Die Tonpfeifen,
eine kleine Betrachtung über einen zerbrechlichen Gegenstand

Joachim Acker

Teil 2: Holland

Würde man England als das Mutterland des Tabakrauchens und der Pfeife bezeichnen, dann wäre Holland der erstgeborene Sohn. Seeleute, Kaufmänner und nicht zuletzt die Studenten, die in der berühmten holländischen Universität Leyden studieren wollten, brachten die Kunde vom Rauchen, den ersten Tabak und auch die Pfeife über den Kanal aufs Festland. Auch hier auf dem Kontinent, es war wohl gegen Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts, machte der Tabak sehr schnell Kariere. Die Holländer taten dann das ihrige noch dazu, indem sie beim Tabakhandel recht kräftig mitmischten. Holländische Schiffe brachten Sklaven aus Afrika nach den Antillen und Virginien, dort wurden diese armen Menschen gegen Tabak eingetauscht und dieser dann von der 1621 gegründeten West-Indischen-Compagnie (WIC) nach dem alten Kontinent verhandelt und dort mit Gold aufgewogen.

Im Jahre 1627 konnte der kurpfälzische Gesandte am Königshof von Rusdorff feststellen: "Ich kann nicht umhin, mit einigen Worten jene neue, erstaunliche und vor wenigen Jahren aus Amerika nach unserem Europa eingeführte Mode zu tadeln, welche man die Sauferei eines Nebels nennen kann, die alle alte und neue Trinkleidenschaft übertrifft. Wüste Menschen pflegen nämlich den Rauch von einer Pflanze, die sie Nicotiana oder Tabak nennen, mit unglaublicher Begierde und unauslöschlichem Eifer zu trinken und einzuschlürfen." Anmerkung 1

Einen weiteren Aufschwung erhielt das Rauchen im Pestjahr 1636 als Holland von dieser fürchterlichen Seuche heimgesucht wurde. Da erinnerte sich die Bevölkerung an die Geschichten um die Heilkraft des Tabaks, seine gegen Seuchen vorbeugende Wirkung. Isbrand van Diemerbrook, ein holländischer Arzt der in den Pestjahren 1636 und 1637 in Nymwegen seinen Beruf ausübte, schrieb darüber: "Sobald mir die Ausdünstungen der Kranken unerträglich wurden, ließ ich augenblicklich alles liegen und rauchte Tabak. Der Tabak ist das wirksamste Mittel gegen die Pest, doch muss das Blatt von guter Beschaffenheit sein. Ich habe viel davon verbraucht." Und weiter schreibt er: "Eines Tages, als ich zu einem Kranken kam, fiel mir der Pestdampf auf die Brust, und ich fühlte alle Anzeichen der Ansteckung: Schwindel, Ekel, Angst. Ich machte daher den Besuch kurz ab und eilte nach Hause, wo ich sechs bis sieben Pfeifen rauchte. Ich fühlte mich bald hergestellt." Anmerkung 2 (siehe dazu auch den Artikel: Der Tabak als Heilpflanze)

Anfang des 17. Jahrhunderts ereignete sich in England etwas, dass großen Einfluss auf die weitere Geschichte des Tabaks nehmen sollte. König James I. verfasste seine berühmt gewordenen Streitschrift wider den Tabak >Misocapnus sive de abusu Tobacci lusus regius< (Der Rauchgegner oder ein königliches Scherzstück über den Mißbrauch des Tabaks) 1604, London, indem er den Gebrauch des Tabak scharf verurteilte und geißelte. So schreibt er z.B.: "Das Erbgut manches jungen Edelmannes wird ganz erschöpft und verfliegt mit dem Dampf dieses Rauches rein in nichts. Dies geschieht in der schändlichsten und tierischsten Weise, indem sich das Gut durch die Nase des Herrn verflüchtigt und man so ganze Tage, Geld, Zeit, selbst Jahre mit dem Tabaktrinken vertut."

