Kaffee aus der Teekanne?

Willi Albrecht

 

Eigentlich sollte man denken, das jeder Tabak in jede Pfeife passt und dieser Artikel vollkommen überflüssig ist. Ist es nicht ein wenig snobistisch zu meinen, man müßte für jedes Kraut eine eigene Pfeife haben?

Meine hier aufgeführten Gedanken sollen wie immer nur zum Nachdenken über die eigenen Rauchgewohnheiten und zu Diskussionen mit Gleichgesinnten führen. Regeln oder Dogmen zu verbreiten liegt nicht in meiner Absicht.

 


Der langjährige Pfeifenraucher, der schon vor ewiger Zeit „seinen“ Tabak gefunden hat, kann sich bei der Lektüre meiner Überlegungen entspannt zurücklehnen. Dieser glückliche Mensch hat ganz selbstverständlich ein in sich funktionierendes System aufgebaut. Schlecht funktionierende Pfeifen hat er im Laufe der Zeit aussortiert, gegen bessere ausgetauscht und Tabake probiert er schon lange nicht mehr, weil eh nichts über seine „My Own Blend“ geht.

So entsteht konsequent eine ideale Kombination zwischen Pfeife und Tabak. Die Pfeifen haben längst das Aroma des Lieblingstabaks in sich aufgesogen, lassen sich wunderbar und ohne große Aufmerksamkeit rauchen und sei das Abbrandverhalten des Krautes noch so oft in irgendwelchen Veröffentlichungen kritisiert und sein Geschmack verteufelt worden. Hier stimmt einfach alles und man ist glücklich und zufrieden.

Crossover bei Raucher und Pfeife
Doch es gibt ja auch noch eine andere Art Raucher: der rastlose, experimentierfreudige und ewig suchende. Im Laufe des Tages raucht er mindestens fünf verschiedene Tabake in wahllos gegriffenen Pfeifen. Er beginnt den Morgen mit einer leichten Vanille-Mixture, die er sich in eine Billard stopft welche gestern Abend noch für das Latakia-Experiment herhalten mußte. Tagsüber werden ein paar fruchtige Mischungen konsumiert, weil das Raumaroma im Büro so gut ankommt. Gegen Abend versucht er es wieder mit dieser englischen Mixture, allerdings ist jetzt die Latakia-Pfeife ja schon benutzt. Doch da hätten wir ja noch die schöne Bent in der vor kurzem der ungeflavourte Virginia so gut schmeckte. Ein wahres Horrorszenario, so wird das nichts.

Gegen eine breite Palette an Tabaken ist ja gar nichts zu sagen, niemand behauptet, das man nur einen Tabak rauchen darf. Durch das häufige Wechseln der Tabaksorten entstehen allerdings ein paar Probleme. In den Pfeifen vermischen sich die verschiedenen Aromen und die Vanille-Mixture schmeckt plötzlich nach Latakia. Das sogenannte „crossover“ kann einem den besten Tabakgeschmack verderben, ja sogar die Pfeife zu einem nichtssagenden Rauchgerät verkommen lassen. Wer einmal einen natürlichen Virginia in einer Pfeife probiert hat, die vorher (und sei es Wochen vorher) mit einem hocharomatischen Tabak wie dem RB, dem Bulldog oder dem Condor Bekanntschaft gemacht hat, weiß, wovon ich rede.

Aber auch die Geschmacksnerven des Rauchers werden überstrapaziert. Anders als zum Beispiel beim Essen, wo man gerne nach salzigen Dingen zu etwas Süßem greift um die Sinne wieder zu reizen, verliert man beim gleichzeitigen Genuß von unterschiedlichen Tabaken den „Überblick“ und weiß schlußendlich nicht mehr, was gerade in der Pfeife glimmt.
Vielleicht sollte man einmal das Experiment wagen und sich vornehmen, eine 50g-Dose eines bestimmten Tabaks in ganz bestimmten Pfeifen zu rauchen und erst wieder zu einem anderen zu wechseln, wenn die Dose leer ist. Durch die „monogame“ Beschäftigung mit nur diesem einen Tabak wird man schnell hinter seine Eigenarten kommen, sein Abbrandverhalten und seinen wirklichen Geschmack erfahren. Auch die Stopftechnik für die ihm eigene Schnittart und Feuchtigkeit wird besser werden und einfacher von der Hand gehen. Das Problem des crossovers wäre damit aus der Welt geschafft, der Genußfaktor erhöht sich erheblich.



