Pfeifenstopfer

Joachim Acker

 

Neben den Pfeifenreinigern sind die Pfeifenstopfer mit die wichtigsten Accessoires des Pfeifenrauchers. Wie wichtig dies kleine Dingchen ist merkt der Pfeifenfreund meist erst dann wenn er ihn vergessen oder verlegt hat. Dann bleibt ihm nichts anderes übrig als den Finger zu verwenden. Oder, wie es die Anekdote von Newton erzählt, den Finger der neben ihm sitzenden Lady. Ich bin allerdings ziemlich sicher dass dies Tun bei der Dame nicht auf große Begeisterung gestoßen ist.

Wenn mich nicht alles irrt wird das gleiche Geschehen im übrigen auch von dem großen Königsberger Philosophen Imanuel Kant berichtet. Ob beide Geschichten nun wahr sind oder nicht, bei Anekdoten weiß man es nie so genau, so zeigen sie uns dennoch in welch missliche Lage der Raucher (und seine Mitmenschen) kommen kann wenn ihm dies Gerätchen fehlt.

Im Grunde eignen sich viele Dinge des täglichen Gebrauchs als Pfeifenstopfer: Nägel, Schrauben und Nieten z.B. sofern sie genügend lang sind und einen ausreichend großen Kopf besitzen.. Das Ende der Zahnbürste sollte tunlichst nicht verwendet werden, der Tabak könnte durch das anschmorgelnde Plastik einen etwas unangenehmen Beigeschmack bekommen. Bleistifte sind als Pfeifenstopfer ebenfalls beliebt.

Im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg wird ein Bleistift des damaligen Reichskanzlers Fürst Bismarck   aufbewahrt:

Die Eindrücke und die Schwärzung am oberen Ende währen davon, daß der Fürst während des Gebrauchs seines Bleistiftes daran zu nagen pflegte und den letzteren außerdem als Pfeifenstopfer benutzte“.
Quelle: http://www.gnm.de/Download/ma/sept_2002.pdf .

Es gibt zwei Varianten dieser nützlichen Accessoires: zum einen die einteiligen und zum anderen die mehrteiligen Stopfer, letztere werden auch Pfeifenbesteck genannt.

Einteilige Stopfer (Pipe Tamper oder Tobacco Stopper)

Wir wollen unser Hauptaugenmerk nicht in erster Linie auf die heutigen modernen Pfeifenstopfer lenken, die kennen wir sicherlich zur Genüge, sondern einen kleinen Schritt in die Vergangenheit wagen.

Joseph Fume (Pseudonym von William A. Chatto) schrieb 1839 über den Pfeifenstopfer:

"In the tobacco-stopper alone was anything like taste or fancy displayed. This was the only article on which the English smoker prided himself."

Und weiter lesen wir:

"It was made of various materials - wood, bone, ivory, mother-of-pearl, brass, and silver; and the forms which it assured were exceedingly diversified."
Quelle: http://catniphill.com/shop/history.html

Und so war es in der Tat: Es gab wohl kein Material aus dem nicht ein Stopfer hergestellt wurde oder wird. Holz, verschiedene Metalle wie Bronze, Zinn, Kupfer und Messing, natürlich wurde für besonders prunkvolle Stopfer auch Gold und Silber verwendet, Elfenbein, Horn, Glas, Keramik und vieles andere mehr.

Sowenig dem Material das Verwendung fand Grenzen gesetzt sind so unendlich vielfältig war auch die Formgebung der Stopfer. Figürliche Darstellungen von Tieren, Schiffen, Leuchttürmen, prominenten Personen und was weiß ich noch alles verzierte in mehr oder weniger gelungener Form die Pipe Tamper. Besonders beliebt scheinen dabei Stopfer mit zum Teil recht drastischen erotischen Darstellungen gewesen sein.

Auch unsere modernen Exemplare zeigen eine große Vielfalt im Design, schlichte einfache aus Holz gedrechselte sind ebenso im Handel wie Repliken antiker Stücke, in Hülsen versenkbare Stopfer schützen die Kleidung des Rauchers vor Ascheresten, oftmals sind in die Stopfer herausschraubbare Dorne integriert. Vereinzelt finden wir auch kunstvoll gefertigte Designerstücke aus besonders edlen Materialien.

Seit wann gibt es denn nun Pfeifenstopfer wird sich sicherlich der Leser dieses Artikel fragen. Das ist etwas schwierig zu beantworten denn Hinweise in Lexika und diversen Nachschlagewerken konnte ich keine finden. Es gibt aber einige relativ frühe literarische Zeugnisse und ich wurde auf den Internetseiten des internationalen Antiquitätenhandels fündig.

