Der Umstieg
Willi Albrecht
Mit ca. 20 Jahren besorgte ich mir meine erste Pipe und, ich
weiß es noch wie heute, einen Beutel Clan, weil Clan-Raucher
müßte man sein. Erwartungsvoll stopfte ich mir die
riesige Oohm Poul bis zum Rand voll, zündete sie erwartungsvoll
mit mächtigen Zügen an und warf alles 5 Minuten später
in die Ecke. Meine Zunge war zum Lederlappen mutiert und irgendwie
entwickelte das Zimmer ein Eigenleben und drehte sich um mich.
Irgendwann erfuhr ich zufällig, das es auch Pfeifen mit
einer größeren Bohrung gäbe, in die ein Filter
gesteckt würde, der all die Schmerzen und Schwindelgefühle
erfolgreich bekämpfen würde und der in 99% aller Pfeifen
sitzen würde. Na prima, und gerade ich mußte eine
Pfeife aus diesem 1%-Anteil erwischen.
Ich gab mir also noch einmal einen Ruck, lief zum Kiosk, diesmal
allerdings schon als Fachmann und verlangte nach einer 9 mm -
Filter - Pfeife. Jetzt erwarb ich eine Dublin, auch äußerlich
sollte sie sich von dem letzten Tabakkocher unterscheiden.
Den Clan fand ich noch in einer Schublade, füllte ihn
voller Hoffnung in die Pfeife, lehnte mich zurück und ergab
mich erbarmungslos dem zweiten Selbstversuch.
Was war das? Das Beißen auf der Zunge blieb aus, ja
der Tabak schmeckte irgendwo sogar nach mehr als nach trockenem
Gras und ich rauchte Pfeife und bildete mir ein glücklich
und entspannt zu sein. Die Zungenmutation setzte diesmal nach
ungefähr einer Viertelstunde ein, doch das Zimmer blieb
ruhig.
Von diesem Zeitpunkt an rauchte ich immer mit einem Kohlefilter
zwischen meiner Zunge und dem glühenden Tabak und war glücklich
damit. Natürlich versuchten mir andere Pfeifenraucher klarzumachen,
das wahrer Tabakgenuß nur ungefiltert möglich sei,
doch tapfer blieb ich auf meinem eingeschlagenen Weg und lachte
über diese Ignoranten, die immer mit verbrannter Zunge durch
ihr Leben gingen und nichts von den schönen und angenehmen
Seiten des Lebens verstanden.
Eines schönen Tages betrat ich den Laden meines Tabakhändlers.
Pfeifenreiniger und eine 200er Packung Kohlefilter sollten es
sein, sonst eigentlich nichts. Doch das Schicksal schlug wie
so oft erbarmungslos und unerwartet zu. In diesem Fall in Form
einer edlen Straight Grain, von einem bekannten dänischen
Pfeifenmacher in Handarbeit gefertigt. Für mich gefertigt.
Ich konnte sie einfach nicht mehr aus der Hand legen.
Als ich sie zur Ladentheke brachte und zitternd meine Kreditkarte
zückte, brach die Welt unter mir zusammen und wie aus weiter
Ferne hörte ich die Stimme meines Händler: "Die
ist aber ohne Filter!" Was? Meine Knie wurden weich, ich
krallte mich in die Theke, das konnte doch nicht wahr sein. Der
Holm war umfangreich genug um einen Filter aufzunehmen, sie stand
zwischen 5 anderen Filterpfeifen, der Däne macht doch auch
welche mit. Es half nichts, sie hatte die Normalbohrung, unmöglich
dort einen Filter reinzustecken, wie ich wie durch Nebel erkennen
konnte.
"Na und?" Hatte ich
das jetzt gesagt? Wie, was? "Prima, dann probier es doch
mal aus, wirst sehen, das klappt prima." Zu spät, kein
Zurück mehr. Mein Pfeifenhändler, der vor fünf
Minuten noch mein Freund war, hatte die Kreditkarte schon durchgezogen,
der Automat ratterte, der Urlaub war hin und ich besaß
eine filterlose Edelpfeife.
Später im Auto wurde mir erst der ganze Umfang meiner
schändlichen Tat bewußt. Sie würde mir nie schmecken,
ein unwürdiges Dasein im Pfeifenschrank fristen und mich
auf ewig an meine Dummheit erinnern.
Zuhause angekommen, beschloß ich tapfer wie ich nun
mal bin, ihr wenigsten eine kleine Chance zu geben. Ich füllte
sie zur Hälfte mit meinem Lieblingsvirginia, der mir als
leicht und zungenfreundlich bekannt war und zündete sie
an. Die ersten Züge erinnerten mich direkt an mein Jugenderlebniss
und ich wollte das Experiment schon abbrechen. Doch dann erinnerte
ich mich daran, das man ohne Filter einen geringeren Zugwiderstand
hat und stopfte den Tabak vorsichtig während des Rauchens
fester. Bei diesem Druck wäre eine Filterpfeife schon hoffnungslos
verstopft gewesen, aber hier schmeckte es plötzlich besser
und vor allem milder auf der Zunge.
Dann fiel mir noch ein, irgendwo gelesen zu haben, das man
ohne Filter ruhiger und nicht so kräftig ziehen sollte um
die Pfeife nicht zu überhitzen. Auch das setzte ich gleich
in die Tat um und wunderte mich, das der Tabak bei diesem langsamen,
vorsichtigen Rauchen nicht erlosch.
Als ich später zum ersten mal meinen Lieblingsflake zum
U gefaltet in die Pfeife stopfte, erlebte ich eine neue Überraschung.
Endlich konnte man den unzerkleinerten Flake ohne dauerndes Nachfeuern
und stochern rauchen und vollkommen genießen.
Zurückblickend kann ich sagen, das ich ungefähr
eine Woche mit drei täglichen Pfeifenfüllungen gebraucht
habe, um mich an den neuen, intensiveren Geschmack und das andere
Rauchverhalten zu gewöhnen. Mittlerweile rauche ich alle
Pfeifen ohne Filter, auch meine älteren, die alle eine 9
mm - Bohrung haben. Einen Adapter, der den Querschnitt verringert
benutze ich nicht. |