Die Tonpfeifen,
eine kleine Betrachtung über einen zerbrechlichen Gegenstand

Joachim Acker

Teil 3: Deutschland

"Nachdem das Mahl beendet war, wurden die weißen Tonpfeifen aus der Ecke geholt und angebrannt"
Theodor Storm "Der Schimmelreiter"

Von England über den Kanal kommend, Holland und Frankreich erobernd, war der Rhein kein unüberwindbares Hindernis für die weitere Verbreitung des Tabakrauchens gegen Osten. Der erste Nachweis dieser neuen Sitte auf deutschem Boden finden wir in dem Brief eines Franziskanermönches aus Aachen der nach Köln schrieb, es sei "viel spanisch Volk hier, alwo sie schlechte Sitten eynführen, wie da besonderlich sie eyn neue art von ausgelassenheyt demonstrieren, alß da ist daß Ausblasen von rauch. Die Soldaten außm spanischen lant stoltzyren allhiero umher und fressen feuer zambt deme rauch und daß domp vollk 0bwundert sich schier." Anmerkung 1

Einen anderer Nachweis bezieht sich auf Hamburg: "Bereits 1595 ist das Rauchen in Hamburg durch schriftliche Quellen belegt, und 1598 erhielt der in Hamburg-Harburg residierende Herzog Otto zu Braunschweig-Lüneburg durch einen englischen Diplomaten Tabak und Tonpfeifen." Anmerkung 2

Der entgültige Durchbruch und die weitere Verbreitung des Pfeiferauchens kam aber zwei Jahrzehnte später. Im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts beginnt in Deutschland das große Morden, der Dreißigjährige Krieg mit all seinem Schrecken nahm seinen Anfang und in seinem Gefolge überfluteten Söldnerheere aus aller Herren Länder das damalige Deutschland, das nun zum Kriegsschauplatz wurde. Söldner aus Holland, England, Spanien und später aus Schweden, denen das Rauchen schon geraume Zeit bekannt war, brachten nicht nur Tod und Verderben sondern auch die neue Sitte des "Tabaktrinkens" zu der über dieses unbegreifliche Tun staunenden Bevölkerung. Anmerkung 3

Den Tabak als Heilpflanze kannte die Menschen ja bereits, er war ihnen durchaus vertraut denn oft genug hatten sie schon von diesem Panazee (Allheilmittel) gegen allerlei Gebrechen gehört und es möglicherweise in vielerlei Verordnungen schon eingenommen. Das er auch zum Rauchen war erfuhren sie nun von den fremden Kriegsknechten die das Land durchzogen und machten es ihnen schon aus purer Neugier alsbald eifrig nach. Lange nach dem verheerenden Kriege der soviel Leid und Schrecken über die Bevölkerung und das Land brachte schrieb ein Dichter darüber:

"das rauhe waffenvolk musz stets im rauche leben,
es rauchet, wan es ficht von vielem feuer geben,
es rauchet, wenns tabak, den trocknen dolltrank sauft,
kein wunder, dasz es nun so gerne rauch verkauft."

J. GROB versuchgabe (1678) S. 30, Anmerkung 4

Und mit dem Krieg kam die Pest, der "Schwarze Tod", und wütete nicht weniger grausam und unbarmherzig als die fremden Landsknechte. Im Totenbuch von Hachenburg im Westerwald steht die Bemerkung: "Das sterben an der Pest sei so stark gewesen, dass man Särge auf dem Markte feil gehalten habe". Anmerkung 5

Wie sehr Krieg und Pest ein Land entvölkerten, zeigen die Daten für das damalige Herzogtum Württemberg: es soll nach Schätzungen 1618 etwa 400.000 Einwohner gehabt haben, 1648 lebten davon nur noch 50.000 Menschen.
Die Menschen erinnerten sich der alten Geschichten um die Heilkraft des Tabaks, um die vorbeugende Wirkung gegen allerlei Seuchen und Krankheiten. Diejenigen die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht rauchten, begannen es nun aus Angst vor der Seuche, voller Hoffnung, dass sie dadurch verschont bleiben. Siehe dazu auch: "Der Tabak als Heilpflanze".

Die stetig zunehmende Begeisterung für das Rauchen erforderte natürlich auch die Bereitstellung der dazu benötigten Pfeifen. Anfangs wurden sie noch aus Holland importiert doch schon im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts etablierten sich in den deutschen Landen Pfeifenbäcker, die nun eigene Tonpfeifen nach holländischen Vorbildern herstellten.
Seit in Deutschland die Geschichte der Tonpfeifen systematisch erforscht wird sind über 250 Produktionsstandorte bekannt. Ein früher Nachweis für eine Tonpfeifenbäckerei führt uns nach Mainz, die dortige Manufaktur wurde im Jahre 1634 gegründet. Möglicherweise auch schon 1628 wenn man einer anderen Quelle Glauben schenken darf.
Einen der ältesten namentlichen Belege über die Existenz eines Pfeifenbäckers finden wir in Leipzig. In einem Totenbuch gibt es aus dem Jahre 1656 den Eintrag, dass Hans Tielmann, Töpfermeister und Tabakspfeifenmacher, im Dezember seinen Sohn begraben hat. Einen ebenfalls sehr frühen archäologischen Hinweis auf den Gebrauch von Tonpfeifen, belegt ein Fund, der in einer Schuttverfüllung (datierbar zwischen1619 und 1622) in der Unteren Neckarstrasse 74, 1986/87 in Heidelberg gemacht wurde. Es wurde ein Model gefunden, dass zum Gießen eines vollplastischen Pfeifenkopfes verwendet wurde, also einer Pfeife, die nicht zum Rauchen diente, sondern vermutlich als Teil einer Statue angesehen werden kann. Es muss also schon um 1619 das Rauchen aus Tonpfeifen in Heidelberg bekannt gewesen sein, denn dieser Model kann durch verschiedenen Begleitumstände in das Jahr 1619 datiert werden.

Eine überregionale Bedeutung hatten die Pfeifenhersteller aus dem Westerwald, aus Sachsen, Niedersachsen und Hessen.
"In relativ hoher Funddichte liegen Produkte aus dem Rhein-Neckar-Gebiet (Mannheim, Frankenthal), aus dem Westerwald, aus Südniedersachsen und Nordhessen (Großalmerode, Uslar, Walbeck u.a.) sowie aus Sachsen (Grimma) vor, während umfangreiche Funde in Bayern zwar deutscher Provenienz sind, Herstellungsorte aber noch nicht benannt werden können." Anmerkung 6

Immer wieder werden bei archäologischen Ausgrabungen, bei Baumaßnahmen und als Lesefunde auf den Feldern, Tonpfeifen gefunden, die auf diese Standorte hinweisen.

Der Großraum Mannheim-Frankenthal beherbergte ebenfalls eine Anzahl von Pfeifenbäckereien die sich den Umstand, dass dort auch Tabak angebaut wurde, zu nutzen machten. Tonpfeifenfunde, die auf Schloss Oberstein (Idar-Oberstein) gemacht wurden, zeugen davon, dass Frankenthaler Pfeifen nicht nur in den Süden exportiert wurden, sondern auch in nördliche Regionen. Die Auswertung von Tonpfeifenfunden in der Schweiz lässt einen Import von Ware aus Frankenthal bereits um 1650 erkennen. Im 18. Jahrhundert lieferte dann der Westerwald den Hauptanteil an Tonpfeifen für die Eidgenossen.
Werfen wir in diesem Zusammenhang noch einen Blick auf die mittelalterliche Burg Kirkel im Saarland. Bei archäologischen Ausgrabungen die von 1994 bis 1997 stattfanden, konnten neben verschiedenen anderen Fundstücken (Gefäß- und Ofenkeramik, Glas, Münzen) auch zahlreiche Tonpfeifenreste geborgen werden. Darunter befinden sich auch aus weißem Ton hergestellte, anthropomorphe Tonpfeifenköpfe mit plastischen Darstellungen weiblicher Gesichter und stilisierter Haartracht. Ein Fragment war mit "Otto", ein anderes mit der Stielbanderole "Ciriac Ollio" beschriftet.

     

Bild 1-3, Tonpfeifen von der Burg Kirkel (Bildnachweise im Anhang)

Ferner noch Fragmente mit Fersenmarken, die sich zum Teil einem Hersteller zuordnen lassen. So konnte z. B. der Pfeifenbäcker Phillip Finsler aus Mannheim durch den Stempel HPV identifiziert werden, ein anderer Stempel deutet auf einen Pfeifenmacher aus Frankenthal hin.