Peter Burmann erwähnt ca. 1710 in Pipe Etiquette den Stopfer mit folgenden Worten: "have the right hand provided with the stopper"
Quelle: http://fujipub.com/ooops/quotes.html

Auf diesen Text, dann im Zusammenhang, kommen wir zum Schluss des Artikels noch zu sprechen.

Dann gibt es noch ein Gedicht von I.H. Browne:

A PIPE OF TOBACCO

Little tube of mighty power,
Charmer of an idle hour,
Object of my warm desire,
Lip of wax, and eye of fire;
And thy snowy taper waist,
With my finger gently braced;
And thy pretty swelling crest,
With my little stopper pressed,
And the sweetest bliss of blisses,
Breathing from they balmy kisses.
Happy thrice and thrice again,
Happiest he of happy men.
Who when again the night returns,
When again the taper burns;
When again the cricket's gay
(Little cricket, full of play),
Can afford his tube to feed
With the fragrant Indian weed;
Pleasure for a nose divine,
Incense of the god of wine.
Happy thrice, and thrice again
Happiest he of happy men.

-Isaac Hawkins Browne (1736)
Quelle: http://fujipub.com/ooops/quotes.html

J.S. Bach vertonte einige Verse eines unbekannten Dichters in seinem >Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach>   Der Titel lautet: "Erbauliche Gedanken eines Tobackrauchers" (BWV 515a, vermutlich nach 1733/34), dort steht:

Wie oft geschieht's nicht bei dem Rauchen,
Daß, wenn der Stopfer nicht zur Hand,
Man pflegt den Finger zu gebrauchen.
Dann denk ich, wenn ich mich verbrannt:
O, macht die Kohle solche Pein,
Wie heiß mag erst die Hölle sein?

Quelle: http://www.cs.ualberta.ca/~wfb/cantatas/515a.html

Erinnern wir uns auch an David Copperfield: Auf der Suche nach einem Testament des verstorbenen Mr. Barkis findet er in einer Kiste im Sammelsurium vieler Dinge auch einen silbernen Pfeifenstopfer in Form eines Beines. Die bislang ältesten Pipe Stopper die ich ausfindig machen konnte werden im Bild 1a und 1b gezeigt.


Bild 1a und 1b

Auf dem Bild 1a sehen wir einen Mann in der Kleidung eines Gentleman der eine lange Pfeife raucht und sich dabei auf einem Gehstock abstützt oder ihn nur in der Hand hält. Der Stopfer wurde aus Bronze gefertigt und ist an die 2 ¼ Zoll hoch und an die 1 ¼ Zoll breit. (1 Zoll = 2,54 cm). Aus dem Begleittext ist das mögliche Herstellungsland zu entnehmen: "Probably from the Low Countries or Germany, although we acquired it in England."
Quelle: http://www.tias.com/stores/glitzqueen/

Wenn die Datierung dieses Stückes richtig sein sollte dann würde der Stopfer aus dem 16. Jahrhundert stammen, also aus der Frühzeit des Pfeiferauchens.

Der Pfeifenstopfer den wir in Bild 1b sehen stammt aus dem Ausgrabungsort   Flowerdew Hundred in Virginia/USA:.   Die Ähnlichkeit mit der Figur von Bild 1a im Bezug auf die Pfeife und die Kleidung ist bemerkenswert. Der Stopper wurde aus Messing gefertigt (gegossen)   und hat eine Höhe von 2 ½   Zoll, datiert wird er in das Jahr 1625.

Bilder 2-3-4-5-6-7

 

Bild 2 ist die Reproduktion eines silbernen Stopfers aus dem 17. Jahrhundert. Eine Hand hält mit spielerischer Leichtigkeit eine lange Tonpfeife. Der Begleittext dazu stimmt etwas nachdenklich:

"Seventeenth-century Europe: the wrong place at the wrong time. Endless wars of religion. Unspeakable outbreaks of plague. Heretics in flames. London in ashes. That a tamper so playfully human could have come from this hell ...! It seems there's hope for us yet. Cast in pewter and finished by hand, our unlikely survivor is a reproduction of a 17th century sterling silver design. It stands about 2" tall."
Quelle: http://catniphill.com/shop/page2.html

Bild 3 zeigt einen Tobacco Stopper des 17. Jahrhunderts. Die stark patinierte Skulptur stellt den Hl. St. Georg im Kampf gegen den Drachen dar.

Bild 4 Dieser Stopfer wird in die Zeit des englischen Bürgerkrieges datiert und stellt eventuell King Charles I. dar.

Bild 5 zeigt uns einen   Siegel-Pipe Tamper der, so wird vermutet, ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammt. Eine geballte Faust hält eine Rolle (Dokument?) fest. In die Grundfläche des Stopfers ist ein doppeltes T eingraviert das von einem gepunkteten Kreis an der Außenkante umgeben wird.