Bild 1

Dies und die in manchen Dingen des öffentlichen Lebens intolerante Haltung des Stuart-Königs führte dazu, dass immer wieder Engländer ihrem Heimatland den Rücken kehrten und ins nahe Holland übersiedelten. Darunter waren auch Pfeifenmacher die ihre Kunst und Fertigkeit nun holländischen Töpfereien oder bereits bestehenden Pfeifenbäckereien zur Verfügung stellten oder selber Betriebe gründeten. So entstand in Holland im Laufe der Jahre eine blühende, in Güte und Qualität der englischen in nichts nachstehenden Pfeifenindustrie, die bald eine führende Rolle auf dem Kontinent spielte.
Die Tonpfeifenbetriebe wurden deshalb Pfeifenbäckerei genannt weil in ihnen die Pfeifen wie Brot gebacken (von mhd. bachen, ahd bahhan = geröstet, gebraten) wurden.

In Amsterdam etablierte sich 1607 die erste Pfeifenmanufaktur, in Gouda, Dordrecht und Schoonhoven 1617, und am Ende dieses Jahrhunderts waren es bereits 32 Betriebe welche die Raucher mit ihrem wichtigsten Gerät versorgten.
Der erste Pfeifenmacher aus England, der sich in Gouda niederliess, soll William Baernelts gewesen sein, er nahm später den Namen Willem Barentsz an. Er gründete im Jahre 1617 die erste Pfeifenmanufaktur in dieser Stadt, sein Markenzeichen war zu Ehren der Tudors die >Rose of Tudor<.

Bild 2, Tudor Rose, Holland

Dazu habe ich aber keine Bestätigung gefunden. Allerdings wird ein Mann mit dem Namen William Baernelts erwähnt, und zwar im Gewand einer Legende: es sollte sich um den berühmten Dichter William Shakespeare gehandelt haben, der aus England vor Gläubigern und einer Frau fliehen musste. Auf seinen Grabstein in Gouda soll geschrieben gewesen sein, dass jeder verflucht sei, der dieses Grab öffnet. Wie dem auch sei: einige der Pfeifenmacher aus Gouda sind namentlich bekannt: Jacob Thoniszn, Thiel Jansz Proost, Jan van der Dus, Jan Danens, die Jong Familie, dazu gehört vielleicht Lucas de Jonge, Hendrik Mandshofd, J. de Vos, Arij van der List, van der Velde, Peter Versluijs und die Verzijl (Verzyl) -Familie um nur einige zu nennen. Letztere, die Verzijl Familie, hatte offensichtlich geschäftliche Kontakte nach Leipzig:
>Neben anderen namentlich genannten Produzenten nimmt die Goudaer Familie Verzijl wieder die herausragende Stellung ein, wobei ein Teil dieser Pfeifen möglicherweise in Grimma/Sachsen hergestellt wurde, da dort eine Mitnutzung dieses Namens nachgewiesen ist< Anmerkung 3

Es hat den Anschein als ob die Firma Verzijl mit einer Grimmaer Pfeifenbäckerei ein geschäftliches Abkommen zur Benutzung ihres Namen gehabt hätte.

Tonpfeifen der de Jongs und der van der Veldes fanden sich, um dies noch anzumerken, auch in Soest/Westfalen. Bei archäologischen Ausgrabungen am Burgtheaterplatz wurden 560 Tonpfeifenfragmente geborgen, darunter befanden sich 121 Stücke die eine Verzierung aufwiesen. Die Mehrheit der Tonpfeifen stammte zwar aus Deutschland, aber einige wenige wurden von de Jong und van der Velde hergestellt. Offensichtlich hatten die Soester Pfeifenraucher eine breite Palette an Tonpfeifen zur Auswahl.

Im Jahre 1660 schlossen sich die Pfeifenmacher von Gouda nach englischem Vorbild zu einer Gilde zusammen. Eine Folge dieses Zusammenschlusses war, dass es nun zur Pflicht wurde, in die Pfeife eine Herstellermarke zu stempeln, dies geschah allerdings des öfteren bevor der entsprechende Erlass verkündet wurde. Bereits seit 1625 hatten z.B. die Pfeifenmacher von Gouda ein gut eingeführtes Markenzeichenrecht. Allerdings wurden die Herstellermarken, nicht nur die von Gouda, des öfteren kopiert. Dies macht eine präzise Zuweisung für die Pfeifenforscher manchmal recht schwierig, manchmal sogar unmöglich.