Köln gehört mit zu den ältesten Pfeifenherstellerorten in Deutschland, allerdings ist dies bis heute nur archivarisch belegt, eine Werkstatt konnte noch nicht gefunden werden. 1989 erwarb das Stadmuseum Köln eine Tonpfeifensammlung, ca. 200 Köpfe und Stiele alles in allem. "Der Besitzer gab an, sie seien alle zusammen in einem kleinen Ofen gefunden worden. Diese Aussage wird durch die Beobachtung unterstützt, dass zahlreiche Tonpfeifen mit zu hoher Temperatur gebrannt wurden und möglicherweise zu einem Brand gehören. Die Pfeifenköpfe sind doppelkonisch oder trichterförmig und in die Zeit um 1680 zu datieren. Aufgrund der Kopfformen und Dekore lassen sich zehn Gruppen bilden. Marken kommen nicht vor, aber Pfeifen der Gruppen II, IV und IX tragen die Initialen "M.P." am Pfeifenkopf. Bisher ist es nicht möglich, diese Initialen einem der namentlich bekannten Kölner Pfeifenbäcker zuzuweisen. Die Pfeifen erfuhren nach dem Ausformen nur eine flüchtige Bearbeitung, obwohl sie mit den international verbreiteten Modellen um 1680 vergleichbar sind. Unterschieden werden 24 Modelle. Dies setzt eine entsprechende Anzahl von Pfeifenformen in der vermutlich recht großen Werkstatt des Pfeifenbäckers voraus." Anmerkung 7

Bild 4, Tonpfeifen aus Mainz

Wohlan, laßt uns zusammen einen kleinen Streifzug durch die deutschen Regionen und Herstellungsorte unternehmen.
Beginnen wir im Westerwald, der zum Bundesland Rheinland-Pfalz gehört. Begrenzt wird diese Landschaft, die zum rechtsrheinischen Schiefergebirge gehört, im Westen mit dem Rhein, nach Norden zu durch die Sieg, im Osten bilden die Dill und im Westen die Lahn die natürlichen Grenzen.

Die Pfeifenbäcker des Westerwaldes

"Der Westerwald ist ein hohes Gebirge zwischen Rhein, Lahn und Sieg, worauf man nichts als Himmel, Pfützen und große Steine sieht." (W. H. Riehl)

Die Geschichte der Tonpfeifenherstellung im Westerwald ist sehr eng mit dem Töpferhandwerk verknüpft und dies wiederum, oder gerade deswegen, mit einem Landstrich dem die Leute den Namen "Kannenbäckerland" gegeben haben. Das Kannenbäckerland ist ein Landstrich im vorderen, unteren Westerwald, eine Hochfläche zwischen der Lahnmündung und dem Neuwiederbecken. Der Name "Kannenbäckerland" taucht erst recht spät als eigenständiger Name für dieses Gebiet auf: in einem Gutachten aus Nassau, das wegen dem Raubbau am Holz erstellt wurde, ist der Name im Jahr 1783 bzw. 1796 zum ersten Male nachgewiesen.
Schon seit Alters her wurde in diesem Land das Töpferhandwerk betrieben, erste Nachrichten davon stammen aus dem frühen 13. Jahrhundert, es wurden die Gemeinden Eschelbach, Horressen und Bannberscheid genannt. Diese drei Gemeinden mussten als Lehngabe dem Erzstift Trier 600 bzw. 300 Schüsseln liefern. Ermöglicht wurde die Töpferei durch den Abbau des reichlich vorhandenen Tones, der zudem noch von sehr guter Qualität war, aus ihm wurden die berühmten und weithin gehandelte Grau-Blauen Renaissancegefäße des Kannenbäckerlandes gefertigt.

Die Arbeiter die den Ton abbauten führten ein hartes und karges Leben. Wir lesen:
"Die Tongräber arbeiteten in Kälte, Feuchtigkeit und bei großer körperlicher Anstrengung. Neben Rheumatismus und häufiger Lungentuberkulose herrschte eine gewisse Gewöhnung an den Alkohol. "Ein Tongräber konsumiert täglich 1/4 bis 1 Liter Schnaps"." Und ein gefährliches Leben noch dazu: "Man hatte die alten Glockenschächte verfüllt. Dazu wurde meist pflanzlicher Abfall benutzt. Wenn unter Tage ein solches 'Nest' - im Volksmund 'ahle Mann' genannt - angestochen wurde, konnte es wegen der Fäulnisgase zu verheerenden Explosionen kommen. Neben der Unfallgefahr waren die Tongräber der besonders schlechten Luft in den Glockenschächten und Stollen ausgesetzt - trotz der schleppend eingeführten Bewetterungen." Anmerkung 8

Die Töpfer, auch "Euler" genannt organisierten sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einer Zunft und stellten im Jahre 1643 eine für alle Töpferbetriebe verbindliche Zunftordnung auf. Es gab zwar noch ein paar Streitereien und diversen Unklarheiten (Konfessions- und Landesgrenzen) aber mit dem Ende des 30jährigen Krieges war die Zunft gefestigt.
Als dann das Rauchen und damit die Tonpfeifen populär wurden, begannen vereinzelte Töpferbetriebe nebenbei auch noch Tonpfeifen herzustellen, zuerst kopierten sie die holländischen Pfeifenformen und Dekors, später dann entwickelten sie eigene Verzierungsmotive. Die Westerwälder Pfeifenbäcker schlossen sich in den Jahren 1775 bis 77 in einer eigenen Zunft zusammen, davor waren sie ja noch Teil der Töpferzunft und versuchten so ihre wirtschaftlichen Interessen gemeinsam zu vertreten. Das Handwerk der Pfeifenbäcker war nicht gerade auf Rosen gebettet, es war ein Armutsgewerbe. Holz zum Brennen war teuer, der Ton ebenfalls nicht billig und der Händler, der die fertigen Pfeifen in den Handel brachte, wollte ebenfalls klingende Münze sehen, vermutlich war er es, der den Rahm abschöpfte. Außerdem war der Wettbewerb sehr groß, einheimische Pfeifenmanufakturen gab es in großer Anzahl, dazu kamen dann noch die Holländer, auch sie brachten ihre gute Ware ins Land. Nur derjenige, der Geld genug hatte sich teure Formen für die Pfeifenherstellung zu kaufen und der immer wieder neue Formen und Verzierungen der Köpfe auf den Markt brachte, konnte es zu etwas bringen.
Oftmals war die Pfeifenherstellung auch ein Nebenerwerb. Es wird berichtet, dass zur Erntezeit keine oder nur wenige Tonpfeifen hergestellt wurden, weil da die Arbeiter auf den Feldern waren und die Ernte einbrachten. Im Winter, wenn die Saisonarbeiter (Maurer, Maler, Pflasterer z.B.) zu Hause waren, stieg dagegen die Produktion wieder an.

Der Rhein war der wichtigste Verkehrsweg, mit dem die Pfeifenhersteller ihre Ware in den Handel bringen konnten. Auf Lastkähnen wurden die Pfeifen zur Nordsee, nach Hamburg oder Bremen transportiert und gingen von dort weiter in die Länder mit denen die Kaufleute Handel trieben. Als gegen 1800 die Holländer ihre Zölle drastisch anhoben und in Frankreich die Wirren der Revolution für größte Unruhe sorgten, kam der Fernhandel ins stocken.
Die Westerwälder machten aber aus dieser Not eine Tugend und konzentrierten sich mehr auf den Handel mit Süddeutschland, der Schweiz (dort scheint es nach den momentanen Erkenntnissen keine eigene Tonpfeifenproduktion gegeben haben), Österreich und Norditalien.
"Erst ab 1850 setzte wieder ein reger Absatz über Hamburg ein, wobei nur ein geringer Anteil an Tonpfeifen in der Stadt selbst blieb. Wichtiger war der Export nach Übersee, den Hamburger Exporthäuser abwickelten. Als Vermittler zwischen ihnen und den Pfeifenfabriken im Westerwald arbeiteten Handelsagenturen wie die Gebr. Thomae. Wie die erhaltenen 280 Aufträge der Gebr. Thomae an die Pfeifenfabrik W. Klauer in Baumbach aus den Jahren 1880 bis 1887 zeigen, erfüllte die Agentur auch die Funktion des Marktbeobachters und gab dem Pfeifenhersteller wichtige Anregungen für neue Pfeifenmodelle oder Hinweise auf das Verhalten der einheimischen Konkurrenz." Anmerkung 9

Die wohl bekanntesten Pfeifenbäckerorte waren Grenzhausen und Hilgert. Die Gemeinde Hilgert führt sogar zwei Tonpfeifen in ihrem Wappen, allerdings erst seit dem Jahre 1987. In der Wappenbeschreibung wird das Wappen erklärt:

"Schild von eingeschweifter silberner Spitz, darin ein über zwei schräggekreuzten blauen Tonpfeifen stehender blauer Krug, gespalten; vorne in Gold vier rote Schrägbalken, belegt mit einem blauen nach links schreitenden Pfau, hinten in Blau
ein goldener Löwe, begleitet von sieben goldenen Schindeln."