Bild 6 und 7   Dieser Pfeifenstopfer wird in das Jahr 1825 datiert, er ist ca. 7,4 cm lang und wiegt 42,8 gr.

"Patriotic George IV sterling silver pipe tamper cast in the form of Britannia wearing Roman robes and armour and a Roman helmet. With her left hand she is supporting a shield depicting the Union Jack. The figure is standing on a pedestal. The base of the pedestal is flat and has a serrated diamond pattern. The set of four hallmarks is stamped on one side of the pedestal. The two central marks are slightly rubbed at the top but still very clear. There is no maker's mark.

This figure has been rather crudely fashioned with unproportionately large hands. Nevertheless, this pipe tamper is a very interesting collector's piece. After the Napoleonic Wars were won, there was an intense wave of patriotism in England which lasted for a number of years and was expressed in many ways. For example, in 1820 and for some years later, the production by James Mudie of a grand series of forty medals commemorating British victories during the reign of George III met with an enormous amount of success."
Quelle: http://www.antique-silver.com/des/2880.htm

Es wäre interessant zu wissen wie die allerersten Pfeifenstopfer aussahen. Ich könnte mir gut vorstellen dass die Urform der Stopfer auf einem Hufnagel oder einem gewöhnlichen Nagel gründete. Solche habe ich schon selber aus Verlegenheit wegen eines im Moment abhanden gekommenen Stopfers verwendet. Irgendwelche findigen und innovativen Handwerker kamen dann sicherlich auf die Idee die schlichten und einfachen Tobacco Stopper durch figürliche Darstellungen der vielfältigsten Art zu verbessern und aufzuwerten.

 

Mehrteilige Pfeifenstopfer (Pfeifenbestecke, Pipe Knife, Smokers Companion),

sind taschenmesserähnliche Werkzeuge die mit einem ausklappbaren Dorn, einem Messer und dem eigentlichen Stopfer versehen sind. Sie sind in der Regel sehr aufwendig gearbeitet und zum Teil recht teuer. Im einschlägigen Handel findet der Pfeifenraucher eine nahezu unüberschaubare Fülle der verschiedensten Varianten die vom einfachen >Tschechen< bis zu den luxuriösen Designerstücken reichen. Wann die ersten mehrteiligen Pfeifenbestecke in Gebrauch kamen kann ich leider Mangels belegbarer Hinweise nicht sagen.

In Jamestown/Virginia/USA, der ältesten britischen Siedlung in Nordamerika, wurde bei archäologischen Ausgrabungen ein total verrostetes Pfeifenbesteck gefunden.

Der Text zum Bild lautet:

"The smoker's companion is a handy little pocket tool that is used to tamp, light, and clean a tobacco pipe bowl. The rounded handle terminal can be used to push the tobacco down into the bowl, the flat edge of the tong can be used as a strike-a-light to create a spark against flint, and the tong can pick up embers by which to light the tobacco. This object was found in a plowzone area of the fort."
Quelle: http://www.apva.org/ngex/c2smoke.html

Die im Text erwähnte plowzone ist der Pflughorizont, also jene Tiefe in der Erde die mit einem Pflug noch erfasst wird.

Bild 9

Im Bild 9 sehen wir das Werkzeug eines Hufschmiedes oder Pferde Doktors versehen mit Korkenzieher (um die Portweinflasche zu öffnen), einer Klinge um die Pferdehufe zu reinigen sowie zwei Pfeifenstopfer. Der Eine befindet sich an der Unterseite der Scheide und ist etwas abgewinkelt und einem Pferdehuf nachempfunden, der Andere an der Oberseite dieses Multifunktionswerkzeuges das in das späte 18. Jahrhundert datiert wird und englischer Herkunft ist.

Bild 10

Bild 10 beinhaltet zwei Mehrfachwerkzeuge. Das rechte Gerät hat einen Pfeifendorn, das linke nur einen Pfeifenstopfer. Beide Werkzeuge sind neben dem obligatorischen Korkenzieher mit einem kleinen Hammer versehen. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes Gun Tool mit dem vom Feuerstein Funken abgeschlagen wurden. Beide Geräte stammen aus dem frühern 18. Jahrhundert.

Bild 11 und 12

 

Bild 11 und 12 zeigen zwei moderne Pfeifenbestecke.