>Durch die Verbindung archäologischer Untersuchungen mit historisch-volkskundlichen Forschungen zeigt sich für das 17. und 18. Jahrhundert die Bedeutung der niederländischen Tonpfeifenproduktion, vor allem aus Gouda, für den europäischen Markt deutlich auf. Ein besonders wichtiger Aspekt ist, deutsche Nachahmungen niederländischer Tonpfeifen zu erkennen. Die Plagiate weisen nicht nur die von der niederländischen Produktion bestimmten Kopfformen und Dekore auf, sondern tragen deren Schutzmarken oder nennen in den Stieltexten falsche Produktionsorte und Hersteller.< Anmerkung 4

Das Nachbauen qualitätvoller Ware hat, so scheint es, eine ziemlich lange Tradition die bis in die heutige Zeit hineinreicht.
Einen möglichen Missbrauch verdeutlicht ein Beispiel aus dem im ersten Teil erwähnten Altenburg. Dort war seit vielen Generationen die Familie Laspe als Pfeifenmacher tätig. In einem ihrer Anwesen, die alle bekannt sind, fanden sich sehr große Mengen von Tonpfeifenfragmenten, allein an die 10.000 Stiele und 480 Pfeifenköpfe.
>Als Stielbeschriftung verwendeten die Laspes selten "ALTENBURG", meist tauchen "GOUDA" oder "DRESDEN" als Umschrift auf, auch die Marken sind von Goudaer Pfeifen übernommen< Anmerkung 5

Wie nützlich solche Pfeifenherstellermarken sind bzw. sein können, beweist ein Bespiel aus dem archäologischen Kontext in Deutschland. Das an der Ostsee liegende untergegangene Dorf Maasholm, erstmals erwähnt 1640 und aufgegeben im Jahre 1701, kann durch Tonpfeifenfunde, die bei Tauchexpeditionen gemacht wurden, möglicherweise etwas zurückdatiert werden auf das Jahr 1630 oder noch früher. Dies wurde möglich, weil einige Tonpfeifen ein EB als Marke eingeprägt trugen, eine für die fragliche Zeit verwendete Marke aus Gouda.

Die Pfeifenmacher von Schoonhoven schlossen sich etwas später als die in Gouda, erst im Jahre 1667 zu einer Gilde zusammen, 1774 wurden die Satzungen der Gilde veröffentlicht. Allerdings löste sich die Schoonhoven Gilde schon 1793 wieder auf. Die Konkurrenz aus Gouda war vermutlich zu übermächtig geworden.

Als Zentrum der aufblühenden holländischen Pfeifenindustrie kristallisierte sich sehr bald Gouda heraus das den anderen Städten bald den Rang ablief. Tonpfeifen aus Gouda waren bald überall auf dem Kontinent wegen ihrer Güte und Qualität sehr beliebt und geschätzt. So sind z.B. ab dem Jahre 1718 regelmäßige Lieferungen von Gouda Pfeifen nach Russland nachweisbar. Ab dem Jahr 1744 wurden dann in St. Petersburg die ersten russischen Tonpfeifen produziert. Diese Produktion ist bis in das Jahr 1849 beweisbar.
>Fundstücke aus St. Petersburger Fabriken, die im Museum für die Geschichte St. Petersburgs aufbewahrt werden, zeigen die niederländischen Kopfformen, tragen aber nur selten Marken und sind auch aufgrund von Qualitätsmerkmalen von der Importware zu unterscheiden< Anmerkung 6

Sogar in Island wurden Tonpfeifen aus Gouda gefunden. In einer 1764 abgebrannten Wollfabrik in Reykjavik , Adalstrati 14-16, wurden 268 Fragmente von Tonpfeifen bei archäologischen Ausgrabungen gefunden, darunter auch solche aus Gouda die durch ihre Zeichen sicher identifiziert werden konnten. So fand sich, um ein Beispiel zu nennen, an einem Fragment eine Schlange eingestempelt, ein Zeichen aus Gouda, dass in den Jahren 1733 bis 1808 in Gebrauch war. Ein Fragment eines Pfeifenstiels war mit dem Namen Lucas deionge beschriftet, das Herstellerzeichen von Lucas de Jonge der in Gouda von 1730 bis 1782 seine Pfeifen fertigte. Der Name des Pfeifenmachers Franz Verzyl (gestempelt F.VERSLU") ist unter dem Fundmaterial ebenfalls vertreten
Ein Pfeifenfragment (Fragment AST 01-1104 ) das ebenfalls in Reykjavik gefunden wurde trägt das Zeichen des bekannten Bristoler Pfeifenmachers Robert Tippet "R TIP PET" dessen Familie über drei Generationen hinweg in der englischen Hafenstadt Tonpfeifen herstellten.

