Der Bruyere-Farmer
Lothar Winands
Aus einer zufälligen Bekanntschaft
bei einer Fumada im ehrwürdigen Hotel Ritz in Barcelona
wurde eine sehr interessante Geschäftsbeziehung. Jean Pierre
schlug mich um einen Platz derzeit beim "Copa Barcelona"
und so kamen wir bei der Preis- verleihung ins Gespräch.
Schwer zu verstehen ist sein "Catala" da er ein Mann
der Berge ist und dort spricht man noch das Urkatalan. Doch er
erzählte mir von den Erica Aboreas und den herrlichen Knollen
die er aus der Erde gräbt. Früher dachte ich selbst
immer mal daran, mit der Hacke und Spaten so eine Wurzel auszugraben,
um mir daraus dann eine urige Pfeife bauen zu können.
Durch eine Diskussion mit Peter Fischer, dem Pfeifenbauer
in meiner Stadt Schaffhausen erfuhr ich von seinen Nöten
ganz besonders grosse Plateaus zu bekommen, da eine Firma bei
ihm zwei Pfeifen in Auftrag gegeben hat, die zu einem Jubiläum
einem Pfeifenraucher in diesem Betrieb überreicht werden
sollten. Er hatte die Masse per Skizzenzeichnung im Masstab 1:1
bekommen. Das waren wirklich Exemplare wie ich sie noch nie gesehen
habe. Holmdurchmesser von 32 mm, einen Kopf von 100 mm Höhe
und einem Durchmesser von 80 mm.
Da fiel mir mein Kollege Jean Pierre ein und fluchs machte ich
den Vorschlag für den Peter Fischer nach solchen Kanteln
zu suchen. Von Barcelona aus machte ich mich auf um in den Pyrenäenausläufern
nach dem Ort zu suchen wo mein Wettrauchgegner seine Firma hat.
Nach Verlassen der Autobahn empfing
mich eine besondere Landschaft, sie erinnerte mich schon ein
wenig an die Voralpen. Im Hintergrund die verschneiten Gebirgsspitzen
und im Tal eine absolut mediterrane Fauna. In Besalú musste
ich unwillkürlich anhalten, denn der mittelalterliche Städtebau
machte mich mehr als neugierig. Auf dem Dorfplatz tanzten sie
gerade die Sardana und ich fühlte mich sehr wohl bei der
Architektur, dem fröhlichen Treiben der Einwohner und der
einfühlsamen Musik, die von älteren Herren für
die Tänzer gespielt wurden. Hier lässt es sich auch
leben, kam mir unwillkürlich in den Sinn. Gerne wäre
ich länger geblieben, aber Peters Kanteln zwangen mich zum
Aufbruch.
Endlich erreichte ich sein Dorf
und er empfing mich mit grossem "Hallo". Klar, er lud
mich zum Essen ein und Ausschlagen ist da nicht drin. In einer
nahe gelegenen Bodega gab es das "Menué del Dia"
und jedem erklärte er dass ich der "Suizo" bin
und bei ihm Holz holen komme. Er erzählte vom "Copa
Barcelona" und wie er mich im Wettbewerb geschlagen hat.
Alle in dem Lokal lauschten ihm zu und freuten sich über
ihren Jean Pierre, der in der grossen Stadt sich international
im Wettstreit so tapfer geschlagen hat.
Zurück in seinem Betrieb,
den sein Onkel im Jahre 1892 gründete zeigte er mir seine
Schätze. Da sind hunderte an Wurzeln aufgetürmt in
einem Keller in dem das Wasser in einer moorigen Brühe steht.
Zugedeckt mit einer riesigen Militärplane bluten die Knollen
hier aus. Täglich zweimal werden sie mit Wasser bespritzt.
Hier lagern die Schätze viele Wochen bis sie dann zur Säge
gebracht werden.
Die Knollen haben ein Gewicht
von 8 bis 150 Kilogramm. Ab einem Alter von 12 Jahren können
die Sträucher geerntet werden. Die ältesten Knollen
sind so rund 40 Jahre alt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich Glück,
da gerade seine Mitarbeiter kamen und eine Tagesernte brachten.
