Alfred & Christian Petersen´s Premier Cru

Joachim Acker

 

Neulich kam ein kleines Päckchen an. Neugierig öffnete ich es, ein Päckchen Tabak lag darinnen. Ein lieber Freund, Dmitry aus Kiew, wolte mir eine Freude machen und hat ihn mir aus seiner Heimat mitgebracht.

Dann, abends als ich nach des Tages Arbeit im Garten auf meiner Bank saß, öffnete ich den Pouch. Eine kurzfaserige, mittelbraune reine Virginia Mixture der ein etwas herber und durchaus natürlichen Duft entströmte lag darinnen. Der Tabak fühlte sich etwas trocken an, so kam es mir wenigstens vor, war ich doch als reiner Flake- und Plug-Raucher feuchtere Tabaksorten gewohnt. Ich stopfte meine Pfeife, zündete an und rauchte die ersten Züge. Es war ein guter Tabak, ein ehrlicher reiner Tabak ohne irgendwelchen Aromaschnickschnack, etwas herb aber nicht bissig, nicht gerade leicht aber auch kein Reißer. Mittelkräftig würde ich ihn einschätzen. Gut zu rauchen obwohl er, wie schon gesagt, etwas trocken ist.

Und als ich so da saß und rauchend den bläulichen Rauchwolken nachschaute kam es mir in den Sinn welch langer Weg der Tabak zurückgelegt hatte bis er bei mir war. Angebaut irgendwo in Übersee, gemischt und verpackt in Dänemark, nach Kiew verschickt und von dort in mein heimatliches Tal gekommen. Hier war nun sein langer Weg zu Ende, hier fand der Premier Cru seine Bestimmung.

Ja, so saß ich nun da in meinem Garten, rauchte und ließ meine Gedanken wandern, gen Osten, in die weiten Ebenen Rußlands, in die Heimat meines Freundes. Und ohne dass ich es wollte, kamen mir die Gedanken in den Sinn, dass es Angehörige meines Volkes waren, die unermeßliches Leid und Elend über die Menschen in diesem fernen Land brachten. Es ist Vergangenheit. Gewiß. Aber dennoch sollte es nicht vergessen werden. Mahnend und warnend vor menschlicher Hybris sollte es immer vor uns stehen.

Ich schüttelte diese düsteren Gedanken, die von mir Besitz ergiffen hatten und die in einer Tabakbeschreibung wohl nichts zu suchen haben, ab, stand auf und ging in meinem Garten auf und ab. Rauchte meine Pfeife dabei und betrachtete die Blumen, die in den Beeten wuchsen, ich atmete den Duft der vielfarbigen Tausendnelken ein, erfreute mich an den Rosen und an den Taglilien die soeben aufgeblüht waren. Zwischen den Zweigen einer Rose hatte eine Kreuzspinne ihr radförmiges Netz gewoben und irgendwo in Gewirr der Blätter lauerte die Jägerin auf ihre Beute. Irgendwann wird sich eine lebensmüde Fliege im Fangnetz verheddern und zum leckeren Schmaus der Achtbeinigen werden.
Eine Amsel setzte sich auf einen Zweig des Haselnußbusches, äugte zu mir hinunter, flatterte dann schimpfend weiter. Sie empörte sich nicht wegen mir sondern wegen Luise, des Nachbarn Katze, die samtpfötig leise angepirscht kam. Ich bückte mich und wollte sie streicheln aber ein Pfotenhieb belehrte mich dass sie ihre Ruhe haben wollte.

Meine Pfeife war ausgegangen und ich entzündete sie wieder, rauchte diesen vorzüglichen Tabak weiter. Er schmeckt wirklich gut, dachte ich mir. Wäre ich ein Mixture-Raucher würde ich ihn mir öfters kaufen obwohl es ihn in Deutschland, wie so vieles Gutes, nicht im Handel gibt. Seine Beschaffung dürfte also mit gewissen Unannehmlichkeiten verbunden sein.

Von der nahem Kirchturmuhr schlug es die fünfte Stunde, meine Pfeife war leer geraucht, ich schüttelte die feine graue Asche ins Gras und ging hinein ins Haus um mir mein Abendbrot zu machen.

Premier Cru Mixture. Hergestellt von Alfred & Christian Petersen in Dänemark. Preis auf der in russischer Schrift abgefassten Steuerbanderole: 40 Kopeken.
Es gibt übrigens auch einen Premier Cru Flake.