Bild 3, Robert Tippet, Bristol

12 andere Pfeifenfragmente, die ebenfalls gefunden wurden, stammen mit einiger Wahrscheinlichkeit vermutlich ebenfalls aus England, gesichert ist es jedoch nicht.
Im Bereich einer Wanderdüne in der Nähe von Geelbek in der Republik Süd Afrika wurden Tonpfeifenfragmente gefunden, die durch ihre Marken aus Gouda stammend identifiziert wurden. Sie wurden um 1750 bzw. in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hergestellt und vermutlich nach Südafrika exportiert.

Selbstverständlich wurden Tonpfeifen aus Gouda bzw. Holland auch nach Deutschland exportiert, zahlreiche Belege dafür konnten in den letzten Jahren systematisch erfasst und dokumentiert werden.
Auf einem Grundstück bei Wustrow (Landkreis Lüchow-Dannenberg) wurden stark zerscherbte Tonpfeifen gefunden:
>doch lassen 20 Stiele mit Stieltexten und 15 Pfeifenköpfe mit Marken deutlich zwei Liefergebiete erkennen. Niederländische Tonpfeifen stammen nach den Marken (Schlange, das gekrönte "H") und Stieltexten ("I.GIRREBOO" und "IN GOUDA") aus dem niederländischen Produktionszentrum Gouda.< Anmerkung 7

Das Herstellerzeichen einer Schlange ist uns schon weiter oben bei den Pfeifen aus dem isländischen Reykjavik begegnet. Und es begegnet uns in Hamburg wieder. Im Abraum des Sielbaus, der in einer Kiesgrube außerhalb Hamburgs aufgeschüttet wurde, konnten 1050 Tonpfeifenköpfe und ca. 3000 Stielfragmente geborgen werden. Unter denen befanden sich auch Stücke die mit einer Schlange gestempelt waren, wieder ein deutlicher Beweis für das Vorhandensein holländischer Pfeifen aus Gouda. Anmerkung 8

Aus Bremen stammen ebenfalls Fragmente von Tonpfeifen:
>Bei Ausgrabungen der nur wenige Jahre bestehenden Festungsanlage Karlsburg wurden 1970 insgesamt 1632 Tonpfeifenfragmente gefunden. Die Datierung der zumeist aus Gouda stammenden Tonpfeifen aufgrund der Kopfformen, der Verzierungselemente und der Marken entspricht der Nutzungszeit der Festung. Bei einigen nach der Kopfform eindeutig in die 1670er Jahre zu datierenden Fragmenten kommen Marken ("PP", "Justitia") vor, deren Verwendung in Gouda bisher erst nach 1680 angenommen wurde.< Anmerkung 9

Aus Hamburg stammt ein Tonpfeifenkopf:
>Ein 1986 in der Magdalenenstraße in Hamburg-Harvestehude gefundener Tonpfeifenkopf zeigt auf der linken Seite einen gekrönten doppelköpfigen Adler, Wappentier des Kaiserreichs Österreich seit 1806, mit dem Text "GERMA(NIA)E PAX". Die Ferse trägt die Marke "Lamm unter dem Baum". Auf der fehlenden rechten Seite ist nach Vergleichsstücken ein Adler mit einem Kopf zu ergänzen. Das Motiv greift den Deutsch-Österreichischen Krieg 1866 auf, in dem Preußen (dargestellt durch den einköpfigen Adler) Österreich besiegte und am 3. August in Prag Frieden geschlossen wurde. Das Pfeifenmodell ist 1866 oder kurz danach entstanden und wurde in Gouda von den Pfeifenfabriken Gerrit bzw.Jan Prince produziert< Anmerkung 10

Seit 1990 fanden in Leipzig über 60 archäologische Stadtkerngrabungen statt, bei denen immer wieder auch Tonpfeifen gefunden wurden. Dabei zeigte die Auswertung, dass Goudaer Produkte in der Mehrzahl waren. Zwar waren nur wenige Herstellerfirmen unter dem Fundmaterial vertreten, jedoch jeweils mit zahlreichen Pfeifen und verschiedenen Modellen. Einheimische Erzeugnisse spielten im Fundmaterial eine untergeordnete Rolle.