Da lagen sie nun auf der Pritsche des Anhängers, die Hölzer
aus denen die Pfeifenraucher Träume sind.
Auf
meine Frage ob sie einen Minibagger hätten, lachten sie
und deuteten auf Ihre Armmuskeln. Eine halbe bis 1,5 Stunden
dauert es je nach Grösse und Lage bis die Knolle dem Boden
entnommen wird. Es ist ein Gewächs, das wohl in dem Klima
hervorragend gedeihen muss. Auf den meisten Knollen im Anhänger
konnte man deutlich schon wieder neue Sprösslinge erkennen.
Jean Pierre meinte: "Wenn Du willst, kannst Du damit deinen
Fussboden auslegen" und wenn es Dir immer noch nicht reicht,
säge ich Dir auch noch die Wandplatten.
Er führte mich dann in seinen
Sägeraum. Dort sind zwei ziemlich wilde Arbeitsplätze
wo die Sägeblätter aufrecht stehen und der Schutz durch
den Vortrieb der Knolle nach hinten gedrückt wird. Der niedere
Sitz dient zur besseren Führung des Schnittgutes, während
die Beine durch das Podest nach unten ausbaumeln, während
des Sägens.
Vor diesem Arbeitsgang werden die Wurzeln mittels eines Hammers
äusserlich von allen Steinen und Erdrückständen
befreit. Trotzdem sind in den Wurzeln immer noch Gesteinsrückstände
die das Sägeblatt ziemlich in Mitleidenschaft ziehen.
Stolz zeigt er mir darauf seine
Sägeblattschleifmaschine, die er bereits vor zwanzig Jahren
installiert hat. Das Teil schaut wirklich antiquiert aus, doch
er sagte, die modernen italienischen Betriebe, seine Kollegen
würden die Blätter noch mit der Hand schleifen. Er
hätte sich das bei seinen Besuchen in Italien öfter
angesehen. Dann zieht er eine seiner selbst gebauten Pfeifen
aus der Brusttasche seines Overalls und füllt sich das Gerät
mit einem Tabak der mir beim Entzünden einen Duft entgegen
bringt, der mich nun wirklich nicht vom Hocker reisst. Ein Aroma
- Tabak, der sofort seine ganze Firmenräume durchflutet.
"Me gusto mucho", meinte er, während es mich schauderte.
Ich zog meinen Strang Oxenfisl heraus, mein Messer und sofort
holte er mir ein wunderschönes Bruyere-Schneidebrett aus
seiner Kollektion. Er kommentierte: "Por las Professionals".
Wir kletterten dann in seinen
oberen Speicherräumen umher wo in Boxen Kantel über
Kantel lagern. Nach allen Grössen sortiert und natürlich
auch nach Reife, denn die Rohstücke für die zukünftige
Pfeifenfertigung müssen sehr gut austrocknen. Wie bei einem
Komposthaufen werden die Klötze ständig gewendet und
lagern je nach Qualität bis zu 4 Jahre dort ab. Damit sie
im Sommer keinen Schaden durch die Hitze nehmen, werden die grösseren
Stück abgedeckt und in ihrer natürlichen Feuchte einem
schonenden Trocknungsprozess zugeführt. Auf dem Bild ist
auch die Deckenkonstruktion zu sehen. Alles ist in offener Konstruktion
gebaut, damit die Luft zirkulieren kann.
Ein Coupeur geht nie in Ferien, das ist ähnlich einem
Landwirtschaftsbetrieb wo das Vieh jeden Tag versorgt werden
muss. So verhält es sich mit dem Holz. Im Sommer muss man
es gegen die übermässige Hitze schützen und im
Winter gegen den Frost und gegen eine luftige Lagerung, damit
sich die Schimmelbildung nicht in die Maserung hineinfrisst.
Dann brauchen die frischen Knollen täglich eine oder mehrere
Duschen. Zum Ausbluten muss dauernd benässt werden.
