Pota, der Erdtabak

Lothar Winands

Viele Anläufe waren nötig um den traditionell hergestellten Tabak aus Ibiza endlich in die Pfeife zu bekommen. Alle Kollegen des Clubs kannten ihn und deren Aussagen zusammenfassend, muss es sich um etwas Mystisches handeln.

Sprach der eine Pipero von einer Droge, so reichten andere Aussagen von unrauchbar bis unendlich stark. Alle Beziehungen wurden gezogen um den Kontakt zu einem Pota Farmer herzustellen.

Am vergangenen Sonntag lag er endlich als Portion zurechtgeschnitten vor mir.

Joan Busquera brachte eine Portion per Schiff auf das Festland, damit die Extranjeros diesen von seinem Vater aufbereiteten Tabak, endlich in die Pfeife füllen konnten.

Toni Pasqual holte Joan extra an der Anlegestelle im Hafen ab und der sonst am Sonntag geschlossenen Pipa Club wurde anlässlich des wichtigen Besuches von der Insel aufgeschlossen.

 

Da lag er nun vor mir der Pota. Schwer zu definieren sein Geruch; möglicherweise ein wenig säuerlich. Zehn Monate reift der Tabak bei jeder Witterung unter der Erde, eingehüllt in ein Ziegenfell. So ein 7 Kilo Zopf reicht dann einem Pfeifenraucher ein ganzes Jahr. Er besteht aus reinen Virginia Blättern die am Rande der Felder angebaut werden. Isabell II. Königin von Spanien erliess das Gesetz, das den Inselbewohnern Spaniens erlaubte, für den Eigenbedarf Tabak auszupflanzen. So kamen die Insulaner dann wohl auf die Idee, dass Feuchtigkeit, verbunden mit hohem Druck den Tabak zum Reifen brachte.

Ganz trocken ist der Strang und so bringen die Insulaner ihn auch in die Pfeife.
Vorsichtig zündete ich mir mein Gerät an und setzte mich ruhig in eine Ecke der Sherlock -Holmes Bar in Erwartung was jetzt passieren könnte. Würzig steigt der Rauch in meine Nase und ich werde unwillkürlich an starke Cuba - Zigarren erinnert. Nach einer Weile muss ich die Pfeife ablegen, der Pota schafft mich. Schluckauf und ein Zerren in der Magengrube lassen mich pausieren. Wieder angezündet ging es ungleich besser, da ich mein Verhalten beim Ziehen an meiner Pfeife der Stärke des Tabakes anpasste. Ein schwerer dumpfer Geruch macht sich im Raum breit. Nicht unangenehm, aber anders als gewohnt. Den Pota in der Pfeife und ein Becher Scotch ergeben eine ausgezeichnete Kombination um einen Tag abzuschliessen. Der Abend im Pipa Club, zusammen mit dem Insulaner und den Kollegen die auch dabei sein wollten, wenn der Gringo den Pota probiert wurde lang und der Verfasser dieses Artikels fragte sich am nächsten Morgen ob der Pota die Droge ist oder besser der ganze Pipa Club von Barcelona J

11.Februar 2002

Joachim Acker

Abends, wenn das Tagwerk beendet ist und sich die Alten am Feuer draußen vor dem Dorf oder im "Schwarzen Drachen" treffen, werden oftmals die alten Geschichten erzählt. Geschichten aus längst vergangenen Tagen als die Zeiten noch besser waren, nicht so hektisch und wirr wie heutzutage.

Und dann kann es vorkommen, dass einer der Alten von einer fernen Insel erzählt auf der ein ganz besonderer Pfeifentabak angebaut werden soll. Ein Tabak, so hörte man immer wieder in den Erzählungen fremder Wanderer, gewickelt wie ein Twist, dann eingehüllt in ein Ziegenfell und für Monate in der Erde vergraben. Eine seltsame Geschichte fürwahr, und wir Alten lächelten über ein solches Garn, das da gesponnen wurde.

Eines Tages machte sich dann einer von uns Alten auf den Weg um zu jener fernen Insel zu fahren und dort nach dem Tabak zu forschen, um nachzuprüfen was an den Erzählungen wahr ist und was ins Reich der Sage, des Märchens gehört.

Ihr werdet es nicht glauben, aber es ist die Wahrheit, diesen Tabak gab es wirklich. Nach mancherlei Gefahren und einigen kühnen Abenteuern gelang es unserem Freund in den Besitz dieser einmaligen Kostbarkeit zu kommen.

Und nun liegt ein Stück dieses Tabaks vor mir, eine dicke runde mittelbraune Scheibe eines eigenartig duftenden Tabaks. Nach was duftet er? Wahrlich, ich kann's nicht richtig beschreiben, erdig vielleicht? Nein, nicht direkt. Vielleicht mehr wie nasses, im Trocknen begriffenes Heu? Wie auch immer, der Geruch ist eigenartig und, wenigstens für den Schreiber, nicht zu definieren. Staubtrocken ist er, und so wird er auch von den Bewohnern der fernen Insel geraucht.

Ein Stück schneide ich ab, zerbrösele es etwas und fülle meine Pfeife. Anzünden und die ersten Rauchwolken verteilen sich in der Stube. Das Heuige des Virginia ist einen Moment zu spüren aber dann wird es zugedeckt durch einen Geschmack der mir bis dahin fremd war. Fragt mich nun nicht nach was der Tabak schmeckt, ich kann's nicht sagen. Herb und kräftig ist der Geschmack, das Aroma, ein gehaltvoller Tabak ist dieser Pota, das ist wohl wahr. Aber bei alledem ein wahrer Zungenschmeichler, man sollte doch meinen so ein starker Tabak würde der Zunge Schaden zufügen, nichts dergleichen, weich und zart umschmeichelt er sie.

Ich schließe die Augen und sehe die Männer der Insel vor mir, potarauchend in wilder Bergeinsamkeit die Ziegen und Schafherden hütend. Sehe sie vor mir wie sie Abends am Feuer sitzen, sich ihr spartanisches Abendbrot zubereiten, einen Becher Kaffee trinken und dann die Pfeife mit diesem Rauchkraut füllen.

Sehe sie vor mir wie sie rauchend und schweigend im Kreise sitzen, höre die schwermütige klagende Melodie einer Flöte die von irgendwoher ihr Lied erklingen lässt. Ich sehe die Männer der Berge wie sie den Winterstürmen trotzen, frierend in ärmlichen Hütten und ich sehe sie in der Hitzeglut des Sommers rauchend im Schatten der Felsen sitzen.

Meine Gedanken kehren zurück in die Wirklichkeit, die Pfeife mit dem Pota ist leergeraucht, feiner Aschestaub rieselt in den Aschenbecher.

Welch ein Tabak, denke ich. Stark und kräftig, etwas für Männer, aber dennoch weich und geschmeidig auf der Zunge. Und dann dieser Geruch, dieser Geschmack. Wie kann man ihn nennen? Und dann fällt es mir ein das zutreffende Wort: Archaisch würde am ehesten zu diesem Tabak passen. Ja: dies Wort würde am ehesten zutreffen auf den Tabak der aus der Erde kam.

Ich sehe zum Fenster hinaus, die Sonne brach eben durch die Wolken und bringt die regennasse Erde im Garten zum glitzern, gelb leuchten die ersten Krokusse. Und in der Stube liegt schwer und dunkel der Geruch des Pota.