Eigenartigerweise finden sich unter den in Deutschland gefundenen Tonpfeifen meines Wissens keine aus England. Daher ist anzunehmen, dass der englische Pfeifenexport nach Deutschland und möglicherweise auch in die angrenzenden Länder durch die Übermacht der holländischen Firmen stark beeinträchtigt war.

Wie schon im ersten Teil des Artikels kurz erwähnt sind auch die Funde von Tonpfeifen, speziell aus Gouda, in verschiedenen Schiffwracks sehr zahlreich. So fand man im Wrack der gesunkenen Vrouw Maria (siehe Teil 1) drei Tonpfeifen die aus Gouda stammten. Eine Roboterkamera untersuchte das Schiffsinnere und es konnten unter einer Sedimentschicht die Umrisse hunderter Tonpfeifen gesichtet werden. Eigenartig ist nur, dass in der Ladeliste keine diesbezügliche Lieferung erwähnt wird. Möglicherweise verbirgt sie sich hinter der Rubrik: >Assorted merchandise (unspecified) worth 9783 rixdollars <.

Weil die Ladeliste eines gesunkenen Schiffes immer interessant ist, auch wenn sie mit dem Thema nicht direkt zu tun hat, gebe ich sie hier wieder:

 

 Cargo  Danish Rixdollars  Skillings
 85562 pounds of sugar  160  21
 17980 pounds of dyer´s madder  16,5  18
 4700 pounds of Brazilian wood  2,5  21
 1220 pounds of cotton  4,5   4
 3230 pounds of indigo  24  12
 250 pounds of mercury  3,5  12
 2 pounds of sewing thread  -  1
 39,75 shippounds of zinc  19,5  12
 2,33 shippounds of winestone  -  14
 0,5 shippounds of cheese  -  2
 paper, 20 reams  -  8
 0,5 barrel of herring  1  1
 0,5 barrel of cod  1  1
 0,75 barrel of butter  -  4
 219 pieces of cloth  20,5  2
 491 pieces of cotton  19  2
 16 pieces of Dutch linen  0,5  15
 2 pieces of damask  -  8
 Assorted merchandise (unspecified)
worth 9783 rixdollars
 97,5  17
Anmerkung 11

Bild 4, Vrouw Maria

In einem Schiffswrack dem die Forschen den Namne >Cable Wreck< gaben, es sank vermutlich 1650 vor dem Hafen Hanko/Finnland, wurden ebenfalls Tonpfeifen aus Gouda gefunden, sie wurden in den Jahren 1647 oder 1648 hergestellt.
Viele Schiffe gingen schon in heimatlichen niederländischen Gewässern verloren, ehe sie noch ihre Pfeifenfracht in den Handel bringen konnten, die tückische Zuider See und das Wattenmeer wurde ihnen zum Verhängnis. In vielen Wracks fanden Taucher die Überreste von unbenutzten Gouda Pfeifen, gekennzeichnet mit einem EB, die niemals einen neuen Besitzer fanden. Anmerkung 12

