Die Reise nach Köln

Lothar Winands

 

 


Wie war zu Köln es doch vordem
mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn war man faul, man legte sich
hin auf die Bank und pflegte sich.

 

 


Da kamen bei Nacht,
eh man`s gedacht,
die Männlein und schwärmten
und klappten und lärmten
und rupften und zupften
und hüpften und trabten
und putzten und schabten,
und eh ein Faulpelz noch erwacht,
war all sein Tagewerk bereits gemacht!

 

 

Kommt man als Fremder nach Köln, wird man nicht all zu lange brauchen, um zu spüren, dass sich in dieser Stadt vieles ereignet, das wohl nur auf die Hilfe dieser Heinzelmännchen zurück geführt werden kann. Lebte ich in den Jahren 66 - 68 in dieser Stadt und kannte jede Gasse, so schwierig ist es heute für mich auf den Pfaden meiner Jugendjahre zu wandeln. Hier wurde Stadtmodernisierung betrieben, wie man es sicher in dieser Konsequenz selten findet. Aber um es vorweg zu nehmen, ich fand trotzdem wieder alle Plätze Orte und die meisten Kneipen meines Wirkens in den 60iger Jahren wieder.

Die Anreise mit dem Zug ist bereits eine Augenweide. Führte die Fahrt zuerst durch den Schwarzwald mit den sichtbaren Schneeresten des Winters, so zeigt sich im Anschluss die fruchtbare Rheinebene mit blühenden Obstbäumen die dann in die sagenumwobenen Schluchten des mächtigen Rheintals übergehen. Vorbei an der Loreley rattert der Zug mit hohem Tempo der Domstadt entgegen. Nach der Ankunft in den Colonaden zuerst einmal gestärkt steht man sofort vor dem mächtigen Bauwerk des Kölner Doms. Als Pfeifenraucher führt der Weg zuerst an der Feuerzeugzentrale gegenüber dem Dom vorbei wo etliche schöne Teile bereits im Schaufenster dem Betrachter ins Auge stechen. Dann aber ist es ein Muss direkt durch die Hohe Strasse, dann weiter die Schildergasse entlang zum Neumarkt zu laufen um dann in Richtung Rudolfplatz rechts in der Hahnenstrasse das Haus der 10 000 Pfeife von Peter Heinrichs aufzusuchen.

Hier geht es zu wie auf der Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge. Ein hektisches rein und raus von Kunden die schnell ein paar Zigarren aus dem grossen begehbaren Humidor kaufen, den Laufkunden für Zigaretten und Tabaktins und einer dritten Gruppe von Besuchern, die sich vor den Vitrinen aufgebaut haben um das Design jeder einzelnen Tabakpfeife zu bewundern.

Im ersten Stock geht das dann weiter und ich muss zugeben, dass ich bei der Masse und der Klasse der Pfeifen überwältigt war. Es gibt fast keinen namhaften europäischen Pfeifenhersteller dessen Erzeugnisse nicht in den Vitrinen und Schränken zu finden sind.

 

 

Es gibt ein paar Tabak - Kollegen, die in der Nähe von Köln wohnen und sich in dem riesigen Sortiment so gut auskennen dass man den Eindruck gewinnt, sie müssten wohl hier arbeiten. So sind die Treffen in der Hahnenstrasse bereits fester Bestandteil am Wochenende und werden durch einen anschliessenden Stammtisch noch vertieft. Kommt dann so ein Gringo wie ich aus dem fernen Süden dazu, dann gibt es ein grosses Hallo und eine ordentliche Sause im Anschluss.

 

 

 

Der wilde Helmut aus Ingolstadt war auch wieder da. Er wird gut daran tun, vor seinem nächsten Köln Besuch seinen "Pfeifen Zampel" baldigst gegen einen Reinhold Messner Rucksack zu tauschen, um seine Teile zu transportieren. Der gierige Jörg aus Ulm setzte mit seinen Investition neue Massstäbe und war bald darauf rechtschaffen müde, da das Feilschen mit Peter Heinrichs durchaus auch anstrengend sein kann.

 

 

 

 

Das Pfeifengeschäft Heinrichs hat in einem Dorf, ca. 30 Kilometer ausserhalb Kölns noch eine Filiale. Als Museum firmiert das "Chateau Henry" in Niederaussem und hat dadurch auch am Sonntag geöffnet. Hier trifft sich dann die Schar der Tabakfreunde Woche für Woche. Da P. Heinrichs vom Papst in Rom eine Audienz bekam und sicher auch gesegnet wurde, kann man auf den sonntäglichen Kirchbesuch verzichten und bekommt dafür Eingebungen besonderer Art.

 

 

 

Hier trafen sie nun alle ein, die bereits am Vortag in Köln Träume Wirklichkeit werden liessen. Die Mannen aus dem wilden Osten waren mit ihren Frauen da, die aufmerksam das Geschehen beobachteten und um natürlich auch auf die Haushaltskasse zu achten.

 

 

 

 

 

Der wilde Günther knatterte aus Wuppertal mit dem Motorrad an und der smarte Heiko aus Leipzig saugte laufend Kondensat aus seiner Pfeife ab, da er vor lauter Aufregung immer hektischer zog. Klaus erzählte mir von seinen Träumen endlich eine Vauen Zeppelin so umzugestalten, dass sie auch funktioniert. Helmut stopfte laufend den Zampel um weiteren Stauraum zu schaffen während Manfred über allem Regie führte und darauf achtete, dass seine Lieblingsstücke in dem Riesensortiment nicht gefunden werden.
Hier in Niederaussem ist es am Sonntag paradiesisch. Die Mitarbeiter schenken Kaffee aus und an Kuchen und Torten gibt es reichlich. Kein Besucher verlässt das Museum ohne Einkaufstüte.