Bild 5, Wappen Hilgert

 

Hilgert, der Name deutet mit seiner Endung "-ert, -roth und rod" auf eine Rodung hin, das heißt, das Dorf kann bzw. hat seinen Ursprung im 9. bis hin zum 14. Jahrhundert und ist als Siedlungsflächen durch Rodung eines Waldstückes entstanden. Erstmals urkundlich erwähnt wird Hilgert im Jahre 1340:
"als Heymart von der Linden, Klosterbruder zu Laach, der den Vetter des Lupreicht von Hilgert erschlagen hatte, eine Rente für ein ewiges Licht in der Kirche zu Alsbach bestellen sollte. Es scheint, daß es sich hier um einen Angehörigen eines früh erloschenen Ortsadels handelt." Anmerkung 10

"Hilgert hatte 1664 13 Häuser; davon stand eins leer. 1734 zählte man im Ortsteil Faulbach 35 Untertanen, sieben Witwen und einen Beisaß in 37 Häusern. Darunter in Hilgert allein 22 Kannenbäcker, einen Pfeifenmacher, einige Fuhrleute, zwei Schuhmacher, einen Rotgerber und einen Zimmermann." Anmerkung 10

Ursprünglich wurden die Tonpfeifen zuerst in Köln angefertigt, Händler aus dieser Stadt brachten irgendwann im 17. Jahrhundert Pfeifenformen in den Westerwald und ließen von Stund an in dieser Gegend arbeiten. Vornehmlich, ich habe es schon angedeutet, im Nebenerwerb der Kleinbauern die auf einen zusätzlichen Verdienst dringend angewiesen waren. Nicht umsonst nannte W.H. Riehl den Westerwald: Das "Land der armen Leute".

In Höhr sind die ersten Pfeifenbäcker 1708, in Grenzhausen 1722 nachgewiesen. In Hilgert gab es im Jahre 1737 erst einen Pfeifenmacher, etwas mehr als 100 Jahre später, 1875, bereits 38 und im Jahre 1894 waren es 42 Pfeifenmacher, die zusammen 140 Menschen beschäftigten. Von da an ging die Zahl der Betriebe und Beschäftigten zurück, die Übermacht der Bruyeré-Pfeifen war zu groß geworden. Heute gibt es nur noch zwei Betriebe, welche Tonpfeifen anfertigen.

Die Westerwälder Erzeugnisse wurden weithin gehandelt. So fand sich in Schleswig-Holstein eine Tonpfeife, deren Stieltext den Hilgerter Pfeifenbäcker Johannes Radermacher (geboren 1745, gestorben 1802) als Hersteller auswies.
Eine weitverzweigte Pfeifenbäckerfamilie waren die Dorn´s aus Grenzhausen, Jacob Heinrich Dorn, Peter Dorn, Johannes Dorn und die Gebrüder Dorn ( Peter, Johannes und Johannes Heinrich). Viele Tonpfeifen tragen in ihrem Stiel die Aufschrift "Peter Dorni", lassen sich aber wegen der verzweigten Verwandtschaft nicht eindeutig zuweisen. Neben den Peter Dorni Pfeifen gibt es noch andere mit der Aufschrift "Peter Dorzi" und "Willhelm Dorni", es hat den Anschein als würde es sich hier um Plagiate handeln mit denen in- oder ausländische Pfeifenhersteller an dem guten Verkauf der Dorni-Pfeifen Anteil haben wollten.
In Ahaus (Nordrhein-Westfalen) konnten neben vielen Pfeifen aus den Niederlanden ebenfalls einige (5) Dorni Pfeifen gefunden werden.
Archäologische Ausgrabungen auf der Feste Oberhaus in Passau erbrachten den stattlichen Fundkomplex von 1466 Tonpfeifenfragmenten, die aus der Zeit von 1630 oder 1640 bis 1680 stammten. Sie sind ohne Marken und von mäßiger Qualität und deuten auf frühe deutsche Pfeifenherstellung hin. Pfeifen aus dem 18. Jahrhundert können an Hand der Markierungen Manufakturen in den Niederlanden und dem Westerwals zugewiesen werden.
Eigenartigerweise befinden sich unter diesen Tonpfeifen keine Exemplare des seit 1716 archivarisch belegten einheimischen Pfeifenbäckers Johann Stiegler, er fertigte bis 1738 seine Pfeifen. Andere Hersteller in Passau waren Johan Geissler (1723 bis 1777) und Johann Kollmann (1777 bis vermutlich 1800). Aber auch von ihnen gab es keinen Nachweis auf der Festung. Die Wohnhäuser dieser Passauer Pfeifenbäcker sind bekannt, aber auch dort wurden keine Pfeifen gefunden, dies ist recht eigenartig und ungewöhnlich.
Auffällig bei den Funden aus der Feste Oberhaus ist auch der relativ hohe Anteil von grünglasierten Tonpfeifen, die aus dem 17. Jahrhundert stammten.
Und weil wir gerade in Bayern sind, wollen wir noch einen Sprung nach Aschaffenburg machen.
Bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Gelände der "Alten Dechantei" wurden Kellerräume, Latrinen und ein Brunnen freigelegt. Die Latrine wurde offenbar nur für den Abfall eines recht großen, möglicherweise mehrtägigen, barocken Festes angelegt, benützt und dann sofort wieder verfüllt. Hier und in Kellerräumen fanden sich zahlreiche weggeworfene Gegenstände, darunter auch 270 Tonpfeifenfragmente. Datiert werden kann der Fund um das Jahr 1740. Die Pfeifen sind im Aussehen (Kopfform, Größe und Qualität) einander recht ähnlich. Die Köpfe tragen das Goudaer Markenzeichen, als Fersenmarken sind die "46" mit und ohne Krone, die Marke "Schlüssel", sowie "BBW" und das "Pfeilebündel" eingestempelt. Alles Marken die von Pfeifen aus Gouda bekannt sind. Die Pfeifenstiele tragen die Aufschrift "Gouda" aber bei vielen ist dieser Schriftzug in deutscher Schreibweise als "Gauda" eingebracht worden. Dies deutet darauf hin, dass es sich bei diesen Pfeifen um Plagiate niederländischer Pfeifen handelt. Möglicherweise liegen die Herstellungsorte dieser Pfeifen im Westerwald.


Von Hessen nach Norddeutschland

In Hessen ist Großalmerode eine der wichtigsten Produktionsorte für Töpferwaren und Tonpfeifen. Das hatte darin seinen Grund, dass in der Gegend reiche Tonvorkommen zu finden sind, die bis zum heutigen Tage abgebaut werden.
Im 18. Jahrhundert soll Großalmerode keinen besonders erfreulichen Anblick abgegeben haben, die ungepflasterten Wege und Bäche die quer durch den Ort flossen, waren ziemlich hinderlich. Wir lesen in der Ortschronik:
"Ganz anders als heute zeigte sich der Ort im 18. Jh..., ...sie flossen ohne jede brückung durch Großalmerode. Die Wagen fuhren durchs Wasser, die Menschen trippelten über Bohlen oder ins Flußbett geworfene große Steine." Anmerkung 11

Wie einfach und genügsam die Bewohner von Großalmerode lebten erzählt uns ebenfalls die Chronik: "Die Räume in den fast durchgehend kleinen Häusern waren auffällig niedrig und hatten getünchte Wände, die einfachen Räume legte man nur in Kalkfarbe an. Die Decken waren geweißt. Die Fußböden bestanden oft aus Lehm-, Steinplatten oder Ziegelsteinen, manchmal fand man sie gediehlt. Sie und die Treppen im Hause wurden allgemein mit Sand bestreut. Die Fenster bestanden aus kleinen, runden Scheiben in Bleirahmen. Das Feuer war nur mit Hilfe von Stahl, Stein, Schwamm und Fidibus zu gewinnen. Im Kachelofen brannte man Holz oder Braunkohle, im Winter kochten viele auch in der Wohnstube und manche schliefen nicht selten darin. Der Küchenherd war bloß ein gemauerter Aufsatz, in dem als Feuerstelle sich eine Erhöhung mit Rost angebracht fand. Die Töpfe stellte man um das offen brennende Klibbernfeuer. Über dem Herde nahm der weite Rauchfang für den Schornstein den Rauch auf. Einfache Möbel standen im Zimmer. Im Federbett lag als Grundlage der Strohsack. Himmelbetten sah man oft. Nirgends fehlte das Spinnrad, bei zahlreichen Leinwebern auch natürlich nicht der Webstuhl. Kienspan, Talglicht oder Oellampe mit offen brennender Flamme lieferten im Winter das dürftige Licht.
Irdene Gefäße, eiserne Messer und Gabeln bildeten das Eßgeschirr, es gab auch hölzerne Löffel und Näpfe." Anmerkung 11