Bild 5, Aufbau einer Tonpfeife

1. Kopf
2. Hals
3. Stiel
4. Ferse
5. Mundstück
6. Innenmarke
7. Fersenmarke
8. Fersenseitenmarke

Auch bei den holländischen Tonpfeifen, namentlich denen aus Gouda, herrschte eine unglaublich Vielfalt an Verzierungen ornamentaler und figürlicher Art. Die Pfeifenköpfe waren teilweise mit Portraits berühmter Menschen versehen, andere wiederum mit Tierköpfen. Es gab sogar Pfeifen die wie die berühmten Staffordshirepfeifen ineinander verschlungene Stiele hatten, die oftmals wie Schnecken aufgerollt waren, diese Pfeifen nannte man >Serpentine<. Leider kann ich wegen ungeklärter Urheberrechte keine Abbildungen zeigen. Sorry!
Eine in Holland über lange Jahre hinweg sehr beliebte Pfeife war die >Gouwenaar<, sie soll so etwas wie die Standardpfeife gewesen sein.
Eine besondere Kunst war die Herstellung der sogenannten Durchraucher-Pfeifen (Doorroker): mit einer Kieselsäurelösung wurde vor dem Glasieren ein Bild auf den Pfeifenkopf gemalt. Dieses Bild, zuweilen recht anzüglich und frivol, wurde dann durch die Wärmeentwicklung beim Rauchen sichtbar, unbemalte Flächen wurden dunkel, die bemalten blieben hell. Offensichtlich waren solche Pfeifen ein ziemlich großer Renner, denn sie wurden in sehr großen Stückzahlen hergestellt.
Im Großen und Ganzen gab es aber keine wesendlichen Unterschiede zu den englischen Pfeifen, die Köpfe hatten ebenfalls die Neigung nach vorne, waren manchmal etwas schlanker und gefälliger als die englischen, auch die Länge der Stiele war denen von der Insel in etwa ähnlich. Darin zeigt sich wohl der Einfluss der eingewanderten englischen Pfeifenmacher.
Im Britischen Nationalmuseum werden drei unzerbrochene holländische Tonpfeifen aus dem späten 17. Jahrhundert aufbewahrt, sie stammen aus der Sammlung von Mr. Bragge. Ihre Stiele haben eine Länge von 31, 32 und 44 Zentimeter. Eine Pfeife trägt das Zeichen >Fleur de lys<.

>Dieses Zeichen das auf vielen alten holländischen Pfeifen zu sehen ist, hat wahrscheinlich nichts mit dem königlichen Wappen Frankreichs zu tun, sondern ist eine vereinfachte Darstellung der Tabakpflanze< Anmerkung 13

     

Bild 6, Fleur de Lys

Bild 7, Holland, spätes 17. Jahrh.

Bild 8,  Jacob Thoniszen, Gouda

Über die Herkunft des Pfeifentones gibt es allerdings unterschiedliche Aussagen: eine Quelle weist darauf hin, dass durch den Mangel an gutem einheimischen Material, der Ton aus England, Lüttich, Namur und aus dem Raum Köln importiert werden musste. Eine andere Quelle führt an, dass die Tone der Ijssel, die schon seit Alters her für Tonwaren verwendet wurden, für die Pfeifenherstellung verwendet wurden. Woher der Ton nun kam ist eigentlich zweitrangig: Tatsache war, dass dieses Material zu erstklassigen Pfeifen verarbeitet wurde. Anmerkung 14

Skelettfunde aus Rendsburg in Schleswig-Holstein lassen uns das Tonpfeifenrauchen aus einem anderen Blickwinkel erblicken: ich zitiere hier den kurzen Artikel im Wortlaut: "Maren Weidner aus Kiel berichtete über die Entdeckung von Skeletten in der Neustadt von Rendsburg, die offenbar in größter Eile und ohne Särge bestattet wurden. Zwischen den Knochenresten fanden sich zahlreiche Tonpfeifenfragmente, die zur Klärung und Datierung der ungewöhnlichen Bestattung herangezogen werden sollten. Die Vermutung, es handele sich um Seuchenopfer, bestätigte sich nicht, da die letzten Epidemien Rendsburg 1705 und 1711 heimsuchten, die Tonpfeifen aber überwiegend jüngeren Datums sind. Auch wenn durch die Analyse der Tonpfeifenfunde noch keine Erklärung für die Skelettansammlung gefunden werden konnte, so widerlegen sie doch die ursprüngliche Theorie. Indirekt geben sie einen wichtigen Hinweis für die - trotz der angestellten anthropologischen Untersuchungen bisher nicht mögliche - Datierung der Skelette, indem zahlreiche Gebisse eine deutliche Abrasion zeigen. Stets sind vier Zähne betroffen (Eckzahn und erster Backenzahn oben und unten), bei denen die Abrasion ein rundes Loch bildet, das durch den langjährigen Gebrauch von Tonpfeifen erklärt werden kann." Anmerkung 15

Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit litten diese Menschen unter ziemlich starken Zahnschmerzen, das Rauchen muss für sie eine regelrechte Qual gewesen sein.

