Erin Isle Flake

Joachim Acker

Der leichte, hauchzarte Sprühregen der für England so typisch ist hatte sich gelegt, die Sonne kam zwischen den grauen, tiefliegenden Wolken hindurch. In ihren Strahlen glitzerten und funkelten die Regentropfen auf den Blättern der Bäume und den Blumen des Forbury Gardens in Reading. Ich zog meinen Regenmantel aus, faltete ihn zusammen, legte ihn als Schutz vor der Nässe auf eine Bank und setzte mich hin.

Aus meinem Rucksack nahm ich die Pfeifentasche, erwählte mit Bedacht eine Pfeife und suchte dann den soeben bei meinem Freund Paul in der Harris Arcade gekauften Tabak.

Es ist immer wieder erfreulich wenn man einen neuen, noch unbekannten Pfeifentabak erspäht, und dieser Tabak war selbst mir noch neu. "Erin Isle Flake" stand auf den großen runden Glas im Tabakregal, in das ich neugierig meine Nase steckte um den fremdartigen Geruch des darin liegenden Tabaks aufzunehmen.

Nach Mocca roch er, so kam es mir wenigstens vor, ein dunkler schwerer Geruch der die Nase aufs angenehmste berührte. Tiefschwarz sah er aus, schmale Scheiben die aber sehr dick geschnitten waren. Also kramte ich noch nach meinem Reiseschneidebrett und schnitt mit meinem Taschenmesser die Flakescheibe in kleine Würfelchen die ich dann, wie von den Plugs her gewohnt, einfach in die Pfeife rieseln ließ. Ein paar Streichhölzer später brannte der Tabak und ich verspürte einen herrlichen, leichten Mocca-Geschmack auf der Zunge, im Hintergrund möglicherweise noch einen Hauch von Latakia. Da habe ich aber einen außergewöhnlich guten Tabak erstanden, dachte ich mir und gab mich dem Wohlgeschmack der Pfeife und des Tabaks hin.

Was mir auffiel war die wunderbare Weichheit des Tabaks auf der Zunge, mir fällt da immer nur die abgedroschene Phrase vom Zungenschmeichler ein. Und diese Weichheit, diese Eleganz des Aromas blieb die ganze Pfeifenfüllung über erhalten, änderte sich auch nicht als ich später nachzünden mußte. Oftmals ist es ja der Fall dass ein Tabak nach einem erneuten Anzünden irgendwie scharf und bitter schmeckt. Allerdings ist der Erin Isle Flake ein Tabak der sehr langsam und bedächtig geraucht werden muß, schnelle und hektische Züge nimmt er schnell übel, dann beginnt er zu nässeln und sottern. Aber langsames und ruhiges Rauchen ist ja eigentlich bei allen Tabaksorten ein unabdingbares Muß.

Ja, so saß ich da im wunderschönen Forbury Park zu Reading in der Grafschaft Berkshire in jenen Maitagen und rauchte still und überaus zufrieden die erste Pfeife mit diesem außergewöhnlichen Tabak. Und wußte dabei schon genau daß noch viele weitere folgen würden.

Ich schaute den Rauchwolken nach wie ich es gerne tat, war glücklich und zufrieden. Zufrieden mit mir, mit der Welt und überhaupt mit Allem.

Mein Blick fiel auf das große Denkmal mit dem majestätisch dahinschreitenden Löwen, der nur den einen Fehler hatte: er ging im Paßgang. Und die Legende wollte es dass sich der Schöpfer dieses Denkmals das Leben nahm als ihm bewußt wurde dass er hier einen ziemlichen Fehler begangen hatte, aber wie gesagt: eine Legende nur.

Die Strahlen der Sonne ließen die Blüten des Wallflowers in den gepflegten Rabatten aufleuchten, dazwischen die in ebenfalls unzähligen Farben blühenden Stiefmütterchen. Still und ruhig war es im Park, nur schwach war der Verkehrslärm der Stadt mit ihrer Geschäftigkeit zu hören.

Ein etwas frischer Wind ließ mich frösteln und drängte mich zum weitergehen.
Ich ging durch den Park zu den Abbey Ruinen. Grau und wuchtig türmten sie sich empor, alte Kastanienbäume dazwischen, ein durchaus romantischer Anblick. Henry I. wurde hier in dieser Abtei im 12. Jahrhundert begraben, so kündete es eine kleine Tafel an der Mauer. Aber der fremde Wanderer würde sein Grab vergeblich suchen, es ist nicht mehr vorhanden. Die Wirren längst vergangener Zeiten und Cromwells Horden haben es zerstört so wie sie die einstmals prächtige, reiche Abbey zerstört haben.

Unmittelbar neben den Ruinen der Abbey die hohe, aus-und einsperrende Mauer des Reading Prisson. 1895-1897 wurde dort der berühmte Schriftsteller und Dichter Oscar Wilde inhaftiert. Zwei lange Jahre unter unmenschlichen Bedingungen die in seiner Dichtung "The ballad of Reading gaol" (1898) in Worte gefaßt wurden.

Meine Pfeife war ausgegangen und ich zündete sie wieder an, dann ging ich weiter auf meinem doch etwas ziel-und planlosen Weg, aber ich hatte Zeit, war im Urlaub, nichts drängte mich, nichts eilte. Es ist etwas wunderbares wenn man Zeit hat.

 


Er führte mich hinunter zum River Kenneth und schaue eine Weile den Enten zu wie sie in dem träge dahinfließenden Fluß herumpaddeln, tauchend nach Futter suchten und schnatternd ihre Kreise zogen. Zwei Schwäne schwammen vorüber, stolz und hochmütig, beinahe arrogant die Köpfe erhoben.

Meine Pfeife war nun zu Ende geraucht, ich schüttelte sie aus und der feine Aschestaub wurde vom Winde verweht. Als ich diese Worte schrieb mußte ich einen Moment wegen dem Anklang an einen großen und berühmten Film schmunzeln.
Es begann wieder fein zu Nieseln und ich ging zurück in die Stadt, setzte mich in ein kleines Cafè am Eingang zur Harris Arcade, bestellte mir einen Pot of Tea und begann die zweite Pfeife mit dem Erin Isle zu füllen.

Nun, viele Wochen danach, sitze ich in meinem Garten und mache mir auf einem Blatt Papier Notizen zu dieser Beschreibung eines Tabaks und in meiner Pfeife glimmt wieder der Erin Isle. Und der Duft der Tausendnelken neben meiner Bank vermischt sich mit dem Aroma meines Tabaks. Ich sitze da und überlasse meine Gedanken der Erinnerung und den Träumen. Ich bin Glücklich.

Erin Isle Flake, Hersteller unbekannt. Erhältlich nur in GB