Player´s Digger Flake

Joachim Acker

Britische Eisenbahnen haben mitunter ein sehr zwiespältiges Verhältnis zur Zeit, oder anders formuliert: Sie sind manchmal gnadenlos unpünktlich.

Und so saß ich nun auf dem Bahnhof in Crewe in Mittelengland herum und wartete auf meinen Anschlusszug nach Bangor. Im Bahnhofskiosk versorgte ich mich mit etwas Nahrhaftem und betrachtete neugierig das Pfeifentabakregal hinter der Kasse. In der obersten Reihe erspähte ich den Digger Flake, nicht offen in der 6" Variante, sondern in den kleinen 25 gr. Plastikcontainerchen. Nun, da mir dieser Tabak wohlbekannt war kaufte ich einige dieser kleinen Schächtelchen.

Als ich dann endlich im Zug saß, glücklicherweise war es ein altes Exemplar und hatte noch ein Raucherabteil, öffnete ich eines der Schächtelchen entnahm einen Streifen, faltete ihn und drehte ihn in meine Pfeife, dann wurde angezündet und die ersten Rauchwölkchen verteilten sich im Abteil.

Der Digger ist ein Virginia Burley Flake, dunkel im Aussehen, sich etwas feucht anfühlend und sehr kräftig im Geschmack, mit einem eigenartigen, beinahe strengen süßlich-herben Aroma. Und, so empfinde ich es, nichts für zungensensible Naturen. Ein kräftiges Rauchkraut, fürwahr. Mir geriet etwas Rauch in die falsche Kehle und ich musste husten, belustigt sahen einige der Fahrgäste zu mir herüber.

Er passt irgendwie zu seinem Namen, dachte ich mir. Ein Digger ist ein Mensch der etwas ausgräbt, irgendwo in der Bergwildnis nach Gold, ein Grab (Gravedigger) auf einem Friedhof oder einen archäologischen Fundhorizont.

Während draußen die grünen Hügel Englands vorüberglitten, wanderten meine Gedanken zurück in die Vergangenheit und ich dachte an meine eigenen archäologischen Ausgrabungen, als ich ein Digger war.

Mein Heimatdorf kam mir in den Sinn: Die Arbeit an einem kleinen alamannischen Gräberfeld. Schwer und mühselig war es die harte Erde auszuheben, immer aufs höchste angespannt und aufmerksam um nichts zu übersehen oder zu zerstören. Und dann die geduldige Arbeit mit feinen Werkzeugen um die Überreste derjenigen freizulegen die einst hier wohnten. Es ist ein eigenartiges, beinahe nicht zu beschreibendes Gefühl wenn man mit Spachtel und Pinsel die nahezu vergangenen Knochen von der Erde befreit. Es sind ja nicht nur irgendwelche Knochen sondern das was von unseren Vorfahren übrig blieb. Mit Ehrfurcht wird wohl dies Gefühl am ehesten zu beschreiben sein.

Es waren Menschen wie wir, mit den gleichen Sehnsüchten und Wünschen, mit den gleichen Hoffnungen und mit den gleichen Enttäuschungen. Sie liebten, hassten und vertrugen sich wieder, waren sicherlich täglich in Sorge, oftmals in Not. Abhängig von den Launen der Natur, eine schlechte Ernte konnte schon lebensbedrohend sein.

Sie wurden schon in frühester Zeit ausgeraubt diese Gräber, daher waren die Funde die wir machten gering: Perlen aus Glas, Reste eines Kammes, eine eiserne Axt. Grabbeigaben die davon zeugten dass der Verstorbene von seinen Hinterbliebenen gut für das Leben im Jenseits ausgestattet wurde.

Meine Pfeife war ausgegangen und ich entzündete sie aufs neue. In der Ferne, blauschwarz, waren die schroffen Berge von Wales zu sehen. Und dann das Meer, blaugrau mit kleinen Wellen, mit Gras bewachsene Dünen, Möwen die stolz die Lüfte durchsegelten, in der Ferne ein Segelboot. Der Zug ratterte an der Burg von Conwy vorbei, mächtige Mauern aus grauen Steinen, drohend und abweisend.
Eine lange Reise näherte sich dem Ende als der Bahnhof von Bangor erreicht war. Meine Pfeife war leergeraucht, ich schüttelte sie aus und feine graue Asche rieselte auf den Bahnsteig.

Digger Flake, hergestellt von Player´s, erhältlich nur in GB. 25 gr. 3.26 Pfund