Im letzten Haus des Eisenberger Weges wohnte seit 1762 der aus Herborn nach Großalmerode gezogene Pfeifenmachergeselle Andreas Knecht, er wurde der Stammvater der Knecht Familie, ihre Pfeifen fanden eine weite Verbreitung, sie wurden in Soest und im Ostharz gefunden.
In der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind in diesem Ort 21 Tabakspfeifenmacher tätig. Einer von ihnen war Christian Casselmann. Um seinen Namen weiter zu verfolgen, machen wir nun einen kleinen Abstecher ins niedersächsische Hann.-Münden.
1995 wurden in einem alten Fachwerkhaus in Hannoversch-Münden zahlreiche Tonpfeifenfragmente, Schamotteplatten, die als Brennofenreste interpretiert werden können, und ungebrannter weißer Ton gefunden.
"Die Analyse der Funde, häufig mit der Stielaufschrift "CHR CSM MUNDEN" versehen, und archivarische Nachforschungen belegen, daß es sich um die Pfeifenbäckerei des Christian Casselmann aus dem zur Landgrafschaft Hessen-Kassel gehörenden Großalmerode handelt, der 1772 in dem kurfürstlichen-hannoverischen Hann. Münden eine zweite Werkstatt eröffnen wollte und 1774 in das Haus Jüdenstraße 6 zog. Die große Zahl der Tonpfeifenfragmente und die Tonreste, die aufgrund mineralogischer Analysen als das zur Produktion verwendete Rohmaterial identifiziert werden konnten, belegen die Produktion in diesem Haus, auch wenn ein Brennofen nicht mehr archäologisch festgestellt werden konnte. Christian Casselmann gab die Pfeifenbäckerei in Hann. Münden bereits 1776 wieder auf, so daß sich für die zumeist mit der Marke "Springendes Pferd" bzw. "Niedersachsenroß" gezeichnete Pfeifen eine sehr exakte Datierung ergibt, die für die Interpretation von Fundstücken an anderen Orten von größter Bedeutung ist." Anmerkung 12
Ebenfalls in der Jüdenstrasse von Hannoversch Münden wurden bei archäologischen Ausgrabungen Keller und Abfallgruben (Kloaken) gefunden die zahlreiches Fundmaterial bargen, darunter in einer Kloake auch eine Anzahl von Tonpfeifenfragmenten. Ob es da einen Zusammenhang mit der Casselmannschen Tonpfeifenproduktion gibt kann ich aber nicht sagen.

Bilder 6-7, Grabungsplan und Kloake Hann.-Münden

Ebenfalls bei archäologischen Ausgrabungen wurden in Soest/Westfalen am Burgtheaterplatz 560 Tonpfeifenfragmente geborgen, darunter waren 121 verzierte Stücke. Frühe Exemplare aus dem 17. Jahrhundert werden vermutlich aus den Niederlanden eingeführt worden sein. Bei Fragmenten aus dem 18. Jahrhundert kann auf Grund der Marken (W. IP, HD9) eine mögliche Herkunft aus dem Westerwald angenommen werden. Bei Fragmenten mit einem Stieltext konnte der Name Andreas Knecht identifiziert werden, ein Pfeifenbäcker aus Großalmerode. Dieser Name ist uns schon weiter oben bei den Pfeifenfunden aus dem Harz begegnet.
Es muss mit Nordhessen einen regen Handel gegeben haben, gefundene Keramikreste deuten ebenfalls darauf hin. Obwohl die Bevölkerung von Soest mit deutschen Pfeifenprodukten ausreichend versorgt war, stand ihnen dennoch ein reichhaltiges Angebot niederländischer Ware (von de Jong und van der Velde) zur Verfügung. Das ist, so finde ich, für eine Kleinstadt des 18. Jahrhunderts doch recht beachtlich.

Und wenn wir uns gerade in Soest befinden sei an den Dichter Johann Jacob Christoffel von Grimmelshausens erinnert und an sein Buch "Abentheurlicher Simplicissimus Teutsch". Er nennt seinen Helden und Erzähler Simplicissimus in 28 Kapiteln seines Romans den "Jäger von Soest" und erzählt seine Lebensgeschichte.
Grimmelshausen schrieb auch den bekannten und immer wieder gern zitierten Satz:
"Teils saufen sie den Tabak, andere fressen ihn, und von etlichen wird er geschnupft,
also dass mich wundert, warum ich keinen gefunden, der ihn auch in die Ohren steckt."
"Satyrischen Pilgram" 1667

Über die Pfeifenbäcker von Herborn und Umgebung ist sehr wenig bekannt. Im frühen 18. Jahrhundert begannen die ersten Pfeifenmacher ihr Handwerk auszuüben. Herborner Pfeifen wurden bis nach Braunschweig verkauft. Die Zunftordnung der Hafner, die aus dem Jahre 1712 stammte, wurde 1725 erneuert und auf das Pfeifenbäckerhandwerk ausgedehnt. Im Laufe der Jahre kam es immer wieder zu Reibereien zwischen der Zunft in Herborn und den im Umland ansässigen ländlichen Betrieben. So wurde z.B. der Zuzug neuer Meister in die Stadt Herborn erschwert und teilweise durch strenge Auflagen stark behindert, ein berufliches Weiterkommen war so beinahe unmöglich. Möglicherweise war dies mit ein Grund, warum Andreas Knecht nach Großalmerode übersiedelte.

1816 wurde von Conrad Bernhard Meyer und G. Kannegiesser in Aurich eine Tonpfeifenfabrik gegründet. Bereits zwei jahre später sollen dort 40 Personen beschäftigt gewesen sein, die pro Jahr 12.000 Gros (1.728.000 Stück) Pfeifen herstellten. Tonpfeifen die in Aurich gefunden wurden, zeigen die eiförmige Kopfform, die für diese Zeit typisch war. Die Herstellermarken sind zum Teil nicht bekannt, es wird jedoch vermutet, dass die Pfeifen nach Holland exportiert wurden und daher Goudaer Marken trugen. Die Firma mußte sich 1839 den Druck der Konkurrenz beugen und stellte ihre Produktion ein.

Bild 8, Rechnung über Tonpfeifen unterschiedlicher Länge

Am Deich westlich von Uelvesbüll in Nordfriesland wurde 1994 ein Schiffswrack gefunden und von den Archäologen ausgegraben. Unter den Fundstücken befanden sich auch 4 Tonpfeifen. Eine Besonderheit war das Auffinden eines hölzernen Futterals auf dem noch die Initialen des Besitzers und die Aufschrift: "Ao16" erkennbar ist.

Bild 9, Schiff von Uelvesbüll in Nordfriesland

Tonpfeifenfragmente, datierbar in die Mitte des 17. Jahrhunderts, die bei Ausgrabungen in Hamburg-Harburg gemacht wurden, stammen teils aus niederländischen, teils aus deutschen Betrieben. Als Herkunftsorte dieser Fragmente konnten erstmals Bremen sowie Celle, Hildesheim, Großalmerode und Walbeck identifiziert werden.

Tonpfeifenreste, die als Lesefunde bei der Schleuse von Saase gemacht wurden, verweisen auf Uslar, Altona und wieder auf Walbeck. Bei diesen Lesefunden handelt es sich im übrigen um Abfall der aus Hamburger Haushalten stammt und dort deponiert wurde, zu datieren vermutlich ins späte 18. Jahrhundert.
"Beide Fundkomplexe belegen den starken Absatz von Tonpfeifen aus Südniedersachsen nach Norddeutschland, wo Tonpfeifen anderer Gebiete (Sachsen, Westerwald) weitgehend fehlen." Anmerkung 13

Bei den schon im zweiten Teil erwähnten Tonpfeifenfunden aus dem Sielbauabraum in Hamburg fehlt zwar der unmittelbare archäologische Kontext weil sie nicht aus einem geschlossenen Fund stammen, sie sind aber dennoch wertvolle Zeugen. Unter den 1050 Tonpfeifenköpfe und ca. 3000 Stielfragmenten stammt das älteste Exemplar aus dem Jahren um 1625, die jüngsten Funde aus der Zeit um 1750 bis 1760. Darunter befinden sich auch die Fragmente einiger sogenannter "Vivat-Pfeifen" Auf dem Kopf ist eine szenische Darstellung eines Tieres zu sehen und die Unterschrift "Vivat Hamburg" oder "Vivat Braunschweig et Luneburg". Bei einer Pfeife auf der beidseitig ein springendes Pferd mit einer Krone dargestellt ist, stand das Herstellungsdatum 1703 darunter eingefügt. Das springende Pferd verweist auf eine niedersächsische Pfeifenmanufaktur, möglicherweise auf Hannoversch-Münden

Bleiben wir noch für einen Moment in Hamburg. Tonpfeifenfunde aus Altona belegen den Namen des herstellenden Pfeifenbäckers, es waren dies:
"Johann Jacob Hoffkamp, der 1777 mit der Produktion in Altona begann, und andere Stiele nennen den Herstellungsort. Daher können nun einige andere, nicht bezeichnete Fragmente durch den Vergleich mit den
bezeichneten Stücken aufgrund der typischen Dekoration als Altonaer Produkte identifiziert werden" Anmerkung 14

Bild 10, Tonpfeife von Johann Jakob Hoffkamp in Altona, letztes Viertel 18. Jahrhundert

Auf Feldern in der Nähe von Petershagen-Windheim in Nordrhein-Westfalen konnten bei Begehungen über 1100 Tonpfeifenfragmente geborgen werden. Diese Fragmente sind zum größten Teil ins 18. Jahrhundert datierbar und überliefern uns ebenfalls die Namen ihrer Hersteller: Johann Friedrich Iser in Hildesheim, Johann Thomas Erdmann in Holzminden und Elias Noll in Wahmbeck. Einige der Pfeifen wurden möglicherweise im Westerwald gefertigt.

