Rom - Eine Reise in die ewige Stadt
aus der Sicht eines Pfeifenrauchers

Text und Fotos Hans-Jürgen Rieger

Da berufsbedingt bei mir die ansonsten üblichen arbeitsfreien Tage über Weihnachten und Neujahr bzw. Karneval in diesem Jahr ausfallen mussten, sollte das Pfingstwochenende stattdessen ein paar Tage länger andauern als normal. Ein Städtetrip in eine europäische Metropole bot sich förmlich an. Um möglichst flexibel zu sein und auch landschaftlich einiges Neue kennen zu lernen, wurde das Auto als Reisemittel und Rom als Zielort gewählt. Für den Hinweg wurde die „Schweizer“ Strecke durch den Gotthard-Tunnel über Como, Mailand, Bologna und durch die Toskana gewählt und für den Rückweg eine Route an der Adriaküste entlang über Pesaro und Venedig bis nach München.

Alleine in den Einzugsgebieten von Como, Mailand, Bologna und Pesaro fallen jedem Pfeifenfreak mit den Werkstätten von Ascorti bzw. Caminetto, Castello, Radice, Savinelli, Cavicchi und Mastro de Paja einige klangvolle Namen ein, die den Trip zu einer reinen Pfeifentour werden lassen könnten. Von Rom mit dem Atelier von Paolo Becker ganz zu schweigen. Weitere Recherchen ergaben als zusätzliche Besuchsmöglichkeiten die Adressen von Ardor, Bartoli, Brebbia, Don Carlos, Il Ceppo, Gigi, Le Nuvole, Ser Jacopo und Talamona. Trotz einer Entschädigung für meine Begleiterin in Form eines Zwischenstops auf dem Rückweg in Nördlingen, war mir bewusst, dass es schon aus zeitlicher Sicht nicht möglich sein würde, jede der auf dem Weg liegenden Werkstätten aufzusuchen.

Von zwei Bekannten bekam ich den Tipp, dass es sich besonders lohnen würde, das Museum von Alberto Paronelli in Gavirate am Lago di Varese zu besichtigen. Da dieses Museum nicht täglich geöffnet ist, meldete ich uns dort im Vorfeld für den 2. Tag unserer Reise telefonisch an. Einer der Söhne des Anfang 2005 verstorbenen Alberto Paronelli erklärte sich auch sofort bereit, uns durch das Museum zu führen. Am frühen Morgen ging es vom Hotel in Como los in Richtung Gavirate. Trotz Regen und Nebel war die Strecke durch die Hügellandschaft an der Schweizer Grenze entlang recht gut zu fahren. Als am Ortseingang von Gavirate an einem allein stehenden Haus eine überdimensionale Pfeife als Hinweis auf eine Pfeifenwerkstatt sichtbar war, musste ich natürlich anhalten, um zu fragen, ob wir auf dem richtigen Weg zum Museum von Paronelli waren ;-). Es stellte sich heraus, dass es sich um die Werkstatt von Ardor handelte, in der ich von Damiano Rovera sehr herzlich empfangen wurde. Nach einem kurzen Plausch, einer Besichtigung der zum Verkauf stehenden Pfeifen und sonstigen Gegenstände aus Holz ließ ich mir noch eine genaue Wegbeschreibung zum Museum geben und verabschiedete ich mich wieder. Auf dem kurzen Stück von Ardor bis Paronelli kommt man noch an der Werkstatt von Talamona vorbei, bei der jedoch kein Stopp eingelegt wurde.

Am Eingang des Museums wurden wir bereits von Antonio Paronelli und seiner Schwester erwartet und herzlich begrüßt. Da Antonio ganz hervorragend Deutsch spricht, wurde die Führung durch das Museum nicht nur zu einem optischen Erlebnis. Im Gegensatz zu den mir bekannten Ausstellungen über Pfeifenhistorie von W.Ø. Larsen in København, Peter Heinrichs in Niederaußem und Quaedvlieg in Euskirchen, verdient diese in Gavirate tatsächlich den Namen eines Museums. Von einer versteinerten Bruyere-Knolle angefangen, über alle möglichen Werkzeuge und Maschinen die früher und zum Teil wohl auch noch heute zur Herstellung von Pfeifen benutzt wurden bzw. werden, den Skizzen und Modellen vom Altmeister Paronelli bis hin zu einer kompletten Übersicht der Serienmodelle, Auftragsbücher und Stempel des früheren Massenherstellers Rossi sowie einem Großteil dessen Werkstatt- und Büroeinrichtung, bietet das Museum den interessierten Besuchern eine Vielzahl an Informationen rund um das Thema Pfeife. Hervorzuheben ist hier sicherlich die Vorrichtung zum Bohren bzw. Fräsen eines „gebogenen“ Rauchkanals. Antonio versteht es auch, mit vielen Anekdoten die Führung sehr lebendig zu gestalten. Interessant war auch zu erfahren, dass die bekannte Académie internationale de la pipe in Gavirate gegründet wurde und auch dort ihren Sitz hat. Zu dieser Gemeinschaft gehör(t)en neben dem Mitbegründer Alberto Paronelli weitere bekannte Namen aus der Pfeifenszene wie z.B. A-P. Bastien, J. Cole, R. Dunhill, R. C. Hacker, W. Hufnagel, W.Ø. Larsen, O. Pollner oder P. G. Müller.

