im Vergleich zu einer Pfeife aus Bruyeré Holz verhältnismäßig
einfach. Die Kolben werden geerntet, die Deckblätter entfernt
und die Frucht entkernt. Als nächstes werden sie in klimatisierten
Lagerräumen für mindestens zwei Jahre getrocknet und
gewinnen in dieser Zeit durch den einsetzenden Reifeprozess deutlich
an Härte. Weitere Arbeitsgänge sind dann das Zersägen
der Kolben (1 Kolben erbringt 2 bis 5 Pfeifenrohlinge), das Mark
wird ausgebohrt und so eine Rauchkammer geschaffen, die Rohlinge
werden mit dem >Plaster of paris< versiegelt, abgeschliffen
und lackiert, der Holm (früher aus Schilfrohr, heute aus
gedrehten Maiskolben oder Bambus) eingesetzt und ein Mundstück
aus Kunststoff eingepasst. Fertig ist die neue Corn Cob Pfeife
und wird für den Versand in alle Welt verpackt und bereitgestellt.
Selbstverständlich gibt es bei diesen Pfeifen auch eine
Vielzahl von Modellen die von der geraden Form bis zu den Bents
reichen, Filter können ebenfalls verwendet werden.
Die Preise für diese Pfeifen sind sehr human, sie bewegen
sich zwischen 4 und 10 Euro, dieser geringe Betrag lässt
auch die relativ geringe Lebensdauer dieser Pfeifen verschmerzen.
Vorzüge und Nachteile
Ein unbestreitbarer Vorteil der Corn Cob`s ist neben dem geringen
Anschaffungspreis ihr sehr leichtes Gewicht und die enorme Saugfähigkeit
des Materials. Ein kühles und trockenes Rauchen ist somit
eigentlich garantiert solange der Raucher nicht an der Pfeife
saugt wie Klein-Karlchen an der Mutterbrust. Im Laufe der Zeit
wird aber die Wandung der Pfeife mit Kondensat gesättigt
und sie beginnt abscheulich zu schmecken und ist reif zur Entsorgung.
Ein gravierender Nachteil ist nach meiner persönlichen Erfahrung
ihr süßlicher Eigengeschmack der sich allerdings nach
einigen Füllungen deutlich mildert. Dem kann im übrigen
mit der Wahl eines geeigneten Tabaks (etwas aromatisiert) entgegengewirkt
werden. Einen hochklassigen Virginia Tabak wie zum Beispiel den
Kendal Plug würde ich für diese Pfeife nicht empfehlen.
Über die Pflege
ist noch folgendes zu sagen: Ein normales Auswischen des Pfeifenholmes
und vom Mundstück mit Reinigern nach jedem Rauchen ist ausreichend,
außerdem sollte die Pfeife immer genügend Zeit bekommen
um auszutrocknen.
Eine Behandlung mit flüssigen Reinigern ist ziemlich schädlich
weil die Flüssigkeit in der Wandung aufgenommen wird, dementsprechend
ist dann auch der Geschmack. Eine Corn Cob Pfeife leerzurauchen
wie es der Raucher bei einer Bruyeré Pfeife gewohnt ist
wird nahezu unmöglich sein, denn alle die ich bis jetzt
in der Hand hatte, besaßen ein viel zu weit oben liegende
Holmbohrung.
Alles in Allem ist die Missouri
Meerschaumpfeife etwas fürs Grobe, für den Garten,
die Werkstatt, den Hobbykeller oder als Gästepfeife. Beim
Neujahrsempfang des Bürgermeisters oder des Landrates würde
der Raucher solch einer Pfeife sicherlich mitleidige vielleicht
aber auch bewundernde Blicke ernten. Einen Hauch von Lagerfeuerromantik
und kühnen Abenteuern vermittelt sie allemal.
Zum guten Schluss sei noch auf das Museum in Washington/MO hingewiesen:
The Corn Cob Pipe Museum, 400 West Front Street, is open Monday
through Friday from 8 a.m. to 3 p.m. Tours of the factory are
not available. For more information, call 636-239-2109, or visit
the Web Site: www.corncobpipe.com.
Bild 9: Corn Cob 3
Quellen:
Missouri Meerschaum Company
http://www.corncobpipe.com/
Traveling into History
http://www.keepsmilin.com/meerschaum.html
Washington/Missouri
http://www.washmo.org/
Franklin County
http://www.rootsweb.com/~mofrankl/
Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Hauptseite
University of Missouri-Columbia
http://muextension.missouri.edu/explore/
Tobacco.org Ressurces
http://www.tobacco.org/History/Tobacco_History.html
Nordamerikanische Indianerkulturen
http://www.indianerwww.de/indian/index_st.html
Pipe and Pouch
http://www.smokersdirectory.org/default.htm
History of Washington, Missouri
http://washingtonmo.com/history+of+washington+mo/history_of_washington_missouri.htm
The Old House
http://www.oldhouseweb.net/stories/Detailed/986.shtml
O.Pollner
Pfeiferauchen leicht gemacht. Sonderausgabe Worldcopy
R.C. Hacker
Die Kunst Pfeife zu rauchen. Heyne Verlag
Behrends/Frickert
Mit vollem Genuß Pfeife rauchen Falken Verlag
Quellen der Bilder
Franklin County
http://ozarks.smsu.edu/LocPage/County/Franklin/Clason.jpg
Old House
http://www.oldhouseweb.net/stories/Detailed/10124.shtml
Washington Vogelperspekt.
http://washingtonmo.com/history/History%20of%20Washington%20MO/WashingtonMO1869.gif
Corn Cob 1-3
http://www.keepsmilin.com/pipecat.html
Missouri
http://www.amerika-live.de/USA/Missouri/missouri.htm
Siegel
http://www.corncobpipe.com/
Maiskolben
http://www3.akwien.at/aws/webquest2002/mais/
JA
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