Überhaupt scheinen die Felder immer wieder große Mengen an Tonpfeifenfunden freizugeben. Machen wir einen kleinen Abstecher nach Bayern, auf Felder in Erding. Im Laufe von über 20 Jahren konnte dort ein Heimatforscher an die 4000 Tonpfeifenfragmente aufsammeln. Die Mehrzahl dieser Trümmerstücke lässt sich ins mittlere und späte 17. Jahrhundert datieren. Die Herkunft dieser meist sehr grob und unsauber gearbeiteten Pfeifenreste ist noch unklar und bedarf weiterer Forschungen.
Es gibt im übrigen viele Erklärungen wie Tonpfeifenreste auf die Felder von Erding und Petershagen gelangen konnten. Eine Möglichkeit ist diejenige, dass sie dem Besitzer bei der Feldarbeit kaputt gingen und gleich an Ort und Stelle entsorgt wurden. Eine andere Möglichkeit ist, dass kaputte Pfeifen mit dem Mist (die natürliche Mülldeponie früherer Zeiten) auf die Felder gelangten.
Das auf den Feldern von Erding einstmals eine große Schlacht stattfand und die Pfeifenreste von Soldaten, die dort fochten, stammen würde, ist unwahrscheinlich, denn die Geschichte würde davon zu berichten wissen. Erding wurde zwar im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden und Franzosen verwüstet, dies geht aber nicht mit der Datierung der Funde konform.

Das in Harburg schon sehr früh, um 1600 wie schriftliche Quellen berichten, Tabak geraucht wurde, wundert nicht, lag bzw. liegt diese Stadt doch vor den Toren Hamburgs, einer der ältesten und wichtigsten Hafenstädte Deutschlands. Gegen 1630 war das Rauchen auch im weiten Umkreis um Hamburg und Harburg bekannt und wurde fleißig ausgeübt. Analysen des Tonpfeifenfundgutes haben gezeigt, dass die Raucher in den größeren Städten meistens mit Ware aus den Niederlanden versorgt wurden, die ländlichen Gebiete (kleine Dörfer und Flecken) bevorzugten dagegen einheimische Erzeugnisse vornehmlich aus Niedersachsen und Hessen. Einer der Lieferanten war der Pfeifenbäcker Casselmann aus Großalmerode, später dann in Hann.-Münden tätig. Siehe auch weiter oben.
Manchmal sind es besondere Umstände, die einen Fundkomplex in ein besonderes Licht stellen. In Harburg wurden in der Schloßstrasse Tonpfeifenfragmente gefunden, die in die Mitte des 18. Jahrhunderts zu datieren sind, es konnten weder ältere noch jüngere Pfeifen gefunden werden. Möglicherweise hängt diese zeitliche Einschränkung mit einer in der nähe gelegenen Gastwirtschaft zusammen, die ebenfalls nur kurze Zeit existierte.


Ebenfalls nach Harburg führt uns eine Pfeife, die in Bullenhausen Kreis Harburg gefunden wurde. Sie zeigt ein Freimaurer Motiv und da in Harburg eine Freimaurerloge existierte, besteht die vage Möglichkeit, dass diese Pfeife einem der Mitglieder gehörte. Gleiche oder ähnliche Produkte gab es in den Niederlanden und im Westerwald. Wer die Pfeife nun aber fertigte, kann nicht ermittelt werden.

 

Bild 11, Tonpfeife mit Freimaurersymbol

 

In Schleswig-Holstein war das Rauchen ebenfalls seit dem Dreißigjährigen Krieg bekannt. Laut Unterlagen der Hafenbehörde in Tönning wurde Tabak dort seit etwa 1627 eingeführt, für Glückstadt und Itzehoe sind die Jahreszahlen ab 1634 bzw. 1636 bekannt. In Glückstadt gab es ab 1641 eine Pfeifenproduktion die durch englische Einwanderer gegründet wurde, sie erlosch aber gegen Mitte der 1650 Jahre. Erst 1776 etablierte sich in Altona wieder eine Pfeifenbäckerei, sodass in den dazwischen liegenden Jahrzehnten der Pfeifenmarkt von Schleswig-Holstein durch niederländische und hessische Pfeifenhersteller versorgt werden musste. In Itzehoe wurde 1814 von J. Göbel eine Pfeifenfabrik gegründet, die Produktion wurde aber bereits 1869 wieder eingestellt.
Die in Tönning gefundenen Tonpfeifen sind fast alle holländischer Herkunft, genauer gesagt aus Gouda. Einige Fragmente tragen bekannte Marken wie "Lamm unter dem Baum", "König David mit Schwert und Haupt" und die schon oftmals erwähnte "Schlange". Außerdem werden auf Grund der Stieltexte noch die Herstellungsorte Itzehoe, Uslar und Wahmbeck genannt.

Die Tonpfeifenfunde aus dem untergegangenen Dorf Maes bei Maasholm lassen ebenfalls gewisse Erkenntnisse über die Rauchgewohnheiten der ländlichen Bevölkerung zu und geben nebenbei noch eine ziemlich gesicherte Datierung des Dorfes an. Die bei Tauchexpeditionen gemachten Tonpfeifenfunde, es sind an die 347 Stück die im Mündungsgebiet der Schlei gefunden wurden, sind in etwa gleich mit der Besiedlungsdauer des Dorfes das 1701 aufgegeben wurde. Die schriftliche Überlieferung datiert das Dorf auf das Jahr 1640, die Tonpfeifenfunde dagegen reichen bis 1625 zurück. Das Ende des Dorfes im Jahre 1701 ist Anhand der Tonpfeifenfunde nicht so genau festzulegen weil auch noch Funde aus dem 18. Jahrhundert vorhanden sind. Anzumerken sei jedoch, dass es sich hier nicht um einen geschlossenen archäologischen Fundkomplex handelt, sondern um Unterwasserfunde, die auch durch die Strömungsverhältnisse zusammengespült sein können. Bei den Fragmenten handelt es sich durchweg um Fabrikate von nicht besonders hoher Qualität, soweit es sich noch feststellen lässt. Pfeifen mit Herstellermarken sind sehr selten, insofern spiegeln die Funde eine etwas ärmere ländliche Bevölkerung wieder.
Die relativ große Anzahl der Funde an so einem kleinen Platz überrascht, sie deuten auf gute Handelbeziehungen, die an der Schlei durchaus denkbar sind.

Kehren wir für einen Moment nochmals nach Niedersachsen zurück.
Die Stadt Hannoversch-Münden habe ich an anderer Stelle bereits erwähnt. Es sei nur noch zu vermerken, dass in Hann.-Münden die Pfeifenbäckerfamilie Laspe beheimatet war. Die Laspes wanderten nach Altenburg in Thüringen aus und gründeten dort ebenfalls Pfeifenmanufakturen. In einem der unteren Abschnitte werden wir ihnen wiederbegegnen.
Aus Wustrow im Landkreis Lüchow-Dannenberg/Niedersachsen kennen wir ebenfalls Tonpfeifenfunde, sie sind zwar stark fragmentiert, lassen aber dennoch zwei Liefergebiete erkennen: Holland bzw. Gouda, ausgewiesen durch die Herstellermarke "Schlange" (siehe auch Teil 2 Holland)

und Stieltexte die auf Gouda hinweisen. Das zweite Liefergebiet war Niedersachsen, bewiesen durch das "springende Pferd". Eine andere Aufschrift führt in das Gebiet von Danzig das heute zu Polen gehört.