Zum Abschluss sei noch von einige alten Bräuchen berichtet.

Hochzeitspfeife:
In Holland war es Sitte, dass ein verliebter und heiratswilliger Mann seiner Angebetenen eine schön geschmückte Tonpfeife mit der Bitte um Feuer überreichte, wurde ihm diese Bitte gewährt konnte er schon etwas Hoffnung schöpfen. Wenn sie ihm dann zum dritten Male die Pfeife anzündete, dann konnte das Fest schon so langsam gerichtet werden

Totenpfeife:
Bei der Totengilde in Bredstedt, die in Pestzeiten für ein würdiges Begräbnis der verstorbenen Mitglieder zu sorgen hatte, war es üblich, bei der jährlichen Versammlung Tonpfeifen zu rauchen und diese &SHY; wohl in Erinnerung an die Toten &SHY; dann zu zerschlagen. Anmerkung 16

Weckmann:
Aus Teig und jeder Menge Zutaten wird die Form eines Männchens hergestellt, eine kleine Tonpfeife wird dem Gebäckstück in die Arme gedrückt und dann kommt die Nascherei in den Backofen zum Backen. Es ist ein alter Brauch, der vornehmlich zur Nikolauszeit ausgeübt wird. Für Leser, die das Backen selber einmal versuchen wollen habe ich im Anhang ein Rezept eingefügt.

Die Schiffer und Kaufmannsgilden haben ebenfalls verschiedene Bräuche, bei denen nach alter Tradition aus langen Tonpfeifen geraucht wird, die berühmte Schaffermahlzeit in Bremen z.B. Im nächsten Teil, der sich mit den Tonpfeifen aus Deutschland befassen wird, ist dann davon die Rede.

 

Dank an Herrn Dr. Martin Kübler vom Arbeitskreis Tonpfeifen

Bildnachweis:

Bild 1 http://www.nypl.org/research/chss/spe/art/print/exhibits/drydrunk/counterb.htm
Bild 2, 3,6,7,8 http://www.heritage.nf.ca/avalon/artifacts/pipemarks.html
Bild 4 http://www.nba.fi/MUSEUMS/MARITIME/ahlsteng.htm
Bild 5 http://www.stadtarchaeologie-lueneburg.de/ausstell/rauchen2.htm

Verwendete Literatur und Internet Links: Siehe auch Teil 1

Liebaert/Maya "Die Welt der Pfeife" Auszug ab Seite 37

Fornleifarannsókn á lóðunum/Archaeological Excavations at Aðalstræti 14-18, 2001 H. M. Roberts (ed.)

An Annotated Bibliography of Selected Sources
on the Archeology of Old World Dutch Material Culture
in the 16th, 17th, and 18th Centuries
By Paul R. Huey
http://www.nysl.nysed.gov/edocs/parks/dutchbib.htm

http://www.stadtarchaeologie-lueneburg.de/ausstell/rauchen2.htm

Knasterkopf 13
http://www.knasterkopf.de/htm/h13.htm

Knasterkopf 11
http://www.knasterkopf.de/htm/h11.htm

Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit
http://www.dgamn.de/

Pipe Digest
http://www.pipes.org/BURST/FORMATTED/174.024.html

Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 9.1998
http://www.dgamn.de/

Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (SAM)
Bericht über die 24. Ordentliche Jahrestagung in Freiburg im Breisgau: Freitag/Samstag 30./31. Oktober 1998
http://www.dgamn.de/mbl/mbl10/10berich.htm

Anmerkungen:

Anmerkung 1
Egon Caesar Corti; Geschichte des Rauchens Seite 97

Anmerkung 2
derselbe Seite 98

Anmerkung 3
http://www.knasterkopf.de/htm/h13.htm

Anmerkung 4
http://www.knasterkopf.de/htm/akreis/erg.htm

Anmerkung 5
Bericht über die 16. Tagung
des Arbeitskreises zur Erforschung der Tonpfeifen vom 26. bis 28. April 2002 in Grimma
http://www.knasterkopf.de/htm/akreis/16ber.htm

