Rainer Barbi "Das Bessere ist der Feind des Guten"

Willi Albrecht

Der in Worth, einem kleinen Dorf in der Nähe Hamburgs, lebende Rainer Barbi wurde 1948 in Hannover geboren und machte sich nach seinem Jura-Studium 1975 als Pfeifenmacher selbsständig. Noch im gleichen Jahr hatte er seinen eigenen Stand auf der Internationalen Frankfurter Messe. Lange Jahre war er der einzige Pfeifenmacher, der es wagte, mit Einzelstücken seinen eigenen Vertrieb auf die Beine zu stellen.

Zur Pfeife kam er 1970, als er nach einer Erkältung beschloss, von der Zigarette zur Pfeife zu wechseln. Allerdings sagten ihm die preiswerten Serienpfeifen der bekannten Hersteller nicht zu und für Einzelstücke der dänischen Freehander wie Anne Julie und Jorgen L. fehlten dem damaligen Studenten die nötigen Mittel..

Aus einem Hobby-Block bastelte er in der heimischen Küche seine erste "handmade" und zeigte sie voller Stolz seinem Pfeifenhändler. Dieser Händler wiederum eröffnete einen Stand auf einer Verbrauchermesse und lud Rainer Barbi dazu ein, dem dortigen Publikum das Pfeifenmachen zu demonstrieren. Die Veranstaltung wurde ein voller Erfolg und nach ein paar Jahren mußte er sich entscheiden: Jurist oder Pfeifenmacher, beides zusammen ließ sich nicht mehr vereinbaren. Das Ergebnis ist bekannt.

Zur damaligen Zeit breiteten sich immer mehr die phantasievollen Pfeifenformen der Dänen aus und versuchten sich neben den klassischen englischen Formen (siehe hier) zu behaupten. Es entstanden Pfeifen für Linkshänder und Stücke mit ergonomischen Griffmulden, alles war plötzlich möglich. Barbi reizten aber immer mehr seine eigenen Ideen und er setzte sich nur ein Ziel: das Streben nach größtmöglicher Perfektion.

Gleich nach der Geschäftseröffnung besorgte er sich die Adressen von Sägewerken im Mittelmeerraum und beschloß, nach Griechenland zu fahren um dort sein nötiges Rohmaterial selber vor Ort zu einzukaufen. In der Nähe von Athen lernte Barbi den Sägewerksbesitzer Anastasios Varelas kennen, der ihm in 1 ½ Jahren die Geheimnisse des Bruyere wie die Unterscheidung der Qualitäten, des Sägens und des Kochens beibrachte.

Rainer Barbi:

"Von Ihm lernte ich auch, dass es kein bestimmtes Land mit dem besten Holz gibt, sondern überall im Mittelmeerbereich gibt es das "Beste", man muss es nur zu finden wissen. Bruyere besteht aus zwei Holzelementen: zum einen aus Strukturholz, hart und nicht besonders gut fähig zur Aufnahme des Kondensates, vergleichbar mit dem Knochengerüst des menschlichen Körpers. Zum andern aus dem dazwischen gelagerten Füllholz, wie Fleisch, welches die Knochen umhüllt. Nur das Füllholz nimmt Kondensat auf und ist porös wie ein Schwamm. Je mehr Füllholz im Verhältnis zum Strukturholz, desto besser ist das Bruyere"

 

Die Differenzierung der Holzqualität ist für Rainer Barbi einer der entscheidenden Aspekte bei der Einzelstückherstellung. Hier gibt es für ihn vier Kriterien:

1.: Die Wachstumsgeschwindigkeit der Knolle, die Bodenbeschaffenheit ihres Wachstumsgebietes und die daraus resultierende Fähigkeit der Kondensataufnahme beim Verbrennungsprozess des Tabaks..

2. und 3.: Maserung und Fehlerquote, sie bestimmen die Rarität, aber nicht die Qualität.

4.: aber nicht entscheidend, die Größe des Kantels.

Auch heute noch versucht Barbi nur die besten Qualitäten von der Cote Azure, aus Calabrien, Ligurien, Sardinien und Korsika (wo es nur noch einen 73 Jahre alten Coupeur gibt) zu finden.

Für das Mundstück kommt bei RB-Pfeifen nur Ebonit in Frage, das selbstverständlich "handcut" ist. Die beste Qualität findet er bei der "New-York / Hamburger Gummi Waren Compagnie". Acryl lehnt er wegem dem mangelnden Bisskomfort grundsätzlich ab. Dem Mundstück als Bindeglied zwischen Raucher und Pfeife mißt er große Bedeutung bei und sagt: "Zum einen ist das Mundstück wesentliches stilistisches Element. Kopf und Mundstück sind immer eine Einheit und entscheidend für Harmonie, Eleganz und Design haben Kopf und Mundstück eine kohärente Einheit zu bilden. Beide Teile können nicht getrennt betrachtet werden. Zum zweiten ist das Mundstück die Schnittstelle zwischen Objekt und User. Ganz wesentlich hängt es von der Ausarbeitung des Bisses ab, ob ein Wohlbefinden beim Benutzen des Objektes "Pfeife" zustande kommt." Als Applikationen verwendet er Edelhölzer und irische Büffelhorn.

Rainer Barbi sieht als Lehrmeister die Natur. Die ureigene Form im Holz zu erkennen und herauszuarbeiten ist seine Maxime.

"Ich persönlich glaube nicht, dass sich die Arbeiten der renommierten Pfeifenmacher wirklich unterscheiden. Außer ihrer individuellen Handschrift natürlich, aber nicht in Enthusiasmus und Ausarbeitung des Sujets. Sie alle haben den gleichen Geist in sich, das Ringen mit der Natur um Harmonie in der Gestaltung und Perfektion in der Arbeit. So kämpfen wir alle nur für ein Ziel: unsere Identifikation und den Versuch, dem Material unseren Atem einzuhauchen."

"Es ist schon mehr als eine Anekdote: als ich noch jung war, gedachte ich mit 45 Jahren in Rente zu gehen. Heute weiß ich, dass Pfeifenmachen mein zweites Ich ist. Es ist mein Kind, mein ewiges Leben und meine Wiedergeburt. Wie kann ich da an ein Ende denken, und obendrein, wie wunderbar wäre es, mit einer halbfertigen Pfeife zwischen den Händen in das Jenseits zu wechseln, werkend an der Schleifscheibe, mit dem Gefühl, dieses Mal das Ultimative zu schaffen, Straight Grain, lupenrein und in vollendetem Design?"

Seine Pfeifen gradet Barbi aufsteigend nach folgendem System: CC,CB,CA,BC,BB,BA,AC,AB,AA,C,B,A,A0,A1,A2,A3, etc. Der Einstiegspreis liegt bei ca. 250 Euro.

Nachtrag: am Samstag, den 22 März wird Rainer Barbi in USA während der 2003 West Coast Pipe & Cigar Expo durch eine Preisverleihung geehrt. Das entsprechende pdf-file kann hier geladen werden. Danke für den Hinweis Hans-Jürgen.

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