Bild 12, Springendes Pferd und Bild 13, Georgius Rex

Mit Tonpfeifen kann Geld verdient werden, wenn ein Hersteller gut ist, sogar viel Geld. Und wo Einkommen vorhanden ist, hält die Obrigkeit sehr gerne die Hand auf und sichert sich ihren Anteil.
So auch in Niedersachsen: die Tonpfeifen wurden ja schon sehr lange mit einem Herstellerzeichen versehen nun aber kam von der Obrigkeit eine neue Verordnung: Erkennungsmarken für die Pfeifen.
"In den niedersächsischen Herzog- und Fürstentümern wurde im 18. Jahrhundert eine ganze Reihe solcher Marken von der Landesherrschaft verordnet. 1713 verfügte Kurfürst Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg, dass alle Tonpfeifen der neu gegründeten Pfeifenfabrik in Celle mit den Initialen "GLC" zu bezeichnen sind. Die Marke das "springende Pferd" wurde 1768 für alle im Fürstentum Hannover produzierten Tonpfeifen Pflicht. Die Marke "GR" steht für "Georg Rex" und bezeichnet die drei Kurfürsten dieses Namens, die zugleich Könige von England waren." Anmerkung 15

Thüringen und Sachsen

Auch hier wollen wir uns auf die Spurensuche nach den Tonpfeifenbäckern vergangener Tage machen.
In den Neuen Bundesländer, dem Gebiet der früheren DDR, sind etwa 40 Pfeifenbäckerstandorte bekannt. Einige konzentrieren sich in Thüringen und im sächsischen Gebiet. Von vielen dieser Orte ist aber nur bekannt, dass in ihnen ein oder mehrere Pfeifenbäcker ansässig waren.
In Sachsen und Thüringen begann die Tonpfeifenproduktion im späten 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts.
Aus vielen Orten liegen kaum oder nur sehr mangelhafte Informationen über ansässige Pfeifenbauer vor, andere Städte sind dagegen besser dokumentiert, z. B. Grimma, Waldenburg und Altenburg. Für Harbke in Sachsen Anhalt wird z.B. die Jahreszahl 1723 angegeben.

Bild 14, Älteste bekannte deutsche Beschreibung der Herstellung von Tonpfeifen in Harbke

Zusammen mit dem aus Wesel am Niederrhein stammenden Pfeifenmacher Johann Müller gründete Böttcher in Meißen der Stadt im Jahre 1711 eine Tabakspfeifenfabrik in der Pfeifen aus Böttgersteinzeug gefertigt wurden. Diese Produktionsstätte bestand jedoch nur 3 Jahre, Müller kehrte nach Wesel zurück und starb 1729.
In Altenburg wurde die aus Hann.-Münden eingewanderte Pfeifenbäcker Familie Laspe ansässig, es sind sogar ihre Wohnhäuser bekannt. In einem der Anwesen konnten durch Zufall über 10.000 Tonpfeifenstiele und an die 480 Köpfe geborgen werden. An Pfeifenformen sind Fersenpfeife, Rundbodenpfeife und Manschettpfeife vorhanden.

Bild 15, Fersen und Rundbodenpfeife mit Deckel gegen Funkenflug

Bei den im Bild 15 dargestellten Pfeifen sehen wir Deckel die den Funkenflug und damit die Brandgefahr verhindern sollten. Wie schon in dem Artikel "Der verbotene Genuss" dargelegt, wurde in vielen Städten das Rauchen nicht nur aus politischen oder weltanschaulichen Gründen sondern auch wegen der Feuergefahr verboten. Der Herzog von Braunschweig-Lüneburg erließ im Jahre 1719 ein Gesetz, in dem angeordnet wurde, dass auf den Pfeifen Aufsätze angebracht werden müssten um diese Gefahr, die durchaus real war, zu verhindern.

Die Laspes verwendeten als Stielbeschriftung sehr selten die Bezeichnung "Altenburg", zumeist sind die Pfeifen mit "Gouda" oder "Dresden" gekennzeichnet, die Stempelmarken sind ebenfalls nach Vorbildern aus Gouda gestaltet. Es besteht nun durchaus die Möglichkeit, dass sich die Laspes durch Plagiate an die Beliebtheit der holländischen Pfeifen anhängen wollten.
Der letzte Pfeifenmacher Altenburgs, Christian Friedrich Laspe, verlegte um das Jahr 1820 seinen Wohnsitz nach Dresden, er soll dort weiterhin seinem Beruf des Pfeifenbäckers nachgegangen sein.

Überaus Interessant sind auch die Funde aus dem Harz, speziell dem Oberharz. Aus dieser Gegend sind inzwischen an die 70 Fundplätze bekannt die sehr häufig in einem direktem Zusammenhang mit dem dort in früheren Zeiten betriebenen Bergbau stehen: "Bei den Fundplätzen handelt es sich oft um die Halden ehemaliger Bergwerke, und die Tonpfeifen geben wichtige Hilfen bei der Datierung der Schachtanlagen. Die bisher frühesten Exemplare sind in die Mitte bis 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts zu datieren." Es konnte dabei beobachtet werden: "...dass viele Fundstücke mit erhaltenem Pfeifenkopf und nur noch sehr kurzem Stielrest deutliche Spuren einer Bearbeitung der Abbruchkante aufweisen. Offenbar wurden die Pfeifen nicht weggeworfen, wenn der lange Stiel abgebrochen war, sondern weiter geraucht. Möglicherweise bevorzugten die Bergleute für die Arbeit untertage kurzstielige Tonpfeifen und benutzten aufsteckbare Mundstücke. Auf die weitreichenden Verbindungen des Oberharzer Bergbaus weisen nicht nur Tonpfeifen niederländischer Provenienz, sondern auch Fundstücke mit der Nennung von Freiberg in Sachsen oder Aufschriften wie "IN PRAG" hin." Anmerkung 16

Pfeifen die bergmännische Motive aufweisen, wurden ebenfalls gefunden, sie tragen als Stieltext oder Marke den Herstellernamen "Knecht". Dieser Name verweist zum Beispiel nach Großalmerode in Hessen und in andere Herstellungsorte. Andere Pfeifen deuten auf einen Herstellungsort im Westerwald hin.

Aus Leipzig liegt uns der weiter oben schon erwähnte Totenbuchhinweis vor: Hans Tielmann, Töpfermeister und Tabakspfeifenmacher hat im Dezember 1656 seinen Sohn begraben.
Der verfüllte Stadtgraben auf dem Areal von Anwesen Hainstrasse 12 im Stadtzentrum von Leipzig barg eine Fülle von Tonpfeifenfragmenten die ins späte 17. vorwiegend aber ins 18. Jahrhundert datiert werden können. Es sind Pfeifen der Goudaer Familie Verzijl und auch Pfeifen im Goudaer Stil die in Sachsen gefertigt wurden, dies beweist der eingestempelte Name des Pfeifenbäckers Laspe aus Altenburg.
Zusammenfassend kann für Leipzig gesagt werden, dass ein Großteil der gefundenen Tonpfeifenfragmente aus den Werkstätten holländischer Pfeifenhersteller stammt:
"Die Stieltexte und die Marken belegen Lieferungen folgender Pfeifenbäcker: Jan van der Dus, Jan Danens, der Jong Familie, Hendrik Mandshofd, J. de Vos, Arij van der List und Peter Versluijs - die meisten Tonpfeifen wurden von der Verzijl-Familie hergestellt. Im Gegensatz dazu wurden nur einige niederländische Produkte aus dem 17. Jahrhundert gefunden und nur wenige Tonpfeifen können anderen Herstellungsorten wie Grimma in Sachsen zugewiesen werden." Anmerkung 17

Einheimische Ware, "Wille" aus Grimma und "Laspe" aus Altenburg, aus dem Großraum Leipzig ist eindeutig in der Minderheit.

In Grimma, knappe 30 südöstlich von Leipzig, wurde die Pfeifenherstellung gegen Ende des 17. Jahrhunderts begonnen und bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ausgeführt. Anhand der erhaltenen Einwohnerlisten können sogar noch die von den Pfeifenbäckern bewohnten Gebäude identifizieren werden.

Die Pfeifenfunde aus Grimma sind vorwiegend aus einheimischen ortsansässigen Werkstätten und zeigen einen sehr hohen Qualitätsstandard. Importware aus den Niederlanden oder anderen deutschen Herstellungsgebieten sind sehr selten. Um das Jahr 1800 betrug die jährliche Tonpfeifenproduktion aller in Grimma ansässigen Pfeifenbäcker an die 400.000 Stück. Tonpfeifen aus Grimma wurden bis nach Holland und Belgien exportiert, das erscheint mir ein Zeichen für die besondere Güte der grimmaschen Pfeifen zu sein.

