Sandgestrahlte. Zweite Wahl?
WA: "Sandgestrahlte Pfeifen sind billiger als vergleichbare glatte shapes. Logisch, werden doch nur Köpfe mit nicht kittbaren Fehlerstellen gestrahlt. So oder ähnlich denken viele Pfeifenraucher. Zu recht?" RB: " Das ist abhängig von dem Standard des
Herstellers. Im Prinzip lässt sich nahezu alles Kitten oder besser
ausgedrückt
: füllen
und als glatt verarbeiten. Denken wir daran, es gibt Hersteller, in
deren Produkten fast 50 % Füllstoff enthalten ist. Wir wollen keine
Namen nennen. Aber der eine oder andere hat nach längerem Gebrauch
seines Lieblings schon mal das blaue Wunder erlebt. Den Begriff Füllstoff
verwenden wir aus einem ganz speziellen Grund: es muss ja nicht immer
ein Epoxy-Mineral-Gemenge sein. Ich kenne auch jemanden aus der Freehand-Gruppe,
der kleine Bruyere -Späne
verleimt. Einmal hat er allerdings nicht auf den Maserungsverlauf geachtet,
da stand dann der geflockte Straight quer zum allgemeinen Grain. WA: "Im Bereich der Serienpfeife kosten sandgestrahlte Modelle einiges weniger als ihre carnaubapolierten Schwestern. Tritt bei der Herstellung ein nicht retuschierbarer Fehler im Holz zu Tage, kommt das Stück in den Hochdruck-Sandhagel, um es noch einigermaßen vernünftig vermarkten zu können. Für den Einsteiger eine preiswerte Alternative und günstige Gelegenheit eine Pfeife eines fremden Herstellers zu probieren?" RB: "Der Grund liegt nicht allein in der „vernünftigen Vermarktung“, Sand-Waren werden immer mit Verlust gefahren. Das Problem ist die Unkalkulierbarkeit des Rohstoffes Bruyere. Natürlich könnte jeder Hersteller sich auf die Erstellung glatter Ware beschränken. Dann allerdings müsste er die nicht für glatt zu verarbeitenden Produkte in die Kalkulation einfließen lassen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass ca. 85 % des Rohmaterials nach Ausformung des Kopfes Fehlerquoten in der Relation: 10 % bis vier Fehler klein, der Rest von 1 bis fünf Fehler groß aufweisen, von denen dann mehr als 50 % nur Füllstoffanteile von über 40 % zulassen, würde es bedeuten, dass der Hersteller ca. 50 % der Material- und bis dahin entstandenen Produktionskosten auf die Glattware umlegen müsste. Dann würden sich serielle Produkte im Preislevel einer Semi-Freehand bewegen. Sprich ab 200 € aufwärts. Um also das ganze Produktvolumen in einem marktadäquaten Preislevel offerieren zu können, bleibt gar nichts anderes übrig, als zu strahlen oder zu rustizieren. WA: "Doch wie sieht es im Bereich der freehands aus? Natürlich sind auch hier die Sandgestrahlten preiswerter als die Glatten. Aber, und das scheint mir der wichtigste Unterschied zu den Serien zu sein, wird die Entscheidung, das Stück zu sandstrahlen, später gefällt. Durch die Tatsache, das im Bereich der Einzelstücke Kitt keine Verwendung findet, gibt es nur noch eine Möglichkeit, aus einem fehlerhaften Kopf eine glatte Pfeife herzustellen: die Änderung der Form. Geht auch dies nicht mehr, muss gestrahlt werden um wenigstens einen Teil der aufgewendeten Arbeit vergütet zu bekommen." RB: "Serie entscheidet die Qualitätsstufen durch Sortierung
nach der Rohformerstellung. Dementsprechend ergeben sich spezifische Qualitätsgruppierungen,
die individuell den notwendigen Arbeitsabläufen unterzogen werden.