Es gibt dann in Köln jedoch auch einiges das dem Besucher nicht verborgen bleiben sollte. Neben Spitzengastronomie erlebt man Kölner Frohsinn und Gemütlichkeit am besten in den Brauereigasthöfen. Von denen gibt es reichlich in der Altstadt. Mein Weg führte mich direkt zu Päffgen in die Friesenstrasse wo mir der Köbes sofort entgegenkam und mich begrüsste so als würde er mich schon ewig kennen.

Die Speisekarte gibt dann auch ein wenig Auskunft über Kölner Biertradition. So wird dort seit dem 9. Jahrhundert Bier gebraut. Das Brauhaus Päffgen besteht seit über hundert Jahren. Früher waren die Brauer tagsüber mit der Produktion beschäftigt und am Abend fungierten sie als Zappes oder Köbesse im Brauhaus. Die Herren tragen alle eine Schürzen-Uniform und eine eigenartiges Gefäss mit vielen Oeffnungen für die Kölschgläser in der Hand.

 

Dies drehen sie geschickt unter dem laufenden Hahn des Holz-Bierfasses und füllen so in einem Zapfvorgang bis zu zwanzig Gläser. So ein Köbes ist ein "Original". Etwas herb vielleicht, doch er weiss immer einen Witz und versprüht Kölner Fröhlichkeit. Frauen sieht man keine als Bedienungspersonal, hier ist Küche und Zapfstelle fest in männlicher Hand.

 

 

 

 

 

Die Bierfässer nennt man Pittermännchen, da in früheren Zeiten es wohl Sitte war, sich an dem Feiertag "Peter & Paul" (29.Juni) mit einem Pittermännchen zu Hause zu laben. Schade eigentlich dass es den Feiertag nicht mehr gibt. Die Speisekarte vermerkt auch einige eigenartige Gerichte doch man kann durchaus in Unkenntnis solcher "Kölner Fachbegriffe" alles bestellen, es schmeckt ausnehmend gut und ist von vorzüglicher Qualität. Man hält es lange aus in den Kölner Brauhäusern und die Geschwindigkeit der Köbesse tut ein übriges damit der Becher nie leer wird.

 

 

 

Eine weitere Institution ist "Papa Joes Jazzlokal" am Buttermarkt. Hier spielen Live Bands bereits am Sonntag Vormittag zum Frühschoppen. Ueberall stehen Behälter mit Erdnüssen und das Publikum besteht in der Regel aus fröhlichen Stammgästen. Drei Damen aus dem Umland gesellten sich zu mir und erzählten mir dass sie von Düren und von Niederaussem seien und regelmässig zu Papa Joe kommen würden. Ich erzählte ihnen dann von den Pfeifenausflügen zu Heinrichs und sie kugelten sich vor Lachen.

Um die Ecke dann hat dieses Lokal eine Dependance die auch schon 25 Jahre existiert. Papa Joes Klimperkasten. Andrea Eckert führt hier seit 20 Jahren diese urgemütliche Bistro Bar. Neben Piano Musik und Kabarett treten hier diverse Künstler des Chansons auf.

 

 

 

Es wurde spät an diesem Sonntagabend, aber richtig eingestellt, wird man in dieser Stadt auch nicht müde. Zum Frühstück empfiehlt sich eine weitere Kölner Institution. Das ist das Brauhaus "Früh am Dom". Eine spezielle Frühstückskarte verwöhnt einem mit herzhaften Speisen, zu denen man durchaus auch schon am Morgen ein Kölsch trinken kann. Ueberhaupt ist dieses Bier sehr bekömmlich und nach langer Nacht brummt auch der Kopf nicht davon.

Stark ist auch ein Besuch im Kaufhof in der Lebensmittelabteilung im Untergeschoss. An den vielen bunten Ständen vorbei schlendernd bekommt der Besucher automatisch Appetit und kann sich an einigen Bars innerhalb der Verkaufsflächen mit Köstlichkeiten verwöhnen lassen.

 

 

 

 

Ein kultureller Höhepunkt ist die Museumsinsel am Dom. Dort hat man bei Ausgrabungen grossartige archäologische Funde aus der Römerzeit gemacht. Dies war der Anlass für die Planung und den Bau des Wallraff Richarz Museums. An den original Fundorten vorbei findet der Besucher eine solch herrliche Sammlung an Goldschmuck, Bodenmosaiken und reich verzierten Gegenständen aus einer untergegangenen Zeit. Kaum vorstellbar, dass es vor 2000 Jahren eine solch hohe Kultur bereits hier am Rhein gegeben hat. Gegenüber ist das Ludwig Museum welches eine weltbekannte Sammlung moderner Kunst beherbergt.

Vieles in dieser Stadt erinnert aber auch an eine schwere Zeit. Ich lief durch eine Strasse wo vor fast jedem Haus im Bürgersteig eine Metallplatte mit Namen derer eingelassen war, die deportiert wurden und nicht mehr zurück kamen.

Ein wenig wehmütig besteige ich nach den ereignisreichen Tagen den Zug . Ich zünde mir eine Pfeife an und schaue aus dem Abteilfenster und sehe noch lange das Wahrzeichen der Stadt, den herrlichen Dom zu Köln.