Damit das Oel und das Harz des Holzes den zukünftigen Rauchgenuss
nicht stört werden die Kanteln und Plateaus nach dem Schnitt
gekocht. Dazu ist bei Jean Pierre einen Art Zuber mit Feuerstelle
an seiner Werkstatt angebaut. Der Kessel hat ein Füllvolumen
von ca. 2 Kubikmetern und wird wie früher die Waschzuber
von unten mittels Holzabfällen geheizt.
14 Stunden brutzeln die Stücke
in der kochenden Brühe. Auf meine Frage wohin er die Sosse
im Anschluss hingiesse, schmunzelt er und meinte: La pregunta
es typico suizo, auf die Felder natürlich. Ich unterliess
es zu fragen ob dann da noch etwas wachsen würde im Anschluss.
Jean Pierre stellt auch Pfeifen und vorgebohrte Bruyereblöcke
für Selbstbauer her. Die Firma fertigte bis vor 40 Jahren
noch Serienpfeifen. In dem Betrieb waren einmal mehr als 20 Mitarbeiter
beschäftigt. Die alten per Bandantrieb betriebenen Fräsen
aus der Jahrhundertwende sind noch zu sehen und stolz zeigte
mir Jean Pierre, dass sie noch laufen.
Ein uralter Dieselmotor, der einen höllischen Lärm
macht, fördert die Energie dazu. Die Pfeifen denen sich
Jean Pierre widmet sind eher für Freaks, die absolute Einzelstücke
mit der Liebe zum Wurzelholz schätzen. Er strahlt über
das ganze Gesicht wenn er von seinem Holz spricht und was er
daraus schon alles gebaut hat.
Da
hängen Wanduhren, Spazierstöcke in deren Knauf der
Pfeifenkopf mit Bohrung eingearbeitet ist. Als Holm dient eine
flexible Tube wie bei einer Wasserpfeife.
Beim Copa Barcelona zeigte er
mir seine grösste Pfeife
Vor lauter Begeisterung um das Thema vergass ich fast meinen
ursprünglichen Auftrag die Kanteln für Peter in Schaffhausen
und einen anderen Pfeifenbauer in Süddeutschland der auch
noch überraschenderweise von meiner Einkaufstour höhrte.
Jean Pierre führte mich dann in die obersten Speicherräume
seiner Firma. Dort lagen sie nun fein säuberlich nach Grössen
getrennt, die edelsten Stücke für den anspruchsvollen
Pfeifenbau. Zum Teil bereits seit 20 Jahren gelagert zeigen diese
Plateaustücke bereits von aussen eine Maserung, die auch
mir als Laien aufzeigte wie die zukünftige Pfeife wohl aussehen
wird.
Peter Fischer und der Kollege aus Süddeutschland konnten
es gar nicht fassen was ich ihnen da lieferte. Für eine
kleine Ausstellung in Bern arbeitete Peter daraufhin so viel,
wie nicht oft in seinem Künstler - Leben und innerhalb eines
Tages rissen ihm die Kunden seine ganze Kollektion aus der Hand.
Er sagte mir, wegen dem Holz wären die Ausstellungsbesucher
so narrisch geworden, dass er bei einem Kunden noch drei Pfeifen
nachliefern musste. Die übergrossen Pfeifen bei dem Jubiläum
waren makellos. Peter sagte dass er das nie für möglich
gehalten hätte. Dem Jubilar, einem verdienten Angestellten
in dem Betrieb liefen Tränen der Rührung über
die Wangen als man ihm die beiden Pfeifen überreichte.
Eine wirklich tiefgehende Bekanntschaft
machte ich da und gerne bin ich bei Interessenten bereit, auch
"Handverlesen" von diesem Coupeur zu liefern. Seine
Stücke gehen in die Ganze Welt. Aber meist sind es Pfeifenfabriken,
die Serien herstellen und nicht unbedingt höchste Qualität
verlangen. Zufällig erfuhr ein Oesterreichischer Pfeifenbauer,
der gerade anfängt von meiner Bekanntschaft zu Jean Pierre
und so fuhr ich kürzlich wieder hin um auch diesem Pipero
etwas Anständiges zu liefern.
Die Faszination bleibt bestehen und die Partnerschaft wird wohl
weiter gehen als sich nur bei Fumadas im Wettstreit zu messen. |