Die verfemten Pfeifen

Lothar Winands

 

Schon lange hatte ich mir vorgenommen bei meinen Rauchgeräten Ordnung und möglicherweise auch einen Überblick zu schaffen. Verstreut in mehreren Schubladen, Regalen und Schränken führten sie ein unwürdiges Dasein. Ich befand, dass all diese Pfeifen, die mir vor vielen Jahren mal etwas bedeutet haben, wieder ihrem Zweck zurück zu führen seien.

Viele dieser Rauchgeräte sind Trophäen und Wettbewerbspfeifen aus den 80iger Jahren und wurden grossenteils nur anlässlich solch einer Veranstaltungen einmal geraucht. In anderen Pfeifen ist ein Meerschaumeinsatz eingebaut und auch diese ruhten so vor sich hin, wohl mit dem Misstrauen gegenüber dieser Materialmischung. Weitere Rauchgeräte erwarb ich als Souvenir auf Reisen in fremde Länder. Dann sind da noch einige Pfeifen die ich als Geschenk von befreundeten Piperos bekam, die sich ihr eigenes Design fertigen liessen, um selbst eine Serie am Markt zu haben.

Die aufgebrachten Gravierungen sind von all möglichen Wettbewerbsorten. Eine Pfeife zeigt neben der auffälligen Rustizierung den Stempel Mallorca 89, 10. Championat d`Espana. Die Pfeife wurde von Joan Bonet derzeit in seiner kleinen Werkstatt auf Mallorca gefertigt. Viel Mühe hat er wohl verwendet denn er fräste auf jede Pfeife die Inselgruppe der Balearen auf. Sein Signet auf dem Mundstück zeigt dann auch die Umrisse der grössten Insel der Balearen.

Im Frühjahr hatte ich mir in den Kellerräumen eine Ecke mit Doppelschleifbock und den entsprechenden Reinigungs- und Polierscheiben eingerichtet, um diesen Pfeifen irgendwann mal ein würdiges Aussehen zu verleihen. Der "Gilb" hatte hier meist gute Arbeit geleistet, denn die Mundstücke sahen elendiglich aus. Die Köpfe waren ohne Glanz und manche der Pfeifen zeigten auch durch die Nutzung in meinen Jugendjahren Klopfspuren am Kopfrand. Es war damals "in" die Pfeife am Schuhabsatz auszuklopfen. Man trug Schuhe mit Toreroabsätzen in dieser Zeit, auf denen ein kleines Tritteisen aufgebracht war. Das verhinderte den frühzeitigen Verschleiss des Absatzes und klapperte schön wenn man im Django-Wiegeschritt über das Pflaster stolzierte. Beim Ausklopfen der Pfeife hinterliess das dann auch seine Spuren am Kopfrand. Wir fanden das in jener Zeit schick, denn John Wayne hatte ja auch Kerben auf dem Colt.

Diese Erinnerungen gingen mir durch den Kopf während ich diese vielen verschiedenen Pfeifen in die Hand nahm. Jede einzelne könnte sicher eine spezielle Geschichte über das Zeitgeschehen erzählen und vor allem was für seltsame Tabak-Kräuter darin abgebrannt wurden. "Kansas" war so ein besonders intensiv riechender Tabak, und der Werbespruch: "Drei Dinge braucht der Mann; Feuer, Pfeife Stanwell" hing in jedem Kiosk oder Tabakstube. Ein Renner waren auch die scharfkantigen Dosen eines "Prince Albert"-Tabakes. Die Schnittwunden an den Fingern von Kollegen deuteten klar darauf hin, dass dieser Tabak damals wieder einen Liebhaber gefunden hatte.

Dann auch die vielen Pfeifen von Langsamrauchwettbewerben, die oft einer besonderen Belastung ausgesetzt Dann auch die vielen Pfeifen von Langsamrauchwettbewerben, die oft einer besonderen Belastung ausgesetzt waren weil sie ja mit Blick auf einen möglichen Sieg, ohne Beachtung irgend welcher Einrauchgesetze, bis zum letzten Krümel geraucht wurden. Wenn dann auch das Holz schon kokelte, dann war man aber immer noch in der Wertung. Insgeheim dachte ich mir dass die Pfeifen eigentlich so schlecht gar nicht sein können wenn sie diese Tortouren mitgemacht haben.

So beschloss ich alle wenigstens mal gründlich zu reinigen und dem Outfit mit meinen neu erworbenen Gerätschaften, Reinigungstinkturen und Wachs - Pasten zu Leibe zu rücken. Über Wochen nahm ich immer wieder welche zum "Weinholen" mit in den Keller um sie dann nach der Bearbeitung glänzend wie Speckschwarten wieder in die Schubladen zu verräumen.

Ein Pfeifenraucher-Kollege hatte mir im Sommer ein Dunhill-Reinigungstuch geschenkt. Dieses leistet gute Dienste wenn nach dem Rauchen die Pfeife nach dem dauernden Anfassen am Kopf etwas matt geworden ist. Mit den zweifarbigen Seiten des Tuches bekommt man die Nachpolitur wieder sehr gut hin. Durch Zufall fiel mir auf dass es sich hier um ein engmaschiges Microfaser-Tuch handelt und solche kleinen Lappen benutze ich ja auch für die Reinigung der Brille. Was für die Brille gut ist, funktioniert sicher auch bei der Pfeife und der Versuch gab mir Recht. Im Handel erwarb ich dann solche Tücher für den Haushalt. Eines benetzte ich ganz leicht mit einem biologischen Reinigungs-Polierwachs und so schauen meine Pfeifen nun nach Gebrauch nach der leichten Handpolitur immer ganz appetitlich aus.

Jetzt sollen die alten Schätze wieder in Gang kommen und ich beschloss, der Reihe nach alle Pfeifen wieder in den täglichen Kreislauf mit einzuschliessen. Jeden Morgen stelle ich jetzt die Tagesration an Pfeifen auf einem Pfeifenständer auf und rauche sie der Reihe nach. Ziemlich mühsam ist der Prozess schon, da jede irgendwie wieder eingeraucht werden muss. Zwei bis drei Füllungen brauchen sie im Regelfall bis sie wieder "wollen". Zum Teil schmecken sie noch nach sehr fremden Tabaksorten die in ihnen geraucht worden sind. Die Dickwandigen brauchen länger empfinde ich, weil vermutlich die Diffussion nicht so schnell in Gang kommt. Die Dünnwandigen schwitzen schneller und setzen das Aroma dann auch gleich effizient um. Nachdem ich nun die verfemten "Schätze" einige Male bereits umgewälzt habe, indem ich sie liebevoll mit extra gutem Tabak und schön gleichmässig rauchte, beschloss ich ihnen ein neues Zuhause in Form einer Glasvitrine zukommen zu lassen.

15. Dezember 2002