Zum Abschluss der Führung überraschte Antonio mich dann noch mit der Aussage, dass sein Vater vor vielen Jahren als Italien-Importeur für Dunhill und Charatan zuständig war und dass aus dieser Zeit noch Restbestände vorhanden waren, die käuflich erworben werden konnten. Nach dem üblichen Auswahlverfahren blieben letztendlich eine Dunhill Collector, eine Charatan After Hours und eine Charatan Special in der engeren Wahl. Aufgrund der Form entschied ich mich für die folgende Charatan.

Die Preise für die Pfeifen liegen übrigens weit unter dem, was mittlerweile bei den bekannten Online-Auktionshäusern für gebrauchte Pfeifen gleicher Qualitätsstufen geboten wird.

Nachdem noch der übliche Eintrag ins Gästebuch des Museums erfolgte und Antonio mir noch die beiden ersten Ausgaben der Zeitschrift der Académie International de la pipe überreichte, verabschiedeten wir uns Richtung Autobahn um uns mit Zwischenstop und Übernachtung in Bologna auf den Weg nach Rom zu machen.

Für den Pfeifenraucher gibt es in Rom fünf wichtige Adressen. Die eine ist allerdings die Privatadresse eines bekannten Pfeifenenthusiasten und wird hier nicht bekannt gegeben. Ihm ist es zu verdanken, dass bereits im Vorfeld ein Kontakt zu Paolo Becker hergestellt wurde und dort die diesjährige, 2003 ins Leben gerufene und auf 2 Stück limitierte Essener Jahrespfeife in Auftrag gegeben werden konnte. Bei einem gemütlichen Abendessen am Ankunftstag konnte die außergewöhnliche Sammlung dieses Pfeifenfreaks bestaunt werden.

Empfehlenswert sind in Rom folgende Adressen, die alle sehr zentral und nicht weit von der bekannten Fontana di Trevi entfernt liegen:

Zunächst, weil recht einfach zu finden, ist der bei Zigarren- und Pfeifenrauchern gleichermaßen beliebte Laden von Fausto Fincato in der Via della Collona Antonia zu nennen. Fausto Fincato ist manchen sicherlich auch durch sein im Jahr 2000 für Brebbia´s Serie „Grandi designers della pipa“ entworfenes Pfeifenmodell bekannt. Der Laden in der Nähe des Palazzo Chigi wirkt sehr ordentlich und seriös, um nicht zu sagen steril und steif. Das Angebot an Tabak und Pfeifen ist sehr umfangreich und die Preisklasse dem bevorzugten Klientel entsprechend eher hochpreisig. Einen kurzen Besuch, und sei es nur um sich einige Pfeifen von Castello oder Radice anzusehen, ist der Laden von Fausto Fincato auf jeden Fall wert.

In der etwas unscheinbaren Seitengasse Via San Marcello befindet sich der Laden von Augusto Novelli. Anhand der Internetseite http://www.novelli.it/pipes.asp kann man sich ein sehr gutes Bild vom großartigen Angebot dieses Ladens machen. Allerdings wird aus seinem Online-Angebot nicht ersichtlich, dass Novelli die Vertriebsrechte an Castello für den amerikanischen Markt besitzt und eine große Anzahl an Pfeifen dieser italienischen Edelmarke vorrätig hat. Ein Besuch dort ist auch wegen der Fach- und Branchenkenntnis des Juniorchefs Marco sehr empfehlenswert. Auf einem kleinen Wandregal befinden sich außerdem einige recht schöne Pfeifen, deren Hersteller schon längst vom Markt verschwunden und nur Insidern noch ein Begriff sind. Die Köpfe der Hausmarke kommen übrigens aus der gleichen Werkstatt wie die Dunhill-Pfeifen. Die Ausführung der Mundstücke ist allerdings nicht mit der englischen Nobelmarke vergleichbar. Zu erwähnen ist noch der meiner Meinung nach interessante Handel mit hochwertigen oder seltenen Estate-Pfeifen. Bei Novelli und auch bei der folgenden Adresse ist es möglich, bei Kauf einer neuen Pfeifen eine gebrauchte Pfeife in Zahlung zu geben. Diese wird zu einem gewissen Prozentsatz des Listenpreises auf den Kauf der neuen Pfeife angerechnet. Die in Zahlung gegebenen Pfeifen werden aufgearbeitet und zu mehr oder weniger marktüblichen Preisen wieder verkauft. Marco Novelli ist bei diesem „Ankauf“ jedoch sehr wählerisch und vor allem nur an wirklichen Top-Stücken interessiert.