Bild 16 a und 16 b, Fersenpfeife des Pfeifenbäckers Johann Gottfried Gräfe in Grimma, Ende 18. Jahrhundert

In der Mühlstrasse in Grimma wurde 1992 ein Haus (Mühlstrasse Nr. 7) abgerissen und dabei Tonpfeifenfragmente gefunden. Dieses Haus wurde im Jahre 1792 von dem Pfeifenbäcker Kramer erworben und als Werkstatt zur Pfeifenherstellung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts (1844) genutzt. Bei den Abrissarbeiten konnten neben Pfeifen, Kramer hatte etwa 20 verschiedenen Pfeifenmodelle im Angebot, und diversen Fehlbränden auch die Reste eines Pfeifenbrennofens gefunden werden.
"Der Ofen war von einem hier zuvor tätigen Töpfer übernommen worden. Der an der Stadtmauer stehende Ofen wurden für das Brennen der Tonpfeifen umgebaut. Die Feuerung befand sich vor dem Ofen und die Hitze, die Flammen und der Rauch wurden über Züge durch den Brennraum geleitet. Auf dem Rost aus Platten aus Pfeifenton konnten die kastenförmigen Brennbehälter aufgestapelt werden, die beim Brennen von den Flammen umgeben wurden." Anmerkung 18

In Zittau konnte ebenfalls ein großer Komplex von Tonpfeifen geborgen werden. Es handelt sich um an die 600 Pfeifen von allerdings geringer Qualität die um die Mitte des 17. Jahrhunderts datiert werden können.
Die Herstellungsweise der Pfeifen wich vom damals Üblichen etwas ab: zuerst wurde der Kopf geformt und die Verzierung mit der Hand angebracht, danach wurde der separat geformte Stiel eingesetzt. Es handelte sich bei dem Fund aus Zittau um ungerauchte Pfeifen, daher kann eine Fertigung an Ort und Stelle durchaus in Betracht gezogen werden. Dieser Fund aus Zittau, vergleichbare gibt es noch in Görlitz und Breslau, könnte darauf hindeuten, dass die Pfeifenproduktion im Osten von Deutschland relativ unabhängig von westlichen Einflüssen und nahezu eigenständig geschah.
Gehen wir nur weiter auf unserer Spurensuche, hinüber nach Görlitz an der Neiße, nördlich und unweit von Zittau gelegen. Am Ende der Brüderstrasse erhebt sich der Schönhof, es soll das älteste sicher datierte (in das Jahr 1528) Renaissancebürgerhaus in Deutschland sein. Bei Fußbodensanierungen wurden 22 Tonpfeifenstücke gefunden, darunter befanden sich 9 Kopffragmente. Zu datieren sind diese Funde ins Jahr um 1620, es handelt sich hier um einen niederländischer Herkunft. Drei Pfeifenköpfe holländischer Machart aus dem 18. Jahrhundert, hier könnte es sich möglicherweise um einheimische Erzeugnisse handeln. Vier Stücke aus dem 17. Jahrhundert sind von ungewöhnlicher Machart: "Kopf und Stiel müssen sich beim Ausformen in einer geraden Linie befunden haben, d.h. die Stiele sind erst nachträglich umgebogen worden. Die Qualität der mit einem manuellen Dekor versehenen Köpfe ist gering. Über die Herkunft dieser abweichend von der üblichen Technologie gefertigten Stücke ist nichts bekannt. Ein Pfeifenbäcker ist für diese Zeit in Görlitz nicht nachgewiesen. Erst 1777 wanderte Johann Conrad Wille als erster Pfeifenbäcker in Görlitz ein, wo er mit seiner Familie bis in die 1830er Jahre Pfeifen produzierte." Anmerkung 19

Im Jahre 1765 gründete der preußische Kriegsrat Kienitz in Weissenspring bei Frankfurt an der Oder eine Tonpfeifenmanufaktur. Dieser Betrieb war mit Schutzprivilegien gegen niederländische und gegen einheimische preußische Manufakturen ausgestattet und produzierte im Jahre 1800 ca. 700.000 Tonpfeifen pro Jahr, eine stattliche Menge.
"Die Pfeifen wurden am Stiel mit dem Produktionsort bezeichnet und trugen als Marke das gekrönte "B" und das gekrönte "H" sowie die Buchstaben "L", "W" oder "Z"; als Bildmarken sind eine Mühle mit Wasserrad, ein Kreuz und ein springender Hund belegt. Mit dem Rückgang des Bedarfs an Tonpfeifen schloss die Fabrik um 1835; 1838 wurden die Gebäude abgerissen." Anmerkung 20

In Berlin gab es ab 1792 im Gebäude der ehemaligen Berliner Tonpfeifenfabrik von Sophie Rauch eine Niederlassung der Weissenspringer Manufaktur, eine Preisliste ist erhalten geblieben und zeigt uns das Angebot und die Preise.

Bild 17, Preisliste

In Brandenburg konnte bei Ausgrabungen ein Schädel gefunden werden, der an den Zähnen die gleichen Merkmale aufweist wie die Schädel von Rendsburg die im "Teil 2 Holland" erwähnt wurden. Der Einfachheit halber zitiere ich hier nochmals den betreffenden Absatz: "Maren Weidner aus Kiel berichtete über die Entdeckung von Skeletten in der Neustadt von Rendsburg, die offenbar in größter Eile und ohne Särge bestattet wurden. Zwischen den Knochenresten fanden sich zahlreiche Tonpfeifenfragmente, die zur Klärung und Datierung der ungewöhnlichen Bestattung herangezogen werden sollten. Die Vermutung, es handele sich um Seuchenopfer, bestätigte sich nicht, da die letzten Epidemien Rendsburg 1705 und 1711 heimsuchten, die Tonpfeifen aber überwiegend jüngeren Datums sind. Auch wenn durch die Analyse der Tonpfeifenfunde noch keine Erklärung für die Skelettansammlung gefunden werden konnte, so widerlegen sie doch die ursprüngliche Theorie. Indirekt geben sie einen wichtigen Hinweis für die - trotz der angestellten anthropologischen Untersuchungen bisher nicht mögliche - Datierung der Skelette, indem zahlreiche Gebisse eine deutliche Abrasion zeigen. Stets sind vier Zähne betroffen (Eckzahn und erster Backenzahn oben und unten), bei denen die Abrasion ein rundes Loch bildet, das durch den langjährigen Gebrauch von Tonpfeifen erklärt werden kann." KnasterKopf Band 12/1999 Aufsatz von Maren Weidner

Offensichtlich kann diese doch recht schmerzvolle Abrasionen der Zähne auch an anderen Fundstellen beobachtet werden.

Bild 18, Schädel vom Pauli Friedhof Brandenburg

Hier wollen wir die Spurensuche nach den alten Tonpfeifen und ihren Herstellern beenden und uns einem anderen Kapitel zuwenden.
Tonpfeifen konnten bzw. können immer und überall geraucht werden, sofern es nicht von der Obrigkeit verboten war. Wir befinden uns ja, es sei hier angeführt, in einer Zeit in der in vielen Städten ein Rauchverbot eingeführt wurde. Dass dennoch fröhlich und ohne behördliche Anordnungen zu befolgen geraucht wurde, versteht sich beinahe von selbst.

(Siehe dazu auch den Artikel: Der verbotene Genuss)

Bei der Arbeit auf dem Felde wurde das Pfeifchen geschmaucht, in der Werkstatt, auf den Gassen und Plätzen der Städte und Gemeinden, und die Pfeife qualmte bei Zusammenkünften bei denen traditionell aus Tonpfeifen geraucht wurde.

Bild 19, Rechnung für Tonpfeifen

Bild 20, Futteral für Tonpfeifen



Theelacht

Die Theelacht in Ostfriesland ist eine der ältesten Vereine die wir kennen. Gegründet wurde diese Genossenschaft von Bauern aus Norden die sich vor Hunderten von Jahren gegen räuberische Wikinger, die damals die Küsten unsicher machten, mit Mistgabeln, Prügeln und Schaufeln zur Wehr setzten. Als Dank erhielten alle an der Schlacht beteiligten Friesen in der Hilgenrieder Bucht ein Stück Land zum gemeinschaftlichen Besitz.
Die Wikinger sind schon lange im Brunnen der Vergangenheit verschwunden, der Zusammenschluss der Bauern lebte aber in der Theelacht- Vereinigung weiter. In Norden treffen sich die Mitglieder dieser Vereinigung im Sitzungssaal des Alten Rathauses, rauchen aus langen Tonpfeifen und trinken ihr eigenes, extra für diese Zusammenkunft gebrautes Bier, das ziemlich hochprozentig ist.
Theelacht ist in etwa mit "Bewahrer des Deiches" zu übersetzen.

Die Schaffermahlzeit in Bremen

ist ebenfalls eine Zusammenkunft mit einer sehr langen Tradition.
Der Name kommt aus dem seemännischen Wortschatz: schaffen bedeutet essen, der Schaffer war der Proviantmeister auf einem Schiff.
Seit 1545 treffen sich in der alten Hansestadt Bremen Kapitäne, Reeder und Kaufleute jeden zweiten Freitag im Februar zu einem gesellschaftlichen Großereignis: dem Schaffermahl. Ein überaus glanzvolles Fest, dazu eingeladen zu sein bedeutet eine große Ehre für denjenigen, der daran teilnehmen darf. Das Fest beginnt mit einem leckeren Festmahl, das aus traditionellen Gerichten besteht.Die Speisekarte hört sich z.B. wie folgt an:
"Los geht es mit einer kräftigen Hühnersuppe, dann tragen die Saaldiener Stockfisch, Kartoffeln und Senfsauce auf. Zwischen den einzelnen Gängen werden die Reden von kaufmännischen und Kapitänsschaffern sowie des Ehrengastes gehalten. Es folgen Braunkohl mit Pinkel, geräuchertem Fleisch, Maronen und Bratkartoffeln, dann ist der Kalbsbraten mit Selleriesalat, Katherinenpflaumen und gedämpften Äpfeln dran. Und damit die Speisen auch gut bekommen, gibt es Weißweine von Rhein und Mosel und Roten aus Bordeaux. Damit keiner hungrig aufstehen muss, folgen jetzt noch Rigaer Butt mit Sardellen, Wurst und Zunge sowie Chester- und Rahmkäse. Geschlossen ist der Magen deshalb immer noch nicht, zum Abschluss kommen Fruchtkörbe und anschließend Mokka auf den Tisch." Anmerkung 21

Nach dem Essen kommt dann die Stunde der Raucher, nach altem Brauch wird aus langstieligen Tonpfeifen geraucht. Die Schaffermahlzeit, übrigens ein reiner Herrenabend, Frauen haben dazu keinen Zutritt, soll das einzige Mal gewesen sein, bei der man den verstorbenen Altbundeskanzler Konrad Adenauer mit einer Tonpfeife, ja überhaupt rauchend, sah.