Einzelstückmacher haben ein ganz anderes Motiv. Natürlich
stellen auch sie Rauchinstrumente her. Aber nicht im ursprünglichen
Sinne. Sie haben sich dem Sujet Pfeife verschrieben, fast immer, weil
sie auch einmal Pfeife geraucht haben. So ranken sie um die Nutzanwendung
diese Objektes ihre Interpretation. Das war ein kurzer Ausflug in die Grundbedingungen des Freehanders. Der Einzelstück-Macher versucht also stetig durch Formveränderung und Koordination mit Natur eine Rarität zu erzielen. Scheitert das, wird gefüllt und gestrahlt. Natürlich könnte jetzt argumentiert werden, das Einzelstücke doch ihre Preise über die Rarität des Grains oder der Fehlerquote erzielen. Aber genau das ist der Irrtum. Einzelstücke haben zwar im Regelfall die ultimative Verarbeitung. Und natürlich entsprechen sie den Bedingungen der Rarität. Jedenfalls ein Teil von Ihnen. Aber in erster Linie sind sie Sprachrohr und Spiegel der Fähigkeiten des Machers. In diesem Verbund Material, Rarität und Perfektion der Verarbeitung schafft der Macher seine eigene Seelenperformance. Da jedoch bis zur Jetztzeit die Pfeife als Gebrauchsgegenstand definiert wird, (der Wandel findet erst langsam in den Kreationen verstorbener Pfeifenmacher wie Sixten statt) ist auch der Kreative den Zwängen des Marktes unterworfen. Er wird für seine Arbeit nicht einmal wie eine Kfz-Reparaturwerkstatt honoriert. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als Kompromisse zu schließen und das bedeutet für ihn auch kommerzielles Gut zuzulassen. Allerdings wird er eines nicht erwägen, sich den ökonomischen Bedingungen der Serie oder der Semi-Freehand zu unterwerfen. Somit sind seine Werke auch im Sinne der Rarität höchstens geringfügig gefüllt. Aber ohne das kann er nicht kalkulieren. Wie auch, wenn der Highend-Kunde nicht in der Lage ist, den realen Erstellungskostensatz für glatte Performance zu bezahlen. Ein Prinzip gilt aber für alle: schwarze oder schwarz kontrastierte Pfeifen haben mehr oder weniger Füllstoff. Lediglich die Tanshell-Gruppe ist füllstofffrei. Bei diesen waren nur größere Spots oder Mikrorisse Ursache für eine Strahlung. Sandstrahlung ist immer ein Zusatzgeschäft und der Macher ist froh, wenn er wenigstens seinen Rohstoff- Einsatz wieder heraus bekommt. Seine Arbeitsleistung ist eh verloren. WA: "Doch kann es in diesem Segment nicht sogar so sein, das die zerfklüftete Oberfläche eine eigenständige Pfeife entstehen lässt? Ein Modell, dessen Maserung nun dreidimensional dem Betrachter nicht nur optisch sondern auch haptisch immer wieder neue Eindrücke beschert?" RB: "Theoretisch kann natürlich Strahlung auch ein künstlerisches Mittel der Ausdrucks-Performance sein. Und wenn wir manche Oberflächen der gestaltenden Kunst betrachten, ist Kreation und gestalterisches Element in direkter Kohärenz. Das allerdings würde bedeuten, das das Objekt Pfeife nicht mehr unter der Raritäten- und Nutzungs-Definition betrachtet wird. Und damit würde auch Sandstrahlung im nichtkommerziellen Spektrum der Einzelstücke eine neue preisliche Definition erhalten. Immer unter der Maßgabe, das Pfeifen der Einzelstück-Performance einen neuen künstlerischen Stellenwert erhalten; ich höre schon die Aufschreie der Kunstexperten und derjenigen, die es im Schweiße ihres Angesichtes versucht haben zu studieren, im Moment ist Strahlung noch Hilflosigkeit und Schrei nach ökonomischer Überlebensorientierung. Wenn eine neue Definition des Einzelstückes Bahn bricht, wird Strahlung auch Mittel des Ausdruckes sein können. Bis jetzt allerdings limitieren es die Betrachter, die diese Art der kreativen Selbstbefindlichkeit nur dem Gebrauchsdesign unterordnen. Damit dominieren zur Jetztzeit lediglich Nutzeraspekte. Ad eins eine unempfindliche Oberfläche, die auch eine nicht so pflegliche Behandlung gelassen erträgt und ad zwei eine imaginäre physikalische Bedingung in Form einer Vergrößerung der wärmeabführenden Oberfläche. Durch Sandstrahlen erziele ich mehr als eine Verdoppelung. Das allerdings ist mehr die physikalische Theorie. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass eine Temperatur der Fläche von mehr als 50° schon als heiß empfunden wird und der menschliche Körper auch an der Handinnenseite bereits 37° aufweist, dürfte der Effekt zu vernachlässigen sein." WA: "Sehen wir uns kurz die Technik des Sandstrahlens an." RB: "Für das Strahlen von Pfeifen kommen verschiedene