Keine 50 Meter vom Trevi Brunnen entfernt, befindet sich in der Via San Vincenzo der Laden und die Werkstatt von Becker & Musico. Bereits beim Blick durch das Schaufenster gewinnt man den Eindruck, dass man sich im Laden von Giorgio und Massimo Musico wohl fühlen muss. Einen Überblick über die Aufteilung des Geschäftes bekommt man auf der Homepage von Becker & Musico: http://www.beckermusico.com/en/home.html

links: Daniele Pace, rechts: G. Musico

 

Peter Hemmer

In der Auslage und in den Vitrinen im Innern des Ladens sind sehr schöne Pfeifen von Dunhill sowie einigen italienischen und dänischen Herstellern zu besichtigen. Auch hier findet ein ähnlicher Handel mit gebrauchten Pfeifen wie bei Novelli statt. Allerdings waren die mir gezeigten Estates längst nicht so hochwertig, wie die bei Novelli. Giorgio scheint also nicht ganz so wählerisch beim Ankauf zu sein.

Nachdem ich dem Senior gesagt hatte, dass ich mich eigentlich für Pfeifen seines Sohnes Massimo interessiere, wurden mir die Schubladen und Koffer mit entsprechendem Inhalt gezeigt. Nach ein paar Minuten stieß auch Massimo dazu und so entwickelte sich schnell ein sehr amüsanter Pfeifenplausch. Von Massimo und Giorgio erfuhr ich zu meiner Überraschung, dass das Ausscheiden von Paolo Becker durch einen jungen Pfeifenmacher kompensiert sei. Dieser 2. Macher der Becker & Musico´s neben Massimo Musico heißt Fabio Marchesi. Zu unterscheiden sind die Pfeifen dieser beiden Macher durch den jeweils gestempelten Anfangsbuchstaben des Vornamens. Während Fabio ein kleines f benutzt, sind die Pfeifen von Massimo durch ein M gekennzeichnet. Die Pfeifen werden aus zugekauften vorgedrehten Köpfen hergestellt. Daher sind die Pfeifen auch eher der klassischen Linie zugewandt. Von oben nach unten zwei typische Formen der alten Marke Becker & Musico und neuere Modelle der Marke Foundation by Musico aus dem Jahr 2006:

Ein Blick in die Werkstatt

Wieder zurück Richtung Fontana di Trevi und der ersten Seitengasse rechts folgend, stößt man auf die Via della Panetteria. Hier sind zwei Adressen zu nennen, die unbedingt aufgesucht werden sollten. Bei der einen handelt es sich um eine der besten Gelaterien der Stadt, was bei der Vielzahl an Eisdielen und –cafés in Rom schon etwas heißen will und bei der anderen um die Werkstatt und das Büro von Paolo Becker. Der Eingang hierzu liegt etwa auf der Hälfte einer ansteigenden Zufahrt zum Palazzo del Quirinale.

Paolo Becker

Zum Zeitpunkt meines Besuches war Paolo erst einige Tage wieder aus Chicago zurück. Da der aktuelle Inhaber der alljährlich in Los Angeles vergebenen Auszeichnung „Outstanding European Pipe Maker“ (seine Vorgänger waren u.a. Rainer Barbi, Tom Eltang, Tonni Nielsen und Jess Chonowitsch) dort sehr erfolgreich war, konnten nur sehr wenige fertige Pfeifen begutachtet werden. Ein Jahr später sah es nicht viel anders aus.

Zum Glück waren die beiden erwähnten Essener Jahrespfeifen bereits vor Chicago bestellt, sonst wären diese sicherlich ebenfalls dort verkauft worden. Neben diesen beiden Pfeifen habe ich mich dann noch für eine typische Becker-Pfeife entschieden. Die Form nennt sich Olifant und könnte auch als seine Signature-Pipe bezeichnet werden:

In Deutschland sind die Pfeifen von Paolo Becker merkwürdigerweise noch nicht sehr weit verbreitet. Begutachten und käuflich erwerben kann man sie u.a. bei Diehl in München. Allerdings ist auch eine Bestellung bei ihm direkt über seinen Online-Shop ( http://www.beckerpipes.com ) möglich. Aufgrund der hohen Verarbeitungsqualität und der äußerst gelungenen Verbindung von dänischem und italienischem Stil sind seine Pfeifen absolut empfehlenswert. Selbst bei Mundstücken aus Acryl wird der Biss dünner ausgeführt, als dies bei Pfeifen vieler anderer Hersteller mit Ebonit-Mundstücken der Fall ist. Erwähnenswert wäre auch noch die große Menge an sehr hochwertigem Bambus, welches Paolo für die Herstellung in seiner Werkstatt vorrätig hat.

Sicherlich mag es in Rom noch weitere Geschäfte für Pfeifenraucher geben. Da diese Stadt jedoch eine Vielzahl an Sehenswürdigkeiten zu bieten hat (und sei es nur der sich von den üblichen sphinxartigen Gestalten wohltuend abweichende Pantomime), sollte man sich auf die angegeben Adressen beschränken.

Colosseum

Forum Romanum

Laokoon

Pantomime