Das preußische Tabakskollegium

König Friedrich I. von Preußen, vormals Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, wurde im Jahre 1701 zum König gekrönt. Für ihn spielte das Rauchen schon immer eine große Rolle und so führte der Monarch auch bald am Hofe Tabakgesellschaften ein. Es waren Zusammenkünfte, bei denen es steif und genau nach Etikette zuging, geladen waren hohe Würdenträger und ihre Damen. Die Herren mit Perücke und die Damen in kostbarer Abendkleidung gaben sicherlich ein prächtiges Bild ab wie sie da um den Tisch saßen und aus langen Tonpfeifen rauchten.
Sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm I. der später "Soldatenkönig" genannt wurde, führte diese Tradition des Tabakkollegiums weiter, aber ohne Etikette und jeglichen Zwang. Es war eine buntgemischte Gesellschaft: Generäle und Stabsoffiziere, später dann Gelehrte, Botschafter ausländischer Staaten und wer weiß ich noch alles, die sich da fast jeden Abend in seinen Schlössern in Berlin oder Wusterhausen (wo sich der Herrscher eben gerade aufzuhalten pflegte) zusammensetzte und aus Tonpfeifen rauchte, trank und mitunter derbe Scherze machte. Wer nicht rauchen wollte oder aus welchen Gründen auch immer nicht konnte, musste wenigstens so tun als ob er es täte. So sahen die Gäste dann immer den Alten Dessauer (Beiname von Leopold I., geboren 1676 und gestorben 1747, Fürst von Dessau und preußischer Feldmarschall) stocksteif in einem Sessel sitzen und eine Tonpfeife ohne zu rauchen im Munde haltend.
Als der Soldatenkönig starb am 31. Mai 1740 starb wurde sein Sohn Friedrich III., er wurde später Friedrich der Große genannt, sein Nachfolger. Er hatte nicht viel fürs Rauchen übrig, seine Leidenschaft galt dem Schnupfen und so schlug alsbald die letzte Stunde des Tabakkollegiums.

Damit sind wir am Ende des 3.Teiles angekommen.
Ein Nachtrag wird sich dann später mit der Tonpfeifenherstellung und der Pflege beschäftigen. Bis dahin bitte ich noch um etwas Geduld.


Riehl,
Wilhelm Heinrich von (seit 1883), Kulturhistoriker und Novellist, *Biebrich (heute zu Wiesbaden) 6.5. 1823, gestorben in München 16.11. 1897; Redakteur, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, seit 1854 Professor in München, seit 1885 auch Direktor des Bayerischen Nationalmuseums; wurde einer der Begründer der wissenschaftlichen Volkskunde in Deutschland. In seiner »Naturgeschichte des deutschen Volkes...« (1851/69, 4Bände) beschrieb er die materielle und geistig-moralische Situation verschiedener Volksschichten mehrerer historischer Epochen. Seit den 1860er-Jahren widmete sich Riehl v.a. der Kulturgeschichte. Populär waren seine biedermännisch-humorvollen Novellen.
© 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG

Böttger,
(Böttiger), Johann Friedrich, Alchimist, *Schleiz 4.2. 1682, gestorben in Dresden 13.3. 1719; musste wegen »Goldmacherei« aus Preußen fliehen und kam in den Gewahrsam Augusts des Starken, wurde 1704 dem Physiker E.von Tschirnhaus unterstellt. Noch zu Lebzeiten von Tschirnhaus gelang ihm die Herstellung des roten fälschlich Böttgerporzellan genannten Böttgersteinzeugs und 1708/09 des weißen Porzellans. Nach Tschirnhaus' Tod führte Böttger die Versuche weiter. In Meißen wurde 1710 eine Porzellanmanufaktur gegründet, deren Leitung Böttger bis zu seinem Tod innehatte.
© 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG

Bildquellennachweis:

Bild 1, 2, 3
http://www.zeitensprung.de/kikeramik.html

Bild 4, 8, 10 bis 18
KnasterKOPF - Fachzeitschrift für Tonpfeifen und historischen Tabakgenuss mit Dank an Herrn Dr. M. Kübler.

Bild 6 und 7
http://www.hann-muenden.net/spontan/kloake/titel.htm

Bild 5
http://www.hoehr-grenzhausen.de/startseite/index.html Link zu Hilgert

Bild 9
http://www.schiffahrtsmuseum-nf.de/Wrack/html/body_wrack2.html

Bild 19
http://www.stadtarchaeologie-lueneburg.de/ausstell/abb/futteral.htm
Nochmals Dank an die Lüneburger Archäologie

Literatur und Internet:

Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (SAM)
Bericht über die 24. Ordentliche Jahrestagung in Freiburg im Breisgau: Freitag/Samstag 30./31. Oktober 1998

Untersuchungen zu einer frühneuzeitlichen Kloake
in Hann. Münden, Landkreis Göttingen
http://www.hann-muenden.net/spontan/kloake/titel.htm

Burg Kirkel
http://www.zeitensprung.de/kikeramik.html

http://www.teachsam.de/geschichte/ges_deu_konfess_1517-1648/drei_krieg_1618-48/drei_krieg_1618-48_4.htm

Bericht über die 14. Tagung
des Arbeitskreises zur Erforschung der Tonpfeifen vom 1. bis 3. Juni 2000 in Liestal/CH
Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 9.1998

Bericht über die 16. Tagung
des Arbeitskreises zur Erforschung der Tonpfeifen vom 26. bis 28. April 2002 in Grimma

KnasterKopf Band 1/1989 bis Band 15/2002

Anmerkungen

Anmerkung 1
Egon Cäsar Corti; Geschichte des Rauchens Seite 99

Anmerkung 2
KnasterKopf Band 2 1990

Anmerkung 3
Die Bezeichnung >Tabaktrinken< wurde erst in der zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts durch das Wort >Tabakrauchen< ersetzt.

Anmerkung 4
Grimm "Deutsches Wörterbuch" >Rauch<

Anmerkung 5
Der Westerwald und seine Bewohner von den ältesten Zeiten bis heute.
von E. Heyn , Pfarrer in Marienburg Ww., 1893

Anmerkung 6
http://www.knasterkopf.de/htm/akreis/erg.htm

Anmerkung 7
KnasterKopf Band 7

Anmerkung 8
NICHT NUR "GRAU-BLAU"
Westerwälder Steinzeug als Seismograph einer historisch-regionalen Volkskunde.
http://www.unibas.ch/volkskunde/volo/berichte/kuntz.html

Anmerkung 9
Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 7. 1996

Anmerkung 10
http://www.hoehr-grenzhausen.de/startseite/index.html (dort Link zu Hilgert)

Anmerkung 11
Großalmerode vor 225 Jahren.Ein Dorf wird zur Stadt
http://www.werra-meissner.de/grossalmerode/Uns_Stadt/Geschichte/groa1.htm

Anmerkung 12
Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 7. 1996

Anmerkung 13
Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 11. 2000

Anmerkung 14
KnasterKopf Band 10/1977

Anmerkung 15
KnasterKopf Band 3/1990

Anmerkung 16
Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 9.1998
Darin enthalten: 11. Treffen des Arbeitskreises zur Erforschung der Tonpfeifen
in Nordhausen am 3. und 4. Mai 1997
http://www.uni-tuebingen.de/uni/afg/mbl/mbl9/9beri.htm

Anmerkung 17
KnasterKopf 12/1999

Anmerkung 18
KnasterKopf 12/1999

Anmerkung 19
Bericht über die 16. Tagung
des Arbeitskreises zur Erforschung der Tonpfeifen vom 26. bis 28. April 2002 in Grimma

Anmerkung 20
KnasterKopf 2/1990

Anmerkung 21
Schaffermahl und Eiswette - beste Werbung für Bremen
Feine Essen in noch feinerer Gesellschaft
http://www.tachauch.de/bremensien/millennium/blick_schaffer.html

 

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