Im Normalfall reicht es aus, wenn man seine Pfeifen für verschiedene Tabakrichtungen reserviert. Also kommen niemals latakiahaltige Mischungen in Pfeifen die für Virginias gedacht sind. Für die aromatischen Sorten gilt das natürlich ebenfalls: Vanille-, Kirsch- und Karamell-Tabake bekommen jeweils ihre eigenen Pfeifen zugewiesen.

Um das ganze aber auf die Spitze zu treiben: ich besitze einige Pfeifen, aus denen ich wirklich nur eine ganz bestimmte Tabaksorte rauche. Kein anderer Virginia kommt in meine Kendal-Plug-Pfeifen und für den Dunhill De Luxe Navy Rolls habe ich drei Pfeifen reserviert aus denen er unvergleichlich gut schmeckt. Mit diesem Luxus nähert man sich dem eingangs beschriebenen Idealzustand.

Und ganz nebenbei: Vergessen Sie den Unsinn von wegen in einer Meerschaumpfeife könnte man alles lustig durcheinanderrauchen weil dieses Material den Geruch des Tabaks nicht annimmt. Das ist vielleicht bei einer Porzellanpfeife der Fall aber nie beim Meerschaum.

Tabak-Schnittart und die Kopfgröße
Eine alte Regel besagt: Je gröber die Schnittart desto größer soll der Durchmessser des Pfeifenkopfs sein. Und diese Regel hat ihre Berechtigung. Nehmen wir als Beispiel eine Ready Rubbed- oder auch Broken Flake-Mixture, eine häufig anzutreffende Schnittvariante in unseren Landen. Hier wurde ein Flake maschinell aufbereitet und in mehr oder weniger grobe Stücke zerteilt um ihm im Gegensatz zu einem „Normalschnitt“ eine längere Glimmdauer zu geben. Allerdings lassen sich die harten Stücke nicht so gut in die Pfeife einbringen, sie sind sperrig und schmiegen sich nicht weich der Wandung des Kopfes an. Jetzt stelle man sich vor, wie das in einem kleinen Kopf aussieht: Die Hälfte der Füllung besteht aus Luft, die Flakeanteile liegen wie Balken kreuz und quer und verhindern genau das, was der Hersteller bezweckte, einen sauberen, langsamen Abbrand. Hat der Kopf aber einen größeren, der Schnittart angepassten Durchmesser, können sich die Tabakteile beim Stopfen besser verteilen wodurch eine gleichmässige Füllung und damit harmonisches Rauchen gewährleistet ist.

 

Hier ist die Kopfgröße eindeutig zu klein
Der gleiche Broken Flake in einem größeren Kopf


Ein anderes Beispiel verdeutlicht es vielleicht noch besser. Der Three Nuns, ein Curley aus Virginia und Perique, schmeckt mir am besten, wenn ich die einzelnen Scheiben übereinander in die Pfeife stapele. Dazu muß aber der Kopf mindestens den Durchmesser der Scheiben haben. Oder ein Flake wie der Glengarry. Mit der „Knick-Falt-Methode“ ist sein Geschmack bei weitem ausgeprägter als in kleine Teile zerbröselt. Das hier nur ein weiterer Durchmesser, der dem Tabak Platz zum Ausdehnen gewährt, zum Erfolg führt, ist eigentlich logisch.

Ach ja, wenn das doch nur alles so einfach wäre. Denn da gibt es zum Beispiel Flake-Liebhaber, die genießen ihren Lieblingstabak aus einer Chimney (siehe z.B. hier: "Tabak Bob´s Choc"), also einer hohen, schlanken Form mit geringem Durchmesser und behaupten, nur so könnte man Flake ordentlich rauchen. Wie so oft beim Pfeiferauchen kann also auch hier keine allgemeingültige Regel aufgestellt werden. Aber macht nicht gerade das den Reiz der Sache aus? Wo keine Regel existiert, ist stattdessen reichlich Platz für die eigene Kreativität.

Wo gibt es das heute schon noch?