Systeme in Frage. Erstens das manuelle Strahlen mit zwei Versionen: dem
Injektor- und dem Drucksystem. Ersteres zieht durch Vakuum das Strahlmittel
aus dem Vorratsbehälter,
zweites System presst mittels Druck das Strahlmittel heraus. In der Praxis
bedeutet es, das Injektion einen wesentlich höheren Druck und damit
einen 3 x so teuren Kompressor benötigt. Eine Druckanlage kommt
bei gleicher Granulatbeschleunigung mit minimierten Drücken aus. Allerdings
ist diese Anlage doppelt so teuer wie ein Injektor-System. Für
den Injektor spricht, dass sich Granulatmenge und Geschwindigkeit feiner
regulieren lassen und damit eine qualitativ höherwertige Oberfläche
entstehen kann. WA: "Entscheidend beim Sandstrahlen ist sicherlich auch das verwendete Korn, die Dauer und die Intensität, bzw. der Luftdruck." RB: " Und vergiss mal nicht denjenigen, der strahlt. Siehe Stanwell. Da sind zwei mit Strahlen beschäftigt, der Eine arbeitet besser und der Andere schlechter. Das ist am fertigen Produkt deutlich erkennbar. Ich kenne dänische Einzelstückmacher, die haben nur noch gequiekt, wenn sie die undefinierte Struktur eines ansonsten perfekt gestylten Objektes zurück bekommen haben. Heutzutage haben auch sie sich entschieden zu zwar teureren, aber dafür auch erfahreneren Strahlern zu wechseln." Druckkabine und Granulat WA: "Oft ist es ja auch so, das der Pfeifenmacher das Strahlen selbst in die Hand nimmt und dadurch frei bestimmen kann, wie tief die Maserung wird und wieviel Holz „weggeschossen“ wird." RB: "Bei Einzelstücken werden auch Tricks
angewandt, z.B. vorheriges Wässern, um die Zellstrukturen zu öffnen
und weicher zu machen. Auch vorhergehendes Ölen kann Effekte erzielen.
Oder Wasserdampf. Manche strahlen auch zwei- oder dreimal und wässern
zwischendurch. Ein entscheidender Faktor ist auch die Düsengröße,
die Granulatkörnung und der Druck. Nebenbei bemerkt auch das Material.
Wir haben Möglichkeiten ausgehend von Glasperlen über Metalle
bis zur Gruppe der Korunde. Grundsätzlich aber sind dem Strahler
Grenzen gesetzt und die richten sich nach der Härte der Zellstrukturen.
Entfernen kann er im Prinzip nur das weichere und grobporige Füllmaterial.
Das geht aber entsprechend dessen individueller Härte auch nur bis
zu einem gewissen Grad. Ist die verhältnismäßige Differenztiefe
zwischen Füll- und Strukturholz erreicht und im gleichen Verhältnis
zwischen Früh- und Spätholz (Ringgrain), findet nur noch eine
Deformierung des gesamten Objektes statt. Und vielleicht zum Abschluss noch eines, die aufzuwendenden Arbeitszeiten für eine Sandgestrahlte sind die gleichen wie für Glatt, jedenfalls beim Eintonverfahren (schwarz oder Tan) und anschließender Lackierung. Sandstrahloberflächen im Kontrastverfahren und traditioneller Ausführung (Mattine und Wachspolitur) benötigen dagegen mehr Zeit. Und da kommt bei mir doch nur eine abschließende Frage auf: was will ich denn eigentlich haben? Will ich die Rarität, die Performance des Machers, das Ultimative seiner Fähigkeiten im Verbund mit der Rarität oder will ich seine Inspiration begleitet von seinen ökonomischen Bedingungen, die mir ein Kunstwerk seiner inspirativen Fähigkeiten unter der Auflage seiner Überlebenszwänge zu einem unschlagbaren Preis offerieren? Wenn Ich denn richtiger Pfeifenraucher wäre, fiele mir die Antwort weiß Gott nicht schwer. Aber ich bin nur Macher."
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