Die Seele der Pfeife

Willi Albrecht

Unser Stammbesucher Rainer R. brachte mich zu diesen Überlegungen: wieso haben manche Pfeifen eine „Seele“ und manche nicht.

Betritt man einen Pfeifenladen wird man mit den unterschiedlichsten Rauchinstrumenten in extrem unterschiedlichen Preisklassen konfrontiert. Von der im wahrsten Sinne des Wortes billigen Wühlkorbpfeife bis zum mehreren Tausend Euro schweren Einzelstück ist alles vertreten was das Herz begehrt.

Betrachten wir zuerst die unterste Kategorie, die Wühlkorbpfeifen. Hier findet man meines Erachtens den Ausschuss der Pfeifenfabriken. Was absolut nicht mehr vernünftig zu vermarkten ist, wird teilrustiziert und als unnützes Tabakvernichtungsinstrument auf den Markt geworfen. Ich will nicht wissen, wieviele Pfeifenneulinge mit einem solchen Höllengerät das Pfeiferauchen beginnen wollten und nach 2 Tagen wieder zum Zigarettenautomaten gelaufen sind und sich nie mehr einem Pfeifenladen auch nur genähert haben. Diese Teile gehören verboten.

Hat man den Wühlkorb hinter sich gelassen, nähert man sich schon den Serienpfeifen, die mit einem vernünftigen Preis-/Leistungsverhältnis und in mannigfaltigen Formen um die Gunst des Käufers buhlen. Hier findet der Kunde ordentliche Ware aus der sich Tabak genußvoll rauchen lässt. Der größte Teil der Pfeifenraucher wird sich wohl in diesem Segment bewegen, sich ein ordentliches Repertoire im Laufe der Jahre zulegen und nie auf die Idee kommen, das es hinter dem Horizont noch weitergehen kann. Denn eins ist klar: gute Pfeifen zum Genuß des Tabaks hat er gefunden, doch die Seele der Pfeife wird sich ihm nicht erschließen. Wie soll auch eine Kopierfräse, eine Maschine, einem Stück Holz Leben einhauchen?

Es muß also eine Handgemachte sein. Alle Arbeitsgänge müssen in einer bruyerestaubgeschwängerten Werkstatt in einem abgelegenen dänischen Dorf möglichst am Stadtrand von Kopenhagen getätigt werden und schon atmet unsere Kantel und bereitet uns ein Leben lang Freude und Besitzerstolz. Wenn es doch nur so einfach wäre. Auch im Bereich der freehander wird „Massenware“ produziert. Wie soll ein Pfeifenmacher auch anders seinen Lebensunterhalt verdienen? Soll er 20 Pfeifen im Jahr für 5.000 Euro pro Stück produzieren um seine Familie zu ernähren? Geht das überhaupt? Natürlich nicht. Hier haben wir ein Segment vor uns, das den größten Teil des Sammlermarktes bedient. Einzelstücke die es kein zweites mal gibt, ganz persönliche Interpretationen des Produktes Pfeife. Wer sich hier als Kunde mit sicherem Schritt bewegt, kann sich schon selbstbewußt als Mitglied der Oberliga betrachten, ein Kenner der Szene eben. Wunderschöne Stücke gibt es hier zu bewundern: straight grains und birdseyes lassen einem das Wasser im Munde zusammenlaufen und man überlegt ernsthaft, ob man die Inspektion der Familienkutsche dieses Jahr nicht mal ausfallen lassen könnte. Aber findet sich hier die Seele? Spricht sie wirklich mit uns, die Pfeife?

Tja, die Luft wird langsam dünn, was soll denn jetzt noch kommen? Nun, jeder Pfeifenmacher, der etwas auf sich hält, hat noch ein paar ganz besondere Stücke in der Hinterhand, lupenreine und perfekt gelungene Pfeifen, die nicht gleich in jedem Schaufenster oder auf jeder HP auftauchen. Mit Ehrfurcht und Respekt werden sie gehandelt. Nur dem Eingeweihten werden sie gezeigt und selbst den besten Stammkunden lässt man nicht gerne mit ihnen alleine. Man erfährt von ihrer Existenz hinter vorgehaltener Hand („Ich hab da was für dich…“) und ist bei deren Anblick auf der Stelle bereit, sein Erbe auf´s Spiel zu setzen.

Die Pfeife spricht. Sie will zu mir, koste es, was es wolle. Was bedeuten schon 3 Wochen Maledieven gegen den Besitz dieses einzigartigen Stücks gewachsener Natur, veredelt durch die Hand eines Künstlers. Und genau hier kommt sie zum Vorschein, die Liebe des Pfeifenmachers zum Material, die Verzweiflung des Künstlers etwas noch besseres zu schaffen als beim letzten Versuch. Dieses einzigartige Stück ist spät in der Nacht fertiggestellt worden, wurde erst aus der Hand gelegt als der Erschaffer mit seinem Werk endgültig eins war und befriedigt das Licht in der Werkstatt löschte.

Bei einem solchen Kunstwerk stimmt einfach alles. Die Form wurde nach der Maserung gearbeit und verläuft parallel zu deren Linien, das Mundstück wurde mit viel Zeitaufwand angepasst und unterstreicht die Linienführung des Kopfes. Der Biss passt sich wie von selbst an und ihr Gewicht ist kaum spürbar. Dreht man sie in den Händen, lässt seine Finger die Konturen ertasten, schmiegt sie sich an als ob sie immer schon da gewesen wäre. Und betrachtet man ihre Vollendung im Licht der Leselampe, finden sich immer wieder neue Perspektiven, die man vorher nicht gesehn zu haben glaubte. Und je länger man sich mit ihr beschäftigt, tritt ihre Seele zu Tage und erzählt über ihre Entstehung und ihre Profession. Sie will dem Besitzer Freude und Genuß bereiten, das und nur das ist ihre Aufgabe, dazu wurde sie geschaffen.









Und um nun alles wieder zu relativieren: das sind nur meine Gedanken und manch einer wird „seine“ Pfeife, sein Unikat schon innerhalb der Serien finden und diesen Artikel als elitären Unsinn abtun. Aber glaubt mir, liebe Leser, setzt euch mit einer Blaublütigen in einer ruhigen Stunde zusammen und ihr werdet mich verstehen.