Ein Vergleich der antiken mit den heutigen Pfeifenstopfern und Bestecken zeigt meines Erachtens deutlich dass Früher oftmals mit mehr Phantasie handwerkliches Können in ausgereifte und künstlerisch ansprechende   Gerätschaften umgesetzt wurde. Unsere heutigen Stopfer bzw. Bestecke sind ebenfalls technisch perfekt hergestellt aber sie lassen oftmals das gewisse Etwas, den bestimmten Pfiff, vermissen.

Der Gebrauch eines Pfeifenstopfers ist eigentlich klar und bedarf keiner besonderen Erklärung, aber es mag sein dass ein Neuling des Pfeiferauchens hier noch etwas unsicher ist. Daher eine kleine Hilfestellung.

"It is not enough to fill a pipe and put it to the mouth and set fire to it, for even the country bumpkin knows as much. It is only correct to hold it with the left hand, have the right hand provided with the stopper, impress the onlookers with majestic mien, sit in the proper attitude on the chair, and finally, to take enough time for each pipe and not treat with hasty irreverence this heavenly food."
Peter Burmann on pipe etiquette c.1710
Quelle: http://fujipub.com/ooops/quotes.html

Besonders der Satz " impress the onlookers with majestic mien" ist inhaltschwer und voller Bedeutung. Diesen majestätische Gesichtsausdruck sollte der Pfeifenraucher am Besten (mit Ausdauer und Fleiß) vor dem Spiegel üben. Eines fernen Tages wird er ihn perfekt beherrschen und auf den Abendgesellschaften der große bewunderte und von der Damenwelt angehimmelte Mittelpunkt sein.

Nun, wie dem auch sei, der Dorn eines Pfeifenbesteckes dient zum Durchstochern der Holmbohrung wenn sich ein Bröselchen Tabak darin festgesetzt hat. Meistens erweist sich der Dorn allerdings als zu kurz, ein Pfeifenreiniger erfüllt den gleichen Zweck. Außerdem kann mit seiner Hilfe der Tabak im Brennraum etwas aufgelockert werden, das ist besonders bei Flakes und Plugs wichtig denn diese Tabaksorten quellen beim rauchen ziemlich auf und können den Zug der Pfeife beeinträchtigen.

Mit dem Stopfer wird der Tabak gefühlvoll niedergedrückt und mit dem Messer oder Löffel können Tabakreste die sich nach dem Ausräumen der Pfeife noch im Kopf befinden ausgeschabt werden. Selbstverständlich ist das Messer auch zum Brotzeit machen (schwäbisch = Veschper) zu verwenden. Nach Gebrauch bitte säubern damit keine Wurstreste in den Pfeifenkopf gelangen.

"A glimpse of a tamper in a pipe smoker's hand brought color, thought and humor to the day. It had its own humanity: far from the history books, perhaps, but close to the lives of everyday people. The humans that we were ... the humans we've become.  By the 1880's, mass manufacturing had replaced craft in most areas of life. Pipe smoking, the activity of a slower time, gave way to the faster, disposable cigarette. And tampers? They went the way of craftspeople: from the workshop to the factory. Nearly all of today's mass-produced tampers, made of acrylic, wood, steel, or brass, are functional -- and they look it. You could easily mistake one for an auto part, or perhaps a pen. In short, the modern tamper is utility, not fantasy. Antique pieces can be found, but at a price their original owners never would (nor could) have paid. "
Quelle: http://catniphill.com/shop/history.html

Etwas wie leiser Wehmut ist aus den obigen Zeilen zu vernehmen, stille und subtile Trauer um handwerkliche Kunst die verloren ging.

Quellen

Joachim Frank, Pfeifen-Brevier Neff Verlag 1969
http://catniphill.com/shop/history.html
http://www.cs.ualberta.ca/~wfb/cantatas/515a.html
http://fujipub.com/ooops/quotes.html
http://www.cs.ualberta.ca/~wfb/cantatas/515a.html
http://www.tias.com/stores/glitzqueen/
http://www.antique-silver.com/des/2880.htm

Bildernachweis

Bild 1a   http://www.tias.com/stores/glitzqueen/
Bild 1b   http://www.flowerdew.org/Artifacts.html
Bild 2   http://catniphill.com/shop/page2.html
Bild 3   http://weekend-wanderers.itgo.com/pictures11.htm
Bild 4   http://www.fairfax.org.uk/main/ARTICLES/RESEARCH/claypipes/claypipes.HTM
Bild 5   http://www.antiques45.freeserve.co.uk/page6.html
Bild 6   http://www.antique-silver.com/des/2880.htm
Bild 7   http://www.antique-silver.com/des/2880.htm
Bild 8   http://www.apva.org/ngex/c2smoke.html
Bild 9   http://www.kp.net/~giulian/page4.html
Bild 10   http://www.kp.net/~giulian/page4.html
Bild 11 und 12   http://www.tabak-heinrich.de/