Anmerkung 6
10. Treffen des Arbeitskreises zur Erforschung der Tonpfeifen in Hamburg-Harburg am 4. und 5. Mai 1996
http://www.knasterkopf.de/htm/h09.htm

Anmerkung 7
http://www.knasterkopf.de/htm/h02.htm

Anmerkung 8
Siel,
ein Durchlass in Deichen zur Entwässerung eingedeichter Niederungsgebiete (Polder); meist mit selbsttätig wirkender Verschlussvorrichtung bei Hochwasser am Außendeich.
© 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG
Als Siel wird in vielen Städten auch die unterirdische Kanalisation bezeichnet. Anmerkung vom Autor

Anmerkung 9
http://www.knasterkopf.de/htm/h03.htm

Anmerkung 10
http://www.knasterkopf.de/htm/h05.htm

Anmerkung 11
The Russian Empress and the Dutch snouw-ship Vrouw Maria
http://www.nba.fi/MUSEUMS/MARITIME/ahlsteng.htm

Anmerkung 12
http://www.nba.fi/INTERNAT/MoSS/bzn10_d.htm
Zitat: >Durch die Insel Texel war das Gebiet vor den Nordwestwinden geschützt und somit verhältnismäßig ruhig gelegen. Verhältnismäßig deshalb, da im Laufe der Jahrhunderte Tausende Schiffe durch Stürme trotzdem dort Schiffbruch erlitten. Als Beispiel sei hier der Sturm in der Weihnachtsnacht am 24. Dezember 1593 genannt, in der eine Flotte von ungefähr 150 Schiffen durch einen Südweststorm erfaßt wurden und durch den in nur wenigen Stunden 24 Schiffe sanken und 1050 Matrosen starben. Ein anderes Beispiel ist der Südweststurm vom 3. November 1638. In dieser Nacht sanken 35 Schiffe. Von 1576 bis 1790 sind mindestens 32 dieser schweren Stürme überliefert.<

Anmerkung 13
Alfred Dunhill; Das Pfeifenbuch Seite 205/206

Anmerkung 14
http://www.stadtarchaeologie-lueneburg.de/ausstell/rauchen2.htm
Liebaert/Maya "Die Welt der Pfeife" Seite 37

Anmerkung 15
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (SAM)
Bericht über die 24. Ordentliche Jahrestagung in Freiburg im Breisgau: Freitag/Samstag 30./31. Oktober 1998
www.dgamn.de/mbl/mbl10/10berich.htm

Anmerkung 16
Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 11. 2000
http://www.uni-tuebingen.de/uni/afg/mbl/mbl11/mib11.htm

Tudor
englisches Königshaus (1485 bis 1603), einem walisischen Geschlecht entstammend. Die Tudors kämpften in den Rosenkriegen aufseiten des Hauses Lancaster. Der erste Tudor auf dem englischen Thron, Heinrich VII., setzte seinen Thronanspruch im Kampf gegen Richard III. durch. Letzte Herrscherin aus dem Haus Tudor war Elisabeth I., nach deren Tod 1603 das schottischen Königshaus Stuart auf den Thron kam.
© 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG

Rezept für Weckmänner:
für ca. 15 Weckmänner
Zutaten:
2 kg Mehl
30 g Salz
250 g Zucker
200 g Margarine
100 g Hefe
1 l Milch
1 abgeriebene Zitrone
2 Eigelb
1 Pfeife
Rosinen für die Augen
Zubereitung:
Hefe, Zucker und Milch anrühren und 15 Minuten stehen lassen. Mehl in eine Schüssel sieben, in die Mitte die Hefe geben und an den Rand Salz, Zucker, Butter, Eigelb und Safran. Nun diese Zutaten von der Mitte aus mit der Hefe gut verrühren. Den Teig gehen lassen, dann ausrollen und "Weckmänner" ausschneiden. Diese auf ein gefettetes Backblech legen und mit verquirltem Eigelb bestreichen. Rosinen als Augen und Knöpfe eindrücken und eine Tonpfeife der Länge nach auf eine Seite des Weckmanns drücken. Die Figuren gehen lassen und dann bei 175°-200°C 15-18 Minuten hellbraun backen.